ROCK: Vorhang auf

Anajo, „Nah bei mir“, Tapete/Indigo. 2004.

Der kommerzielle Erfolg von Bands wie Wir sind Helden, Sportfreunde Stiller und ihren Trittbrettfahrern macht es möglich: Kleinere Plattenlabel wie Tapete Records nutzen die Gunst der Stunde um vermehrt deutschsprachige Musik mit Qualitätsanspruch zu promoten. Neuester Coup der Hamburger: Nah bei mir, das Debütalbum von Anajo. Diese drei smarten Jungs aus der fränkischen Provinz haben bereits mit der Vorabsingle „Ich hol dich hier raus“ ihren ersten Indie-Hit gelandet. Genaueres Hinhören bestätigt den Verdacht, dass diese Jungs den gewissen Mehrwert besitzen könnten, um aus der Masse deutscher Gitarrenbands herauszustechen. „Ich habe die Annahme, du bist eine Ausnahme, ich habe den Verdacht, du hast Geschmack“, heisst es in „Honigmelone“. mehr lesen / lire plus

CHUCK PALAHNIUK: Alltäglicher Wahnsinn

Chuck Palahniuk, „Diary“, Vintage, 2004.

Chuck Palahniuk, seines Zeichens Autor von „Fight Club“, war noch nie dafür bekannt besonders appetitliche oder lebensbejahende Bücher zu schreiben. An seinem neuesten Wurf Diary scheiden sich jedoch die Geister. Eine schaurig-schöne Reise ins Innere einer vollkommen wahnsinnigen Inselkommune oder ein allzu verworrener Pseudo-Thriller mit esoterischen Anleihen? Ein bisschen von beidem: Die Geschichte um Misty Marie Wilmot, deren Mann nach einem (angeblichen) Selbstmordversuch im Koma liegt und die nach und nach Opfer eines vollkommen hinrissigen Plans wird, ist im Ansatz viel versprechend. Sie wird im Endeffekt aber nicht überzeugend erzählt. Palahniuks literarische Manierismen häufen sich zu sehr, und abstoßende Details werden derart detailliert geschildert, dass selbst Hartgesottene nach der Lektüre erst mal kalt duschen müssen. mehr lesen / lire plus

THEATER UND LITERATUR: Raoul Biltgen

Im Ausland hat er sich seine Sporen als Schauspieler und Autor bereits verdient. Nun möchte sich Raoul Biltgen auch
in Luxemburg einen Namen machen.

Eigentlich wollte Raoul Biltgen bei seiner Lesung in der Escher Bibliothek im Herbst 2003 erotische Gedichte präsentieren. Doch seinen anwesenden Eltern war nicht ganz wohl dabei. „Wahrscheinlich machten sie sich Sorgen darüber, was ihre Freunde wohl denken würden“, grinst Biltgen. Also änderte er ihnen zuliebe kurzfristig seine Pläne, merkt aber an, dass er im Ausland keinerlei Hemmungen hat, auch sehr Persönliches zum Besten zu geben.

In Luxemburg ist der 30-Jährige höchstens denen ein Begriff, die ihn als Jugendlichen bei seinen ersten Bühnenauftritten gesehen haben oder seine beiden Bücher „Manchmal spreche ich sie aus“ (1999) und „Heimweg“ (2000) gelesen haben. mehr lesen / lire plus

Lemony Snicket’s: A Series of Unfortunate Events

Ein rundum gelungenes düsteres Märchen: Unglaubliche Kulissen, geschliffene Dialoge und DarstellerInnen in Hochform. Auch wenn der Schluss von Brad Silberlings Literaturverfilmung etwas unglaubwürdig daherkommt, so trübt das eigentlich kaum das Vergnügen. Und die Zwillinge Kara und Shelby Hoffman als cleveres Baby Sunny hätten glatt einen Oscar verdient.

Im Utopolis (Luxemburg) im Kinosch (Esch) und im Prabbeli (Wiltz)

Claudine Muno mehr lesen / lire plus

CASES: Cure anti-virus

Tou-te-s ceux ou celles qui ne sont pas des spécialistes en matière d’ordinateurs, vont reconnaître les sensations suivantes: les sueurs froides lorsque l’engin refuse de s’allumer, la peur bleue qui les envahit lors des achat en ligne, les crises de nerf précédant la lecture d’un courriel susceptible de contenir un dangereux virus. Le Ministère de l’Economie et du Commerce extérieur a enfin eu pitié de ceux ou celles qui aimeraient bien se servir de l’outil informatique, mais qui se sentent largué-e-s dès que les opérations ne se déroulent pas comme prévu. Sur le site www.cases.lu, on a accès à de nombreux conseils pour protéger son ordinateur d’attaques éventuelles. mehr lesen / lire plus

MUSIK: Spielwiese

Operation gelungen, Patient tot. Nach vier erfolgreichen Ausgaben verabschiedet sich das luxemburgische Newcomerfestival Emergenza.

