Die queere Gemeinschaft sieht sich zunehmend Hass und Hetze ausgesetzt. Ein neuer Bericht zeigt, dass dies auch in Luxemburg der Fall ist – und die Regierung schläft.
Am vergangenen Mittwochmorgen stellte das Lycée technique agricole (LTA) einen Post auf Facebook. Die Dragqueen Tata Tom hatte Siebt- und Achtklässler*innen vorgelesen, im Anschluss konnten die Schüler*innen Fragen stellen. Der Post wurde über 300-mal kommentiert, es ist vor allem Hass zu lesen. Auch der ADR-Abgeordnete Tom Weidig hetzte auf seinem Profil gegen die Veranstaltung und behauptete, die Dragqueen „indoktriniere“ Kinder mit „LGBTQ Ideologie“. Der Direktor der Schule, Tom Delles, verteidigte die Veranstaltung: „Viele Kommentare zeigen, dass die Aufklärungs- und Sensibilisierungsaktionen absolut notwendig sind.“ Am 17. Mai, dem Internationalen Tag gegen Homo, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit, führe die Schule weitere solche Aktionen durch.
Man muss Delles und dem LTA dazu gratulieren. Am vergangenen Dienstag veröffentlichte die Europäische Agentur für Grundrechte (FRA) einen Bericht über die Situation queerer Menschen in Europa. In Luxemburg gaben 66 Prozent der Befragten an, in ihrer schulischen Laufbahn nie mit LGBTIQ-Themen in Kontakt gekommen zu sein. 44 Prozent gaben an, ihre Identität in der Schule versteckt zu haben, nur 35 Prozent hatten in ihrer Schulzeit jemanden, der*die ihre Rechte als LGBTIQ-Person verteidigt hat. „Die Schulen bieten wenig sichere Räume und Bildung zu diesem Thema“, wird eine betroffene Person im Bericht der FRA zitiert. 68 Prozent wurden in der Schule Opfer von Mobbing, Beschimpfungen oder Bedrohungen aufgrund ihrer Sexualität oder geschlechtlichen Identität.
Die Frage, ob es sicher ist, ihre Liebe in der Öffentlichkeit zu zeigen, müssen Heteros sich nie stellen – trotzdem fühlen sich viele davon angegriffen, dass queere Menschen solche banalen Dinge ebenfalls wollen
Auch die anderen Resultate der Studie, für die europaweit über 100.000 queere Menschen befragt wurden, sind wenig erbaulich. In der ganzen EU nehmen Gewalt und Belästigung gegenüber LGBTIQ-Personen zu. Luxemburg bildet da keine Ausnahme: Obwohl 56 Prozent recht oder sehr offen mit ihrer Identität umgehen, traut sich beinahe die Hälfte nicht, mit einem*einer gleichgeschlechtlichen Partner*in in der Öffentlichkeit Händchen zu halten. Die Frage, ob es sicher ist, ihre Liebe in der Öffentlichkeit zu zeigen, müssen heterosexuelle Menschen sich niemals stellen – umso erstaunlicher, wie viele sich davon angegriffen fühlen, dass queere Menschen solche banalen Dinge ebenfalls tun wollen.
Die Hälfte der queeren Befragten wurde in dem Jahr vor der Umfrage belästigt, 3 Prozent sogar angegriffen. Während im EU-Durchschnitt 11 Prozent körperliche oder sexualisierte Angriffe bei der Polizei meldeten, waren das in Luxemburg nur 5 Prozent – die Polizei sorgt bei der queeren Community in Luxemburg also nicht für ein Sicherheitsgefühl. Rund ein Drittel gab an, dass Gewalt und Intoleranz in den letzten Jahren gestiegen seien. Dieser Wert liegt zwar unter dem EU-Durchschnitt, ist aber dennoch viel zu hoch.
Bedenkt man, dass auch politische „Trends“ oft erst verzögert in Luxemburg ankommen – wie das Schüren von Hass gegenüber LGBTIQ-Personen als Wahlkampftaktik der ADR zeigt – werden Gewalt und Hetze in den nächsten Jahren wohl nur mehr werden. Und was sagt die Luxemburger Regierung zu den Resultaten der FRA-Umfrage? Das sprichwörtliche Schweigen im Walde. Während Triple-A-Bewertungen von Ratingagenturen nicht schnell genug via Pressemitteilung bejubelt werden, gab es bis Redaktionsschluss kein Statement der zuständigen Ministerin. Die queere Community und ihre Verbündeten müssen die Sache also – einmal mehr – selbst in die Hand nehmen, ihre Rechte verteidigen und für mehr Akzeptanz kämpfen. Ein Beispiel dafür ist das neue Luxembourg Institute for LGBTIQ+ Inclusion, das am heutigen Freitag seine Türen öffnet.