Facebook und das Metaversum: Slippery Slope

Meta, zuvor als Facebook bekannt, versucht sich neu zu erfinden – oder zumindest nach außen hin diesen Anschein zu erwecken. Internationale Wettbewerbsbehörden schauen indes genau hin. Zweiter Teil unserer Serie zum Metaversum.

Eher gruselig als vielversprechend: 
Der neue Werbespot von Meta. (Screenshot aus dem Meta-Werbespot „Old Friends, new Fun“ auf Youtube)

Seit Facebook im Oktober seinen Namen in „Meta“ änderte, eine beta-Version seiner virtuellen Arbeitsplattform Workroom Horizons freigab und in einem 77-minütigen Youtube-Video seine Vision für ein Metaversum vorstellte, ist es um den Konzern auffallend ruhig geworden. Zwar veröffentlicht Meta-Geschäftsführer Mark Zuckerberg seither beinahe täglich einen Facebook-Post, der vage auf das geplante Metaversum hindeutet, zu konkreten Schritten ist es jedoch bisher nicht gekommen.

Wie ernst es Zuckerberg nach wie vor mit seinen Plänen meint, wurde erneut am 13. Februar während des diesjährigen Superbowl deutlich. Zu diesem Anlass veröffentlichte Meta nämlich einen neuen Werbespot: Ein animatronischer Hund verliert seinen Job und wird von seinen Arbeitskolleg*innen getrennt. Dank Virtual-Reality-Brillen von Quest 2 werden sie in einer virtuellen Welt wieder vereint.

Konkreter als das wird es nicht: Statt spezifische Attribute der von Meta geplanten virtuellen Welt vorzustellen, wird sich darauf beschränkt, Virtual Reality (VR) mit einer an Hoffnungslosigkeit kaum zu übertreffenden physischen Welt zu kontrastieren. Gegenüber letzterer kann Metas Produkt jedoch keine erstrebenswerte Alternative bieten: Das Ende des Spots zeigt wie die animatronischen Tiere mit VR-Brillen auf dem Kopf in ihrer desolaten Umgebung herumtanzen. Von ihren Problemen lenken sie sich lediglich ab, gelöst werden sie dadurch nicht.

Meta war 2022 nicht das einzige Unternehmen, das den Superbowl nutzte, um für sein Metaversum-Projekt zu werben: Auffallend viele Kryptowährungskonzerne buhlten um die Aufmerksamkeit der Zuschauer*innen – „Crypto Bowl“ wurde das diesjährige Event deshalb getauft. Die Strategien mancher Konzerne gingen dabei weit über Werbespots hinaus. Die Bierfirma Miller Lite schuf spezifisch zum Superbowl eine Bar auf der Metaversum-Plattform Decentraland. In dieser virtuellen Kneipe konnten sich Gäste unter anderem den neuen Miller-Lite Werbespot ansehen.

Am Puls der Zeit

Trotz jährlich sinkender Zuschau
er*innenzahlen ist der Superbowl nach wie vor eines der meistgeschauten Fernsehevents des Jahres. Konzerne geben Millionen aus, um einen der begehrten Werbeslots zu ergattern, die von 30 Sekunden bis hin zu einer Minute reichen können. Mit der Metaversum-Thematik wollen die Firmen vermitteln, dass sie den Finger am Puls der Zeit haben – sogar dann, wenn sie eigentlich überhaupt nichts vom Metaversum halten. So etwa Salesforce, deren Superbowl-Werbung weniger darauf konzentriert war, Informationen über ihr Produkt zu vermitteln, als vielmehr Elon Musk, Mark Zuckerberg und Co. den Stinkefinger zu zeigen. „While the others look to the metaverse and Mars, let’s stay here and restore ours,” erklärt Schauspieler Matthew McConaughey am Ende des Werbespots in die Kamera, bevor der Firmenname sowie der Hashtag #TeamEarth eingeblendet wird.

Doch auch Werbungen wie diese taten letztlich nichts anderes, als zum Metaversum-Hype beizutragen. Selbst der Spot von Meta wurde international heiß diskutiert. Dass er inhaltlich nicht viel hergibt, spricht für die Hypothese, wonach es Zuckerberg mit der Metaversum-Schiene einzig darum geht, Investor*innen bei Laune zu halten. Die Theorie kommt nicht von ungefähr: Die Namensänderung und Strategieankündigung von Facebook kam zu einem Zeitpunkt als der US-Konzern international massiv unter Druck stand: Die ehemalige Facebook-Managerin und Whistleblowerin Frances Haugen hatte Anfang Oktober bei einer Anhörung im US-Senat die Politik dazu aufgerufen, das Onlinenetzwerk strenger zu regulieren.