Wir schreiben das Jahr 2003: Eine überdimensionale Vagina tanzt über die Bühne der Escher Kulturfabrik. Eine Person undefinierbaren Geschlechts mit einem Schnurrbart aus schwarzem Klebeband und ebensolcher Achselbehaarung, stürzt sich in die Menge. Sogar die Tontechniker tragen Tangas.

Die anarchische dritte Ausgabe des Emergenza Talentschuppens war ein denkwürdiges Happening. Plötzlich begeisterte das eher biedere Konzept des Newcomer-Wettbewerbs die Massen und sogar der Herr, der nach jedem Act ungelenk Promo-T-shirts ins Publikum beförderte, erlangte für kurze Zeit Kultstatus. Junge Gruppen, gerade dem Proberaum entwachsen, durften sich auf der Bühne der Kulturfabrik austoben, und alle wollten dabei sein. mehr lesen / lire plus

MARIE TAILLEFER: „Tu vois le cirque …“

„Tu vois le cirque …“ hat die Fotografin Marie Taillefer ihre Ausstellung in der Galerie Clairefontaine überschrieben. „Le cirque“ heißt hier so viel wie „Siehst du den Trubel“? Dabei herrscht in ihren Bildern alles andere als Aufregung. Es sind Stillleben, leuchtend bunt und zugleich düster wie Renaissance-Gemälde – Momentaufnahmen aus einem Leben ohne den verstorbenen Vater. Ihm hat Taillefer diese Sammlung gewidmet, die gleichzeitig auch ihre Abschlussarbeit an der renommierten Schweizer Vevey-Fotografieschule war. Ausgangspunkt sind Polaroids, die sie digital verarbeitet und von denen sie Drucke anfertigt. Die Galerie Clairefontaine hat einige ihrer Arbeiten in kastenförmige Rahmen gefasst, welche die Aufnahmen subtil und schlicht in Szene setzen. mehr lesen / lire plus

MUSIK: Hausmusik

Ob Elektro aus dem Heimstudio oder Jamsessions
in der Garage – Marcel Wennmacher folgt dem Motto: Hauptsache, mensch tut was.

„Ich bin ein Klangmensch“ – der Musiker Marcel Wennmacher.

Er hat die zwanzig Titel, die es nicht auf seine Platte „plugged or not to be“ geschafft haben, sicherheitshalber von seiner Festplatte gelöscht. Damit er nicht doch noch in Versuchung kommt, wieder daran rumzubasteln. „Jetzt ist es wieder Zeit für etwas Neues“, sagt Marcel Wennmacher, hauptberuflicher Baumpfleger und Feierabend-Musiker aus Leidenschaft. Unter dem Pseudonym Phonopticum hat er sich fünf Jahre lang ganz allein an seinem Computer ausgetobt und nur neun Stücke für die Veröffentlichung ausgewählt. mehr lesen / lire plus

METAL: Blut und Töne

The Blood Brothers, Crimes, V2, 2004.

Die Fachpresse scheitert immer wieder beim Versuch, die Chaos-Combo Blood Brothers griffig zu charakterisieren. Ob Micky Mäuse auf Speed oder Sepultura nach dem ausgiebigen Inhalieren von Helium – die Band zieht wie keine andere zur Zeit ihr eigenes Ding durch. Absurd-morbide Texte, Gitarrengewitter, zwei ständig durcheinander quäkende Sänger und obwohl es beim ersten Hören einfach nur nach Krach klingt, erschließt sich schon bald die schiere Genialität dieser irren Kollagen.“Crimes“ ist das dritte Album der blutigen Brüder – ihr zugänglichstes, heißt es. Der Vorgänger „Burn, Piano Island, burn“ hatte vielleicht die besseren Songs, war ungestümer, aber dafür nimmt sich „Crimes“ mehr Zeit und erschafft eine ganz eigene Atmosphäre. mehr lesen / lire plus

KLASSIK: Gehobene Stimmung

Scala, „Respire“, Pias, 2004.

