Das Virus und die Musikbranche: Stummgeschaltet

Auch in der Corona-Krise spielen die Unterschiede zwischen Mainstream- und Indedepent-Musiker*innen. Ein Überblick über Gewinner*innen und Verlierer*innen.

Foto: Neimënster

Wenn ein Popstar wie Rihanna mit einem Vermögen von knapp 400 Millionen Dollar medienwirksam 5 Millionen im Zusammenhang mit Corona spendet, tut ihr das nicht weh, zeigt aber, wer im Musikbusiness das Geld verdient. Wie in allen Bereichen der Kunst lebt die Szene nicht von solchen Topstars, sondern von den unzähligen kreativen Musiker*innen aller möglichen Genres, die oft von der Hand in den Mund leben. Dass uns diese mit ihren Klängen erreichen und beglücken können, setzt ein im Hintergrund arbeitendes Netzwerk voraus. Und dann fällt von einem Tag auf den anderen die Corona-Klappe. Na ja, könnte man denken, ein paar Wochen Pause wird sie nicht mehr treffen, als uns alle, sofern wir hoffentlich gesund geblieben sind.

Leider sind die Folgen für unabhängige Musiker*innen weit schwerwiegender. Nach Auskunft eines Promoters und Labelbetreibers finanzieren sich Bands zu 70 Prozent aus den Einnahmen von Konzerten und zu 20 Prozent aus Plattenverkäufen. Gegenwärtig brechen nicht nur die Konzerte für ein paar Wochen weg, was schlimm genug ist, sondern tsunamimäßig überschwemmen Festivalabsagen bis mindestens Ende des Sommers die Medien. Auf den großen Festivals in der warmen Jahreszeit wird aber ein Großteil des Geldes verdient, mit dem die Künstler*innen übers Jahr kommen. Ein Teil ihrer Plattenverkäufe findet auf den Konzerten und Festivals statt, ist also auch perdu. Plattenläden sind zu, Amazon verschickt in einigen Ländern keine CDs mehr und spezialisiert sich auf die Waren, die den größten Profit bringen – kleinere Online-Plattenhändler*innen klagen währenddessen über drastische Rückgänge der Bestellzahlen. Zwar wird berichtet, dass Bandcamp und digitale Downloads steigen, insgesamt bleibt aber genreübergreifend eine schmerzhafte finanzielle Lücke. Das trifft die Musiker*innen, wie auch die Labels und Shopbetreiber*innen.

In diese Lücke stößt Spotify, eine Firma, die den Künstler*innen fast nichts zahlt und jetzt mit Sonderangeboten weitere Plattenkäufer*innen abwirbt. Musikgenuss ist nur möglich, weil eine ganze Branche hinter den Künstler*innen steht. Dazu zählen natürlich die Plattenlabels und Plattenläden, aber auch die Künstleragenturen und Promoter*innen, die lokalen Veranstalter und Medien. Versprochene Hilfen, wie Mietstundungen zum Beispiel, sind hier häufig unwirksam. Ein Hamburger Vinylladen meldet, dass ihn, angesichts seiner schon zu normalen Zeiten geringen Einkünfte, aufgelaufene Mietzahlungen in die Pleite treiben werden. Andere arbeiten eh von zu Hause.

In einigen Ländern gibt es etwas Unterstützung nicht nur für Selbständige, sondern auch für unabhängige Künstler*innen. Das ist in der Regel auf Minimalniveau und oft machen hohe bürokratische Hürden einen erfolgreichen Antrag faktisch unmöglich. Man muss sich keine Sorgen machen um die Big Player, also die Handvoll international tätigen Plattenfirmen, ihre Vorzeigekünstler*innen und die großen kommerziellen Radiosender. Beunruhigend ist jedoch die Lage in den Bereichen, in denen das Neue, Spannende, Innovative, Ausgefallene, Verborgene zu Hause ist. Das sind hunderte kleine Firmen, oft betrieben von Idealist*innen, die nie das große Geld verdient haben, und nun zusammen mit ihren Künstler*innen auf unbestimmte Zeit in der Luft hängen.

© flickr – David Hilowitz

Ein Sommer ohne Festivals 
in Aussicht

Keiner weiß, wann sich die gesundheitliche und damit auch die wirtschaftliche Situation wieder entspannt. Manche aus der Branche rechnen damit, dass es wohl ein Jahr dauern könnte, bis man wieder einigermaßen arbeiten kann. Selbst wenn in absehbarer Zeit wieder Konzerte stattfänden (manche hoffen auf eine enorme Party noch im Sommer), die meisten Festivals sind abgesagt. Konzerte in kleinem Rahmen können diese finanzielle Lücke nicht stopfen. Eine Promoterin fürchtet zudem, dass das ältere Publikum nicht wiederkommen wird, bis zuverlässige Medikamente und eine Impfung bereitstehen. Man darf hoffen, dass viele Künstler*innen versuchen werden, da anzuknüpfen, wo sie gezwungenermaßen aufhören mussten.

Man muss aber damit rechnen, dass die hinter ihnen stehende, notwendige Infrastruktur schweren Schaden nimmt; dass Plattenfirmen und -läden verschwinden, Promoter*innen und Agenturen aufgeben und lokale Veranstalter das Handtuch werfen müssen. Auch Medien, die zur Promotion beitragen, sind gefährdet. Zeitungen und Musikmagazine, denen jetzt die Anzeigenkund*innen und Käufer*innen wegbrechen, wissen oft nicht, ob und wie es weitergeht. Die Independent-Musikszene ist auf freie Radios angewiesen, weil sie von kommerziellen Stationen gemieden wird.

In Luxemburg schippert Radio ARA, das engagierte Sprachrohr für alternative Musiken, seit jeher in finanziell unruhiger See. Die stets klamme woxx berichtet regelmäßig über Nicht-Mainstream-Musik. Ob der Horizont der Luxemburger Regierung ausreicht, um auch diese Bereiche zu schützen, wird sich zeigen. Was man gegenwärtig selbst tun kann? Vielleicht eine Platte oder einen Download eines*r Künstler*in bei ihm*ihr selbst oder einem unabhängigen Online-Shop kaufen. Das rettet nicht die Welt, ist aber ein kleines, mit Sicherheit gern gesehenes Zeichen von Solidarität.


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