Der Arbeitsminister will eine Erhöhung, der Unternehmensvertreter argumentiert dagegen. Im Idea-Streitgespräch konnten beide ihre Argumentation vertiefen.
„Das wahre Problem in Luxemburg sind nicht zu niedrige Löhne, sondern die Ausgaben für das Wohnen.“ Was Nicolas Henckes gegen die Anhebung des Mindestlohns vorbrachte, war nicht wirklich neu. Der Direktor der Confédération du commerce (CLC) trat am Donnerstag in einem Streitgespräch gegen Arbeitminister Nicolas Schmit an. Und er erläuterte, das zu geringe Angebot an Wohnraum werde dazu führen, dass eine allgemeine Lohnerhöhung zu einem großen Teil von einer Erhöhung der Wohnungspreise aufgefressen wird. Eine leicht vereinfachte, aber nicht unplausible Sicht auf das Problem.
„Eine Lohnerhöhung belastet die kleinen Läden im Stadtzentrum“, argumentierte Henckes weiter. Die von den Gewerkschaften und vom Arbeitsminister befürwortete Maßnahme bedrohe diesen Sektor, der ja schon unter dem Konkurrenzdruck der Großregion und des Onlinehandels leide und nicht mehr wisse, wie er Löhne und Mieten bezahlen soll. „Genau“, griff Schmit den Ball auf, „die Miete, also die Rente, ist das wahre Problem.“ Der Arbeitsminister benutzte das Wort in dessen ökonomischem Sinn: ein Einkommen ohne Gegenleistung, zum Beispiel die für ein Geschäftslokal oder eine Wohnung eingenommene Miete.
Wie bereits das erste Streitgespräch zwischen Jean-Jacques Rommes und Franz Fayot, das von dem der Handelskammer nahestehenden Thinktank Idea organisiert wurde, ging auch diese Debatte unentschieden aus. Die Diskussion über Notwendigkeit und Machbarkeit einer Mindestlohnerhöhung erweckte sogar den Anschein, dass es eine Win-win-Lösung in Form niedrigerer Mieten geben könnte. Eine rein theoretische allerdings, wie Schmit klarmachte: „Hierzulande gilt: Finger weg von der Rente!“
Warum eine Mindestlohnerhöhung nicht das beste Mittel zur Armutsbekämpfung ist, das hatte Michel-Édouard Ruben von Idea, der das Gespräch moderierte, bereits vor einigen Monaten dargelegt. Schmit gab zu, dass Alleinerziehende und Arbeitslose wenig von der Erhöhung hätten, aber: „Für das Problem der Armut braucht es andere Lösungen; beim Mindestlohn geht es um ordentliche Löhne für die, die eine Arbeit haben.“
Nicolas kontra Nicolas
Trotzdem versuchte Henckes, den LSAP-Minister in die Ecke der Gewerkschaft zu drängen, und ihm deren – in seinen Augen undifferenzierte – Argumentation zu unterstellen: „Die Klagen über Armutsrisiko auf der einen und hohe Löhne auf der anderen Seite sind fehl am Platz.“ Und setzte noch eins drauf: „Wenn morgen 50 chinesische Millionäre nach Luxemburg kommen, vergrößert sich die Armut.“ Ein Beispiel, das beim Thema Armutsrisiko, das ja gerade anhand des Medianeinkommens berechnet wird, keinen Sinn ergibt.
Das Highlight des Schlagabtauschs war aber Schmits Versuch, die Mindestlohnerhöhung in Zusammenhang mit dem von der Regierung angestrebten qualitativen Wachstum zu bringen. Mindestlohnbezieher*innen übten häufig Jobs ohne Qualifikation und mit niedriger Produktivität aus, so der Arbeitsminister. Eine Erhöhung des Mindestlohns mache Neueinstellungen dieser Art weniger rentabel und bringe die Unternehmen dazu, mehr in Maschinen zu investieren. Ein theoretisch korrekter Ansatz, die von Regierung und Arbeitgeberschaft gewünschte Produktivitätssteigerung herbeizuführen – mit allerdings nicht zu Ende gedachten sozialen und wirtschaftsgeografischen Folgen.