Das hätte keiner für möglich gehalten und trotzdem: Chorgesang ist wieder in. Während in den Kirchen die Ave Marias immer zögerlicher aus spärlich gesäten Rängen tönen, tourt Tim DeLaughter erfolgreich mit seiner Truppe „The Polyphonic Spree“. In Belgien ist es seinerseits der Mädchenchor „Scala“, der 2003 mit dem ersten Album „On the Rocks“ für Furore sorgte: Coverversionen von vorzugsweise alternativen Hits wie „Creep“ oder „I touch myself“ (!), nur mit Klavier und mehrstimmigen Gesang. Das wirkt vielleicht kitschig oder unfreiwillig komisch, ist aber einfach nur schön. Mancher Titel profitiert sogar von der Frischzellenkur. Mit „Respire“ veröffentlichen Scala, unter der Leitung der Brüder Kolacny, bereits ihre dritte Platte, diesmal nur mit französischsprachigen Songs. mehr lesen / lire plus

MUSIK: Du und deine Freunde

Mack Murphy alias Jérôme Reuter und seine Inmates huldigen musikalisch den Fürsten der Finsternis von
Nick Cave bis Sisters of Mercy.

Mack Murphy und die Inmates: Tom, Rupert, Jérôme, Yann, Patrick und Patrick.

Einen verbalen Meuchelmörder stellt mensch sich eigentlich anders vor. Jérôme Reuter schlachtet in seinen Texten die Maries und die Mollys, erzählt von durchzechten Nächten in versifften Motels und lässt sich im feuchten Grab von Würmern anknabbern. „Mack Murphy and the Inmates“ heißt seine sechsköpfige Kombo, die sich ganz weit verbeugt vor den großen Gossenpoeten Tom Waits und Nick Cave. Vor dem Release-Konzert ihrer zweiten CD in der Escher Kulturfabrik ist jedoch von Blutvergießen keine Spur. mehr lesen / lire plus

MUSIQUE: Christine et les boy-scouts

Après Zap Zoo et les Chief Marts, c’est désormais au tour du jeune groupe luxembourgeois Couchgrass de faire ses valises et de partir au Eurosonic Festival à Groningen aux Pays-Bas.

Couchgrass (de gauche
à droite): Claude, Claire, Dirk, Amandine et Vicky.

Couchgrass, c’est une „mauvaise herbe avec des racines longues qui poussent le long du sol“. Agropyron repens pour les latinistes. Pas franchement très ragoûtant, mais comme tant de groupes avant eux, le quintette a trouvé son nom en feuilletant le dictionnaire. „Zimlech boring“, avoue Amandine Klee, la „frontwoman“ de la formation, à propos de la démarche.

Quand Couchgrass s’est pour la première fois présenté au grand public, à l’occasion de l’Emergenza en 2003, personne n’attendait ces inconnus de la scène musicale luxembourgeoise. mehr lesen / lire plus

CHARLES SHYERS: Alfie

Wann hört der Typ endlich auf zu schwafeln? Jude Law alias Gigolo Alfie mag zwar in Charles Shyers gleichnamiger Komödie lockere Sprüche klopfen, aber der verbale Dünnpfiff nervt schon nach wenigen Minuten. Besonders wenn sich die Geschichte um den eitlen Macho, der plötzlich vom Leben übel gebeutelt wird, in der zweiten Hälfte zur Moralpredigt wandelt. Alles in allem kein besonders gelungenes Remake des Klassikers mit Michael Caine aus den Sechzigern.

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ANNE PAQ: L’horreur au quotidien

Site d’Anne Paq: www.tourbillonphoto.com

Face à la complexité désarmante du conflit israélo-palestinien, la photographe et chercheuse française Anne Paq a choisi d’adopter un point de vue bien précis. Dans son exposition de photographies „Terrains de je(ux) en Palestine“, à voir actuellement au Centre Neumünster, elle porte son regard sur le quotidien des enfants palestiniens. Un quotidien, une existence coupée en deux par le mur d’Abu Dis, deux fois plus haut que le mur de Berlin, et beaucoup plus long, qui doit en principe séparer Israéliens et Palestiniens, mais qui divise également des communautés palestiniennes. Cette „mesure de sécurité“ éloigne les enfants de leurs anciens camarades de jeu, mais aussi de leurs écoles. mehr lesen / lire plus

STEVEN SODERBERGH: Ocean’s Twelve

Mit „Ocean’s Eleven“, dem Remake einer „Rat Pack“-Komödie aus den Sechzigern, gelang Regisseur Steven Soderbergh so etwas wie ein Klassiker. Allerdings entgeht auch er nicht der Regel, dass Sequels meist nicht mit dem ersten Teil mithalten können. „Ocean’s Twelve“ ist noch immer unterhaltsam, aber zum Schluss legt der Regisseur einfach zu viele falsche Fährten und das Publikum schaltet ab.

