Bundesinnenminister Horst Seehofer veranlasste die Schließung von zwei Verlagshäusern, die im Verdacht stehen, Teilorganisationen der kurdischen Arbeiterpartei Partiya Karkerên Kurdistan (PKK) zu sein. Eine Entscheidung, die stark polarisiert.
„Gerade weil die PKK trotz des Verbots in Deutschland weiterhin aktiv ist, ist es notwendig und geboten, die PKK in ihre Schranken zu weisen und die Einhaltung der Rechtsordnung sicher zu stellen“, so Bundesinnenminister Horst Seehofer in der Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums vom 12. Februar 2019. Dem Mezopotamien-Verlag und MiR Multimedia wird darin vorgeworfen, ihr Geschäftsbetrieb diene allein der Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhalts der PKK. „Unter dem Tarnmantel als Verlagsbetriebe“ kämen so sämtliche betriebswirtschaftlichen Aktivitäten der Partei zugute, die in Deutschland seit 1993 verboten ist und in der EU als Terrororganisation gilt.
Bereits im März 2018 kam es im Mezopotamien-Verlag und bei MiR Multimedia zu umfassenden Durchsuchungen sowie zur Beschlagnahmung von Verlagsprodukten. Die Materialanalyse habe den damaligen Verdacht bestätigt, begründet das Bundesinnenministerium das Verbot ferner. Dieses sei eine „staatliche Maßnahme zur wirksamen Bekämpfung“ der Organisation, die in Deutschland aktuell 14.500 Anhänger*innen zähle.
Gegenwind aus dem Bundestag
Medienberichten nach, steht die deutsche Regierung der Entscheidung kritisch gegenüber. Die Berliner Morgenpost zitiert in dem Zusammenhang die Innenexpertin der Grünen, Irene Mihalic, die vor möglichen Zugeständnissen der Bundesregierung an den türkischen Präsidenten Recep Erdogan warnt. Zwar könnten die Grünen die Tatsachen nicht bewerten, die dem Verbot zugrundeliegen würden, jedoch wolle die Partei über den Innenausschuss einen detaillierten Bericht des Bundesinnenministeriums zum Thema anfordern, so Mihalic.
Während die Grünen sich vorsichtig herantasten, findet Ulla Jelpke, die innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, klare Worte. „Seehofer wandelt auf den Spuren des türkischen Despoten Erdogan. Das Verbot des kurdischen Mezopotamien-Verlags in Neuss gleicht dem Vorgehen türkischer Behörden, die mit ähnlichen Begründungen kurdische Zeitungen, Verlage und Sprachschulen zum Schweigen bringen. Das Verbot ist ein Akt staatlicher Zensur. Während die Bundesregierung mit Waffenlieferungen an die Türkei den Krieg gegen die Kurden anheizt, versucht sie zugleich authentische Informationen über den kurdischen Befreiungskampf zu unterdrücken“, gibt sie auf der Website der Partei zu bedenken. „Dass jetzt tonnenweise Sprachbücher, kurdischsprachige Kinderbücher und Bücher zur kurdischen Geschichte beschlagnahmt wurden, ist auch ein Schlag gegen das Recht von einer Million in Deutschland lebenden kurdischstämmigen Bürgerinnen und Bürgern, ihre Sprache, Kultur und Geschichte zu pflegen. Das ist vollkommen inakzeptabel. Das anachronistische PKK-Verbot muss nach 25 Jahren endlich aufgehoben werden.“ Letzteres forderte die Politikerin schon 2015.
Kritik von außen
Die Anwälte der beiden Unternehmen, Peer Stolle und Berthold Fresenius, wollen nun vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen und gegen den Entschluss klagen. Das gaben sie noch am Tag der Verbotsaussprache in einer gemeinsamen Pressemitteilung bekannt. „Mit der Verbotsverfügung sollen wichtige Stimmen der kurdischen Kultur in Deutschland mundtot gemacht werden“, sagt Stolle dort. „Dieses Verbot ist rechtlich nicht haltbar.“ Unter anderem würde das Bundesinnenministerium davon ausgehen, beide Gesellschaften hätten defizitär gearbeitet. Für die Anwälte steht das im Widerspruch dazu, dass es sie gleichzeitig als Einnahmequelle der PKK betrachtet.
In ihrem Schreiben bedauern die Anwälte darüber hinaus, dass das breite Angebot der Buch- und Musikverlage in der Verbotsverfügung ausdrücklich ausgeblendet wurde. Stattdessen versteife man sich auf die Verteilung legaler Periodika, die man als PKK-Publikationen ansehe.
Ein Einwand, den die IG Meinungsfreiheit des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels mit ihrem Statement auf boersenblatt.net bekräftigt: „Im Mezopotamien-Verlag sind viele renommierte türkische Autorinnen und Autoren publiziert worden, darunter Yaşar Kemal, Orhan Pamuk und Aslı Erdoğan, die wir in der Vergangenheit solidarisch unterstützt haben.“ Man habe sich bereits im April 2018, gemeinsam mit der Schriftsteller*innenvereinigung PEN, um eine schnellstmögliche Aufklärung und Transparenz im Verfahren eingesetzt. Die öffentlich angegebenen Gründe für das Verbot seien vage und pauschal. „Sie reichen für uns nicht aus, um die erforderliche Transparenz herzustellen“, hält die IG Meinungsfreiheit fest. „Wir fordern daher dringend eine detaillierte Begründung dafür, auf welcher Grundlage es zu diesem gewichtigen Schritt kam.“
Nick Brauns von der Tageszeitung „junge Welt“, in der regelmäßig Bücher des Mezopotamien-Verlags rezensiert wurden, verweist am Ende seines Artikels zum Thema noch auf ein wichtiges Detail: „Das Verlagsverbot erfolgte wenige Tage vor der Ankunft des türkischen Wehrministers Hulusi Akar, der auf der Gästeliste der »Münchner Sicherheitskonferenz« am kommenden Wochenende steht – und ebenso kurz dem 20. Jahrestag der Gefangennahme des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan am Freitag.“
In Luxemburg sind die PKK und ihre Symbole nicht verboten. Ein Umstand, den Aktivist*innen im November 2018 für eine politische Performance genutzt haben. Über die Hintergründe der kurdischen Autonomiegebiete in Syrien berichtete Kerem Schamberger 2017 im woxx-Interview.