Um das Land auf die „dritte industrielle Revolution“ vorzubereiten, sollen die Eigenproduktion und die gemeinsame Nutzung von Solarstrom gefördert werden.
Der Klimawandel stellt Luxemburg vor große Herausforderungen. Die Pro-Kopf-Emissionen von klimaschädlichen Treibhausgasen lagen 2017 laut der europäischen Umweltagentur bei über 20 Tonnen CO2-Equivalenten. Bis 2060 sollen je nach Konjunkturlage mehr oder weniger eine Million Menschen im Großherzogtum leben, wie das nationale Statistikinstitut Statec Ende letzten Jahres errechnete.
In der sogenannten „Rifkin-Studie“ werden zwei Szenarien der Entwicklung des Energieverbrauchs vorgestellt: Im ersten steigt der Gesamtenergieverbrauch nicht, es erfolgt lediglich eine Umstellung von fossilen Brennstoffen auf („grünen“) Strom, der umverteilt wird. Im zweiten, ambitionierteren Szenario wird der Energieverbrauch gegenüber 2015 um ein Drittel reduziert. Dabei soll der gesamte Transportsektor mit Strom betrieben werden.
Ob sich die „dritte industrielle Revolution“ so gestaltet, wie in der Studie beschrieben, oder ob die Dinge sich doch anders entwickeln, ist ungewiss, aber eines steht fest: Der Bedarf an Strom aus erneuerbaren Quellen wird in den nächsten Jahren beträchtlich zunehmen. Bis 2020 – immerhin bereits in zwei Jahren – soll der Anteil der erneuerbaren Energien an Luxemburgs Strommix elf Prozent betragen. Derzeit sind es nur etwa sieben Prozent.
Ganz im Einklang mit dem oben erwähnten Strategiepapier soll in Luxemburg nun das Zeitalter des „Prosuming“ (Kunstwort aus „producing“ und „consuming“) anbrechen, in dem Bürger*innen Strom verbrauchen, aber zugleich auch Strom mit Fotovoltaik-Anlagen produzieren. Momentan kann selbstproduzierter Strom noch nicht von den Erzeuger*innen selbst verbraucht werden: Wer selbst Solarstrom erzeugt, speist diesen in das Netz zurück und bekommt eine Einspeisevergütung. Diese ist auf 15 Jahre begrenzt, wobei der Betrag sich von Jahr zu Jahr verringert. Zusätzlich gibt es für die Anschaffung der Anlagen Beihilfen vom Staat. Die „Prime-House“-Förderungen betragen maximal 20 Prozent der Investionskosten, maximal werden 500 Euro je kW-Leistung übernommen, wobei bei den Anlagen 30 kW nicht überschritten werden dürfen. Manche Gemeinden gewähren zusätzliche Beihilfen. Diese Subventionen kommen allerdings vor allem Privatpersonen zugute, Energiegemeinschaften können lediglich von den günstigen Einspeisetarifen, die über dem Strompreis liegen, profitieren.
Neue Regeln für selbstgemachten Strom
Wirtschaftsminister Etienne Schneider kündigte am letzten Freitag, dem 1. März, ein neues Gesetz an, das es einfacher – und wirtschaftlich interessanter – machen wird, selbst Solarstrom zu erzeugen und an ihm auch die Nachbarschaft teilhaben zu lassen. So fallen zum Beispiel die Steuern weg, die aktuell auch auf selbstproduzierten Strom erhoben werden. Von dieser Vergünstigung profitieren auch die Besitzer*innen älterer Fotovoltaikanlagen, die keine Einspeisevergütung mehr erhalten.
Die größte Neuerung sind jedoch die sogenannten Energiegemeinschaften. Stromprosument*innen werden sich zusammenschließen können, um den selbstproduzierten Solarstrom gemeinsam zu verbrauchen. Dies soll einerseits innerhalb von Nachbarschaften physisch möglich sein, sodass lokal „Microgrids“ entstehen können – kleine, weitestgehend autarke Stromnetze. Ab 2019 will Schneider solche Prosument*innen auch belohnen, da sie dank dieser Maßnahmen die Netzinfrastruktur weniger belasten als „normale“ Konsument*innen. Die Belohnung soll über die Netzgebühren erfolgen; zuständig dafür ist das Regulierungsinstitut ILR. Zusätzlich werden „virtuelle Energiegemeinschaften“ möglich sein, bei denen der Stromtransfer lediglich statistisch vonstatten gehen wird. „Da können sich der Herr aus dem Norden, die Dame aus dem Süden und die Familie aus dem Zentrum zusammenschließen, um ihren Strom miteinander zu tauschen“, hieß es auf der Pressekonferenz am vergangenen Freitag.
