An diesem Freitag, dem 22. April ist „Earth Day“. Seit 1970 wird mit diesem Tag ein Zeichen für den Umweltschutz gesetzt. 2022 ist das so nötig wie nie zuvor.
Erinnern Sie sich an die Delfine, die angeblich wieder in den Kanälen Venedigs schwammen? Kurz nachdem viele europäische Länder 2020 in den Lockdown gegangen waren, überschlugen sich Meldungen über das Wiederaufleben der Natur. Die Delfine in Venedig gab es nie, die Videos stammten aus einem anderen Teil Italiens. Genau so, wie manche damals dachten, unsere Umwelt könnte sich innerhalb von ein paar Wochen erholen, gab es die Hoffnung, wir könnten die eine oder andere Lektion aus der Pandemie ziehen. Zwei Jahre später zeigt sich: Als Gesellschaft haben wir rein gar nichts dazu gelernt.
Die Alarmglocken läuten jedes Jahr lauter: Artensterben, Klimakrise, Mikroplastik in den Ozeanen und tief in menschlichen Lungen, übersäuerte Meere und zerstörte Lebensräume zeigen, dass der „Earth Day“ heute nötiger ist denn je. Wenn schon die Pandemie keine Lehrmeisterin war, dann wird ja hoffentlich der Krieg in der Ukraine zeigen, dass unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen nicht nur das Klima katastrophal aufheizt, sondern auch Autokratien fördert – könnte man meinen. Das Gegenteil ist der Fall: Die Klimazerstörung wird nun auch noch staatlich subventioniert.
Dabei hatte Energieminister Claude Turmes (Déi Gréng) noch vor einem Monat in einem Rundtischgespräch auf 100,7 mit Ideen aus dem durchaus guten Maßnahmenpaket der Internationalen Energieagentur (IEA) aufgetrumpft: Temporeduzierung auf Autobahnen, drei Tage Homeoffice in der Woche, autofreie Sonntage. Nur eine Woche später hieß es vom gleichen Minister, solche Aktionen müsse man international koordinieren, sonst brächten sie nichts. Mit der Ansage, nicht nur den Preis, sondern auch den Verbrauch von Benzin und Diesel zu reduzieren, stünde die Regierung auf jeden Fall besser da.
Dabei gibt es Gegenbeispiele: In Italien beginnt ab dem 1. Mai zum Beispiel die „operazione termostato“, die Operation Thermostat. Gesetzlich wurde sowohl eine zulässige Heiz- als auch Kühltemperatur für öffentliche Gebäude festgelegt, um damit Energie und somit Erdgas zu sparen. Das mag auf den ersten Blick etwas pingelig klingen, aber es ist nur logisch: Wenn wir jetzt nicht endlich anfangen, die Klimakrise ernst zu nehmen und den Energieverbrauch herunterzuschrauben, wird die Erde das Thermostat empfindlich nach oben drehen. Außerdem wird Putin so der Geldhahn abgedreht.
Was das kostet? Gegenfrage: Was kostet die Klimakrise?
„In die Zukunft der Erde investieren“ ist dieses Jahr das Motto des „Earth Day“. Das verdeutlicht, wie wichtig neben Energiesparen auch Investitionen in die ökologische Transition sind. Auch hier könnte die Regierung Putins „Spezialoperation“ eine eigene entgegensetzen: Eine Großoffensive in Sachen thermische Sanierung und Ersetzen von fossilen Heizungen. Gerade in Mietshäusern, wo die Bewohner*innen am stärksten von der Teuerung betroffen sind, wäre das notwendig. Sie können in den seltensten Fällen selbst ihre energetische Situation verbessern und müssen nun neben horrenden Mieten auch hohe Gasrechnungen stemmen. Die Eigentümer*innen könnte man sicher überzeugen, indem man ihnen die Renovierungen organisiert und subventioniert (und sie im besten Fall danach zwingt, die Mieten zu senken!). Was das kostet? Gegenfrage: Was kostet die Klimakrise? Was kostet ein Planet, der nur noch zur Hälfte bewohnbar ist? Wenn der „Return on Investment“ ein lebenswerter Planet ist, sind wir noch gut davongekommen.
Auch 52 Jahre nach dem ersten „Earth Day“ haben wir die Lektion noch nicht gelernt und rennen sehenden Auges auf den Abgrund zu. Wenn weder eine Pandemie noch der Krieg einer fossil-befeuerten Autokratie zum Umdenken bewegen können, bleibt wirklich nur der Rückgriff auf das kapitalistische Vokabular: Investiert in die Zukunft, es lohnt sich.