Das Ministerium für Chancen gleichheit will mehr Frauen in die Gemeinderäte bringen. Bisher hat die Kampagne „votez égalité“ aber vor allem Verständnislosigkeit und Empörung ausgelöst.
Sie sind eine weiße, normschöne, stilbewusste Frau? Dann ist Kommunalpolitik genau das Richtige für Sie! – So jedenfalls scheint es ein für die Kampagne „votez égalité“ gedrehter Clip nahezulegen.
Das Video beginnt mit einer Nah-Einstellung auf ein Paar nackter Beine. Sie sind nur bis zu den Knien zu sehen, an den Füßen trägt die Person schwarze Stöckelschuhe. Eine Frau also. Schnitt. Wir sehen, dass die Frau sich in einer Umkleidekabine befindet. Ein Mann, bei dem es sich wohl um einen Verkäufer handelt, nähert sich der Kabine. „Na? Wie sitzt das Arbeitsoutfit?“ „Noch nicht so ganz das, wonach ich suche. Ich will etwas, womit ich auch meine Ideen, Werte und Vorstellungen ausdrücken kann“, entgegnet die Kundin. Immer noch sind nur ihre Beine und Füße zu sehen. „Und wenn Sie das politische Outfit anprobieren würden?“, schlägt der Verkäufer vor. Die Frau ist einverstanden, und als sie wenige Sekunden später aus der Kabine tritt, trägt sie ein schwarzes Damenkostüm und eine rot-weiß-blau gestreifte Schärpe. Ein Voice-over verkündet: „In der Politik passt der Anzug sowohl dem Mann als auch der Frau“.
Als Chancengleichheitsministerin Lydia Mutsch vergangene Woche der Presse gegenüber erklärte, der Clip sei mit einem Augenzwinkern aufzufassen, konnte man sich fragen, auf welchen Teil der bizarren Kampagne sich die vermeintliche Ironie wohl nicht bezog.
Wie auf der Internetseite „votezegalite.lu“ nachzulesen ist, soll die Initiative das Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen in der Kommunalpolitik fördern. In einer ersten Phase wurde die Bevölkerung über bestehende Missstände informiert: So werden lediglich 13 der insgesamt 105 Rathäuser von Frauen geleitet, von den 231 Plätzen fürs Schöffenamt sind nicht mehr als 45 von Frauen besetzt, und nur 194 von 789 Gemeinderatsmitgliedern in Luxemburg sind weiblichen Geschlechts. Bei den Kommunalwahlen 2011 machten die Frauen 32,09 Prozent der Kandidaten aus, immerhin rund vier Prozent mehr als noch bei den Wahlen von 2005. In einer zweiten Phase sollten Frauen, unter anderem durch Informationsabende, dazu motiviert werden, bei den Kommunalwahlen im kommenden Herbst zu kandidieren.
Stereotype und Vorurteile
Von Anfang an wurden bei der visuellen Gestaltung der Kampagne Symbole verwendet, die ikonographisch für Weiblichkeit stehen: Kussmund, Shopping, Styling. Es lassen sich also klare Ähnlichkeiten zur LSAP-Kampagne „Madame on Tour – Eng Posch voller Iddien“ erkennen, die Ende letzten Jahres auf breite Kritik gestoßen war. „Madame t‘emmerde oder Mir sinn keng Poschekette“, hatte zum Beispiel die Direktorin des Kulturzentrums „opderschmelz“, Danielle Igniti, damals auf Facebook verärgert angemerkt. In der Kampagne war ein Zusammenhang zwischen Kleideraccessoires und politischer Kompetenz hergestellt worden. Auch das Ministerium für Chancengleichheit tritt in dieses Fettnäpchen und fügt nun noch das Bild einer Politikerin als einer weißen, schlanken, konsumorientierten „Business-Frau“ hinzu, die sich jedoch ohne den Rat eines Mannes nicht zu helfen weiß.
Indem die Kampagne die Entscheidung zu einer Wahlkandidatur mit derjenigen für ein Kleidungsstück gleichsetzt, reduziert sie das politische Mandat auf die Frage der Außenwirkung. Die Aussage ist: Eine Frau, die ein politisches Amt anstrebt, sollte möglichst einem bestimmten Erscheinungstyp entsprechen. Es geht anscheinend einzig um die Person und ihre Selbstdarstellung; Aspekte wie politischer Gestaltungswille werden nicht einmal erwähnt. Es entsteht der Eindruck, als sei man davon ausgegangen, dass ein gewisses „dumbing down“ nötig sei, damit Frauen die Botschaft auch wirklich verstehen. Diese scheint zu lauten „Machen Sie sich keinen Kopf, alles gar nicht so kompliziert“.