Im Utopolis

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MUSIQUE: Sleepless in solo

C’est arrivé en deux temps trois mouvements: le musicien
Olivier Treinen se produit à la Kulturfabrik lors du Sonic Faces Festival avec son projet solo Lo-Fi et se retrouve soudain nouvel espoir de la scène musicale luxembourgeoise.

Discret dans la vie, expressif sur scène: Olivier Treinen.

Il appelle ça du „pop“. Sur son premier disque-demo „N’avez-vous pas confiance en moi?“, il y a même une plage qui porte ce nom „p.o.p.“. Ce n’est pas du pop comme dans „pop stars“, mais plutôt une redécouverte des mélodies, une attention particulière accordée aux nuances, aux deuxième voix, qui contraste avec l’énergie brute et l’immédiateté qui fait la force du rock. mehr lesen / lire plus

FILM: Fuck Gulasch!

Von kulinarischen und anderen Identitätskrisen: Filmregisseur Yann Tonnar hat ein Faible für die Entwurzelten, die irgendwie doch zu sich finden.

Im Versammlungsraum des Foyer Don Bosco wartet das Publikum auf Serge Tonnars „Kossovomoss“. In der ersten Singleauskoppelung seines Soloalbums „Legotrip“ geht es um Flüchtlingspolitik und die typisch luxemburgischen Vorurteile. „Eng Kossovomoss am Don Bosco setzt op de Kneien an si motzt do, souguer dofir ass keng Plaz, bei him am Heem.“ Das Video zum Song hat der jüngere Bruder, Yann Tonnar, gedreht. Die Anwesenden warten, nichts passiert. „Äh, Yann, kenns du op Play drecken?“

In dem kaum vierminütigen Clip umschifft er die üblichen Klischees über Multi-Kulti und Integration dank eines ganz eigenen, skurrilen Humors. mehr lesen / lire plus

JOSHUA MARSTON: Maria Full of Gtace

Avec „Maria Full of Grace“, le réalisateur Joshua Marston met en scène de manière quasi2documentaire une histoire fictive, mais plus vraie que nature.

Le commerce de la drogue est un sale business. Pour s’en convaincre, il suffit de voir la jeune Maria, transformée en trafiquante par les gros patrons, nettoyer les petits paquets qui sont malencontreusement sortis de son anus au cours du voyage entre la Colombie et les Etats2Unis 2 puis les avaler à nouveau pour pouvoir les amener à leur destination. „Mets du dentifrice dessus, pas que ça sente ta merde.“

Maria Alvarez, interprétée avec un grand naturel par Catalina Sandino Moreno âgée de 23 ans seulement, n’est pas seulement l’innocente victime dans une mise en scène qui la dépasse. mehr lesen / lire plus

MUDAM-ALMANACH: Museum zwischen Buchdeckeln

168 Seiten, 35 €.

Das Mudam (Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean) sei ein Museum ohne Mauern, schreibt die Journalistin und Kunstkritikerin Josée Hansen in ihrem Beitrag zum gerade erschienen Mudam-Almanach. Das ist gleichzeitig Fluch und Segen: Es ermöglicht einerseits die Kunst aus ihrem geografischen Rahmen zu befreien, andererseits fehlt der Wiedererkennungseffekt. Deshalb hat das Team um Direktorin Marie-Claude Beaud die seit 2000 geleistete Arbeit vorläufig zwischen die vornehm silbrigen Deckel eines Almanachs gepackt. Wenn es auch erst im Mai 2006 möglich sein wird, durch das Gebäude von Ieoh Ming Pei zu flanieren, so gibt’s noch rechtzeitig zu Weihnachten Augenweiden und „food for thought“ auf Hochglanzpapier. mehr lesen / lire plus

PIETER JAN BRUGGE: The Clearing

Das Regiedebüt des Produzenten Pieter Jan Brugge ist genau das, was es eigentlich nicht sein dürfte: bieder und ziemlich leidenschaftslos. Für einen Film um Erpressung und Ehebruch ist das nicht unbedingt die tollste Referenz. Sogar Leinwandgrößen wie Helen Mirren und Robert Redford können den wenig originellen Stoff nicht über Fernsehfilmniveau heben. mehr lesen / lire plus