Solche Regulierungen sind in der Europäischen Union mittlerweile nicht mehr nur hypothetisch. Ob Verordnungen wie etwa der im Dezember 2020 von der EU-Kommission vorgeschlagene Digital Services Act auch wirklich zum gewünschten Ziel führen, hängt jedoch maßgeblich davon ab, wie Konzerne wie Meta sie umsetzen.

Anthony Quintano/wikimedia commons

Genau an dieser Stelle kommt das Metaversum ins Spiel: Die Ressourcen, die Meta aktuell in dessen Entwicklung pumpt – 10 Millionen US-Dollar investierte der Konzern eigenen Aussagen nach 2021 in die Bereiche Augmented und Virtual Reality –, könnten genauso gut für den Kampf gegen Desinformation und Hassrede auf der eigenen Plattform genutzt werden.

Dass Meta das eigene Wachstum gegenüber allem anderen priorisiert, wird noch an anderer Stelle deutlich. Seinen Rang als größter Social-Media-Konzern konnte Facebook bisher deshalb halten, weil es seine größten Konkurrenten Whatsapp und Instagram aufkaufte – ein Schritt, gegen den die US-amerikanische Handelsbehörde FTC im Dezember 2020 eine Klage einreichte. Der Vorwurf: Facebook sichere sich ein Social-Network-Monopol, indem es die Konkurrenz entweder kaufe oder ausbremse. Nachdem die Klage im Juni 2021 von einem US-Bundesgericht abgelehnt worden war, legte die FTC im August 2021 eine nachgebesserte Version vor.

Catch me if you can

Meta aber ließ sich davon nicht einschüchtern und schloss munter weiter Deals ab. In den letzten drei Jahren waren es mindestens 21, wenn auch nicht mehr in der Größenordnung des Whatsapp-Deals – 19 Milliarden hatte sich der Konzern den Nachrichtendienst damals kosten lassen. Zuletzt wurde die eine Milliarde teure Übernahme des US-Start-ups Kostumer sowohl in den USA als auch in Europa genehmigt. Kostumer entwickelt Plattformen und Chatbots für die Kundenbetreuung von Unternehmen.

Mehr und mehr hängen Metas Akquisitionen in irgendeiner Weise mit dem Metaversum zusammen. Im Gegensatz zu Social-Media braucht sich Meta hier noch keine monopolistischen Praktiken vorwerfen zu lassen. Tatsächlich ist der Konzern nur einer von vielen. Das ist auch ein Grund, weshalb es seine VR-Brillen, Oculus Quest 2, weiterhin für „nur“ 300 Dollar verkaufen kann – weitaus günstiger als andere Anbieter. „Below-cost pricing“ ist nur dann illegal, wenn es von einem dominanten Konzern praktiziert wird, um der Konkurrenz zu schaden. Dennoch wird Oculus zurzeit von der FTC wegen möglicher Wettbewerbsverstöße untersucht. Drittanbieter von auf Oculus verfügbaren Apps hatten sich beschwert, dass diese erst durch Software-Updates blockiert wurden bevor Meta sie durch eigene Apps mit ähnlichen Funktionen ersetzte. Bis rechtliche Einschränkungen verhängt werden – ein Prozess, der oft jahrelang dauert –, wird sich Meta möglicherweise schon in das nächste Geschäftsfeld gestürzt haben.

Vorerst aber wetteifert Meta mit anderen Techkonzernen sowie der Gaming-Industrie um Marktmacht. VR-Brillen sind für Meta deshalb interessant, weil die dem Konzern einen direkteren Zugang zu seinen Nutzer*innen ermöglichen, ganz ohne Microsoft- und Apple-Produkte. Allein 2022 soll Meta durch Apples neue Datenschutzmaßnahmen geschätzte 10 Millionen US-Dollar verlieren. Im vergangenen Jahr hatte Apple mit iOS 14.5 die sogenannte App Tracking Transparency (ATT) eingeführt. Seither ist es für Facebook schwieriger, passgenaue Werbung zu verkaufen. Von VR-Brillen erhofft sich Meta zudem, künftig nicht nur das Klickverhalten, sondern auch das Blickverhalten seiner Nutzer*innen mitverfolgen zu können.

Aktuell scheint sich Metas Strategie, mehr Investor*innen an Land zu ziehen, noch nicht auszuzahlen: Nachdem der letzte Quartalsbericht von 2021 einen Rückgang der Facebook-User*innen von einer halben Million offenlegte, verlor Meta am 3. Februar rund ein Viertel seines Börsenwerts – mehr als 250 Milliarden US-Dollar.

Unter Metaversum wird gemeinhin eine immersive virtuelle Welt verstanden, in welcher Menschen in Form von Avataren miteinander kommunizieren, spielen und handeln können. Nachdem die woxx am 3. Februar „Metaversum: Auf in bessere Zeiten?“ veröffentlichte, ist dies nun der zweite Artikel unserer Metaversum-Serie.


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