Da im Rahmen der Kampagne Frauen als Bevölkerungsgruppe behandelt werden, die einer speziellen Motivierung bedürfen, unterstellt man ihnen ein grundsätzliches Desinteresse an Politik. Und indem „Shopping“ und ein gefälliges Äußeres als zentrale weibliche Kompetenzen hingestellt werden, wird das Stereotyp, dass Frauen oberflächlich und nicht ganz ernst zu nehmen sind, noch weiter bekräftigt. Dies ist besonders bedenklich, weil Frauen als politische Akteurinnen ohnehin einen schwereren Stand haben als Männer, denen üblicherweise größere Führungskompetenz und Rationalität zugestanden wird. Dieses Bild wird durch die Kampagne einmal mehr zementiert: Während bei Männern die Inhalte im Vordergrund stehen, werden Politikerinnen nicht nur nach ihrem Körper, sondern auch nach ihrem Kleidungsstil bewertet.
Ein weiterer Teil der Kampagne besteht aus Plakaten und Clips. Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben Luxemburgs äußern sich dort zu der Frage, weshalb Gleichstellung in der Politik für sie wichtig ist. Von den 47 Befragten sind 32 männlichen Geschlechts.
Nicht nur auf den Wahllisten ist man also weit von Parität entfernt. Die Sprüche reichen von der Bestärkung stereotyper Vorstellungen („Ich wähle Gleichstellung, weil Frauen einfach genauer sind“) über heteronormative Ansichten (“weil es Kreation nur gibt, wenn männlich und weiblich zusammenkommen“) bis hin zu gänzlich uninspirierten Floskeln (“weil das am Besten ist“ oder „weil ich keinen Grund sehe, weshalb es anders sein sollte“). Auch Statements wie: „weil Frauen genauso kompetent sind wie Männer“ muten etwas befremdlich an. Wenn Frauen tatsächlich als genauso kompetent wahrgenommen werden wie Männer, wieso es dann hervorheben?
Das im Pressetext zur Kampagne formulierte Ziel, eine breite gesellschaftliche Debatte anzustoßen, scheint immerhin verwirklicht. Seit Tagen erregt sie in den sozialen Netzwerken die Gemüter. „Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde, selbst wenn diese Freunde Mega (Ministère de l’égalité des chances; Anm. d. Red.) heißen“, meint eine Userin. „Eine lamentable Kampagne. In meinem Umfeld kann niemand sich damit identifizieren“, eine andere. Nachdem Michel Wurth in seinem Statement, weshalb er für Gleichstellung sei, den US-amerikanischen Soziologen und Ökonomen Jeremy Rifkin erwähnt hatte, wurde dies prompt von der Facebookseite „Memes bis zum Weltraumkommunismus“ mit einem satirischen Spruch aufgegriffen.
Individuelles Problem
Es müsse gezeigt werden „dass die Zeit endlich gekommen (sei) für mehr Gleichheit zwischen Frauen und Männern“, so eine Formulierung in der Pressemitteilung der Ministeriums für Chancengleichheit. Damit wird suggeriert, dass es lediglich an Sensibilisierung und Mobilisierung mangele. Als hätten Frauen, die sich nicht politisch engagieren, einfach noch nicht mitbekommen, dass Geschlechtergerechtigkeit erwünscht ist und sie sich an politischen Entscheidungsprozessen beteiligen dürfen. Auf diese Weise überträgt die Kampagne die Lösung des Problems auf die Ebene individueller und voluntaristischer Entscheidungen. Die einen müssen ihre Unterstützung ausdrücken, die anderen sich politisch engagieren, und schon sind Männer und Frauen gleichgestellt. Auf diese Weise werden aber strukturelle Ungleichheiten verschleiert. Denn ist jeder und jede Einzelne gleichermaßen für einen gesellschaftlichen Missstand verantwortlich, kann das Problem als eine Privatangelegenheit hingestellt werden. So zum Beispiel, wenn Parlamentspräsident Mars di Bartolomeo auf einen kritischen Kommentar einer Twitter-Userin entgegnet: „Sie sind doch sicher auf einer Liste eingetragen?“ Offenbar hat eine Frau, solange sie nicht bei den Kommunalwahlen kandidiert, kein Recht, sich über eine sexistische Gleichstellungskampagne zu beschweren.
Das eigentliche Problem besteht nicht darin, dass nicht ausreichend viele Menschen von der Idee der Gleichberechtigung überzeugt worden sind. Natürlich wird niemand behaupten, er oder sie halte Frauen für weniger kompetent oder sei gegen Gleichstellung. Die Problematik ist wesentlich tiefgreifender. Ein Teil davon besteht in Rollenbildern, die bereits Kindern vermittelt werden: Männer sind öffentliche Amtsträger, Frauen kümmern sich um Haushalt und Kinder. Frauen sind unsicher, Männer stehen ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Nicht nur, dass die „votez égalité“-Kampagne solche Stereotype nicht kritisch aufgreift, sie bestärkt sie teilweise auch noch.