Der letzte linke Kleingärtner, Teil 49: Wasser für alle

So richtig weihnachtlich will es dem letzten linken Kleingärtner in diesem Jahr nicht werden. Denn heutzutage wird aus Wasser eher Cash als Schnee.

Wasser, womöglich mit Tränen des letzten linken Kleingärtners vermengt. (Foto: pxhere)

Es ist vollbracht. Pünktlich vor Weihnachten, wenn alle wochenlang und von innerer wie äußerer Unruhe geplagt hektisch nach Geschenken für nahe und ferne Bekannte jagen, schenkt der letzte linke Kleingärtner der Menschheit und sich die dritte Wasserkolumne. Eine Trilogie also (siehe woxx 1704 & 1711). Das klingt bedeutsam, auch wenn es nur ein kleiner Erkenntnisschritt für den Autor ist, den er aber gerne mit seinen Mitmenschen teilt. Der Menschheit bringt das mehr Weitsicht und Klarheit in dunklen Tagen. Weihnachten wäre also mit dieser Kolumne gerettet.

Pünktlich zur Weihnachtszeit zeigt sich das Wasser von seiner besten Seite: Es kommt wieder in größeren Mengen auf uns hernieder. Physikalisch betrachtet handelt es sich um Regen, doch wegen der aktuell niedrigen Temperaturen verwandelt der seinen Aggregatszustand von flüssig nach fest. Mit seiner Verwandlung liegt das Wasser in der Weihnachtszeit voll im Trend. Es zeigt uns so, dass es neben den sichtbaren auch die weniger sichtbaren Kräfte gibt, die unseren Alltag prägen. Nein, Putin steckt diesmal nicht dahinter. Der kümmert sich um die Wasserversorgung in der Ukraine und gönnt den Menschen dort kein fließendes Trinkwasser.

Was wäre, wenn es gelänge, den Begriff „Nachhaltigkeit“ für drei Monate aus dem Politik- und Medienbetrieb zu verbannen?

Ähnlich läuft das Geschäft in unseren Breitengeraden. Da erheben immer mehr Firmen Anspruch auf Wasserquellen, füllen das sprudelnde Etwas in Plastikflaschen ab, die sie unsereinem für teures Geld verkaufen. Einfaches Wasser wird über verschiedene Formen der Verwandlung – Privatisierung von Quellen, Abfüllen in Flaschen, Verkaufen an unsereinen – zu einem Luxusgut. Jesus hatte immerhin Wasser in Wein verwandelt, das ginge als Geschäftsmodell ja noch durch. Aber wahrscheinlich sollte man noch froh sein, im Gegensatz zur zerstörerischen Ader von Putin bieten „unsere“ Firmen das Wasser gegen Bares an. So haben beide etwas davon: Wir haben Wasser zum Trinken, die Firmen haben fette Einnahmen und der Geld- und Warenkreislauf dreht eine weitere Runde.

Wasser als Ware – obwohl es zugleich aus der kommunalen Wasserversorgung zu uns kommt, wo es fast nichts kostet und meist Trinkwasserqualität hat. Nun ja, darüber wollen wir jetzt nicht reden, das wäre systemsprengend. Alles soll so bleiben wie es ist. Und wenn wir die Wasser-
plastikflaschen wenigstens noch in den blauen Sack werfen, können wir uns tagelang auf die eigene Schulter klopfen vor Stolz über unsere grandiosen Gesten der Nachhaltigkeit. Sonst lobt uns ja niemand.

Besonders findige NGOs preisen die Wasserprivatisierung im globalen Süden als innovative Projekte der Partizipation und Nachhaltigkeit an und fördern damit vorgeblich den ländlichen Raum. Im ökologisch-ideologisch durchtränkten Nebel des Nachhaltigkeitsbegriffs lässt sich alles verkaufen. Und staatliche Fördergelder im Norden lassen sich für den Unfug der Privatisierung im Süden gleich mit einkassieren. Wenn man nur glaubhaft suggerieren kann, dass es einem um Nachhaltigkeit geht, fragt niemand weiter nach.

Mal ein Gedankenexperiment: Was wäre, wenn es gelänge, die Verwendung des Begriffs „Nachhaltigkeit“ für drei Monate aus dem Politik- und Medienbetrieb zu verbannen? Dann würde der ganze aufgeblasene Öko-Wirtschaftszweig so schnell in sich zusammenbrechen, wie sich bei der Katar WM ratzfatz herausgestellt hat, dass damit eine ziemliche Mischpoke protegiert wird, von der weltweiten Förderung islamistischen Terrors bis zur Missachtung grundlegender Rechte von Arbeiter*innen und Frauen.

Das Resultat eines solchen Banns wäre so einschneidend wie der schlagartig unterbliebene Flugverkehr zu Beginn der Corona-Pandemie. Es wäre ruhig auf Erden. So was von ruhig, dass wir unter Umständen wieder Zeit für Gedanken hätten. Darüber, wie man die reichhaltig vorhandenen Ressourcen der Erde ohne teure Umwandlungsprozesse an uns alle verteilen könnte. Aber ehe wir zur Tat schreiten, wäre das dreimonatige Moratorium der Ruhe und Entspannung beendet und der Öko-Chor würde uns wieder wie zuvor Tag und Nacht in einer Endlosschleife die immer gleiche Geschichte von der Nachhaltigkeit ins Ohr zwitschern.

Wie es in meinem Garten aussieht? Alles unter Kontrolle. Der Grünkohl und der Lauch stehen still und starr und sind bereit, jederzeit geerntet zu werden. Etwas traurig wurde mir zumute, als ich meine drei Wassertanks zu Beginn der Frostperiode leerte. Traurig deshalb, weil ich das Wasser im Sommer und Herbst mühsam gesammelt habe. Damals hatte ich nicht genug. Und jetzt verschütte ich es einfach in die Wiese. Drei meiner Tränen gingen auf Reisen und vereinten sich mit dem Wasser. Ich bin mir sicher, meine Tränen und das Wasser werden im Frühjahr wiederkommen und mir Freude bereiten. Das wäre gelebte Nachhaltigkeit. Oder?

Drei Praxistipps:

1. Behalte das Wasser im Auge. Sonst wird es dir geklaut und kommt privatisiert und überteuert zurück.
2. Weine der „Nachhaltigkeit“ keine Träne nach. Sie ist ein „auf den Hund“ gekommener Begriff
.
3. Spare dir deine Tränen der Rührung auf für die Menschen im Iran. Sie haben Anteilnahme verdient.


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