Damit dieses Strom-Pooling technisch funktioniert, sind zwei Komponenten erforderlich: Erstens wird ein Speicher benötigt, der den Solarstrom speichert, wenn er nicht gleich verbraucht wird, und zweitens muss ein „intelligenter“ Stromzähler installiert sein, der den aktuellen Verbrauch kennt und bei Verbrauchsspitzen Strom bei den Nachbar*innen anfordern kann.
Im Bereich der Batterietechnik gab es in den vergangenen Jahren einige Weiterentwicklungen, nicht zuletzt weil Hersteller von Smartphones oder Elektroautos die Forschung vorangetrieben haben. Die Firma Dyson, heute eher bekannt für Staubsauger und Händetrockner, hat beispielsweise 370 Millionen Euro in die Entwicklung einer neuen Feststoffbatterie gesteckt und will mit dieser ins Elektromobilitätsgeschäft einsteigen.
Neue Batterien und intelligente Stromzähler
Tesla, bereits fest in diesem Geschäftsbereich verankert, bietet seit 2015 auch die „Powerwall“ an – eine Batterie, die im Keller installiert werden kann und ein Einfamilienhaus mit Strom versorgt. Der E-Autohersteller verkauft auch Dachziegel, die Strom produzieren – wie viele davon bereits installiert wurden, verrät das Start-Up jedoch nicht. Eine „Powerwall“ kostet rund 7.000 Euro, vergleichbare Batterien anderer Hersteller sind ähnlich teuer. Je nach Größe des Eigenheims und gewünschter Leistung – zum Beispiel für eine Ladestation für das Elektroauto – sind mehrere Batterien notwendig. Um an der Energierevolution teilnehmen und damit auf lange Sicht Energiekosten senken zu können, ist also ein nicht unwesentliches Startkapital nötig.
Auch die „smart meter“, die „intelligenten“ Stromzähler, ohne die das „Energie-Internet“ nicht funktionieren kann, stehen in der Kritik. Zum einen aus Datenschutzgründen, zum anderen weil es Bedenken hinsichtlich möglicher gesundheitsschädlicher Strahlung gibt. Etienne Schneider lässt die Kritik nicht gelten: „Gesundheitsbedenken gibt es bei der Funktechnik, unsere Smart Meters funktionieren über die Stromleitung, das ist ungefährlich.“ Allerdings steht auch die hierzulande eingesetzte Trägerfrequenztechnik im Verdacht, gesundheitsgefährende elektromagnetische Strahlung abzugeben – das Gesundheitsministerium hatte im November angekündigt, Messungen durchzuführen, um dies zu überprüfen.
Eine zweite Maßnahme, die Schneider ankündigte, ist eine Ausschreibung zur Installation von Fotovoltaik-Großanlagen. Insgesamt sollen mit diesen zusätzliche 20 Megawatt Leistung aus Solarstrom für das luxemburgische Stromnetz erzeugt werden. Anlagen ab 500 Kilowatt werden bei der Ausschreibung berücksichtigt, bewerben können sich sowohl Privatpersonen als auch Firmen. Die Fotovolatik-Panele dürfen allerdings nicht auf Grünflächen errichtet werden, sonderlich lediglich auf Dächern, Industriebrachen oder alten Deponien. Damit ist eine zentrale Forderung des Mouvement écologique erfüllt – die Umweltschutzorganisation hatte sich gegen die Förderung von Solaranlagen auf Grünflächen ausgesprochen.
2020 soll der luxemburgische Energiemix laut Schneider insgesamt 200 Gigawattstunden Solarenergie und 300 Gigawattstunden Windenergie enthalten. „Wir haben immer auf die günstigen Formen der erneuerbaren Energie gesetzt, im Gegensatz zu anderen Ländern. In Deutschland müssen die Konsumenten deswegen viel höhere Strompreise bezahlen“, lobte der Minister die luxemburgische Energiepolitik, die man vielleicht als zu zaghaft bezeichnen könnte. Anders ausgedrückt: Luxemburg profitiert nun von den technischen Entwicklungen, die andere gezahlt haben.
Die neue Fotovoltaik-Politik könnte dazu führen, dass von den Vorteilen erneuerbarer Energieformen vor allem jene profitieren, die sich die Anfangsinvestitionen leisten können. Zusätzlich entsteht der Eindruck, dass die Politik sich wie so oft nicht sonderlich für technische Hürden und mögliche Komplikationen interessiert. Allerdings könnten Energiekooperativen, von denen bereits einige existieren, die Vorteile der Energierevolution auch finanzschwachen Haushalten zugänglich machen.