Gesprächsrunde: Leben geben in EU-Grenzgebieten

Sie erzählt in Bildern und mit ungeraden Linien vom Schicksal schwangerer Migrantinnen: Die Comic-Autorin Sandrine Martin reiste in griechische Flüchtlingscamps und begleitete dort tätige Hebammen, Ärzt*innen und Anthropologinnen. Am kommenden Montag ist sie gemeinsam mit einer der Forscherinnen beim Internationalen Comic Festival Contern zu Besuch.

In „Chez toi“ verknüpft die Comic-Autorin Sandrine Martin eigene Beobachtungen, Erzählungen von Betroffenen und Berichte von Anthropologinnen zu einem Comic über Migration und Schwangerschaft. (Copyright: Casterman)

„You look like a sea-monster, an alien“, sagt Mona als sie ihr ungeborenes Kind zum ersten Mal auf Ultraschallbildern sieht. Mona ist eine Mischung aus fünf Frauen, die die Comic-Autorin Sandrine Martin zwischen 2016 und 2017 bei einer Reise nach Athen kennengelernt hat. Ihr Comic „Chez toi“ erzählt die Geschichte syrischer Frauen, die auf ihrer Flucht nach Europa schwanger waren. Am Montag, dem 12. Juli, präsentiert sie den Comic anlässlich des Internationalen Comic Festivals in Contern, in Zusammenarbeit mit dem Institut Pierre Werner.

Der Stoff für die Erzählung geht auf Forschungen von Cynthia Malakasis und Vanessa Grotti zurück. Die Anthropologinnen führten mit finanzieller Unterstützung des European Research Council (ERC) und im Rahmen des EU Border Care Project Feldforschungen in den Grenzgebieten von Athen, Melilla, Lampedusa, Französisch-Guyana und Mayotte durch. Grotti leitete das Projekt und ist am Montag ebenfalls anwesend, wenn Gérard Floener (RTL) die Gesprächsrunde mit ihr und Martin unter dem Titel „Frauen und Migration: Schicksale, die sich im Comic kreuzen“ moderiert.

Grotti ging es bei ihrem Forschungsprojekt grundsätzlich um die Dokumentation der Beziehungen zwischen schwangeren Menschen auf der Flucht und dem medizinischen Personal. Malakasis recherchierte in dem Zusammenhang zur Medikamentengabe an Migrant*innen in Athen. Unter ihnen syrische Frauen, die Martin zu ihrem Comic inspirierten.

Martins’ Comic wurde auf erccomics.com unter dem Titel „Expecting“ erstveröffentlicht. Auf der Plattform kann man kostenlos durch 18 Webcomics zu Forschungsprojekten scrollen, die mit Geldern des ERC finanziert wurden. Viele von ihnen sind auf mehreren Sprachen verfügbar. „Expecting“ gibt es auf Italienisch und Französisch zum Download oder als Online-Lektüre. Im April dieses Jahres erschien „Expecting“ schließlich als Print-Version unter dem Titel „Chez toi“ bei Casterman.

Es ist ein Comic mit krakeligen Linien, meist in Blau- und Rottönen gehalten. Die schlichten Zeichnungen spiegeln die dürftigen Verhältnisse, in denen Mona und ihr Mann Suleiman in Athen leben. Doch auch die Lebenssituation der Hebamme Matina, weitere Hauptfigur des Comics, ist problematisch: Sie gerät finanziell in Bedrängnis, weil ihr Job als Hebamme für geflüchtete Schwangere nicht genug Geld einbringt.

Dabei ist „Chez toi“ jedoch keine tieftraurige Erzählung. Zwar gibt es Passagen, die vom ruppigen Umgang zwischen medizinischem Personal und den Schwangeren berichten, doch es gibt genauso viele humoristische Momente. Schön ist auch, dass es die werdende Mutter ist, die den Großteil der Geschichte erzählt. Sie wendet sich dabei an ihr ungeborenes Kind, das sie trotz seiner Ähnlichkeit mit einem Seemonster und ihrer prekären Situation sehnsüchtig erwartet. Zwischen den Zeilen kommt durch, dass Martin mit Menschen vor Ort gesprochen und ihre Erfahrungen in den Comic eingebunden hat, statt sich selbst aus der Ferne eine Geschichte zusammenzuspinnen.

Frauen und Migration: Schicksale, die sich im Comic kreuzen. Gespräch zwischen Sandrine Martin und Vanessa Grotti. 
Am 12. Juli, um 19 Uhr, im Centre culturel An Henkes, Rue de Luxembourg in Contern. Der Eintritt ist frei, eine Reservierung via Eventbrite oder per Telefon 49 04 43 75 sowie ein CovidCheck sind jedoch Pflicht. Die Veranstaltung findet auf Französisch statt.

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