Im Kino: Wild Rose

Ein geschärfter Blick für die Herausforderungen von Einelternschaft sowie die schauspielerische und gesangliche Wucht Jessie Buckleys machen aus „Wild Rose“ einen Film, den man sich nicht entgehen lassen sollte.

Die alleinerziehende Mutter Rose-Lynn träumt davon, ein Countrystar zu werden. (© Aimee Spinks/harpersbazaar.com)

Es gibt erstaunlich wenige Filme, die vordergründig von der Karriere einer Musikerin handeln. Selbst ein Film wie „A Star Is Born“, dessen viertes Remake letztes Jahr anlief, handelt mindestens genauso sehr von einem männlichen Musiker. Umso erfrischender ist es, dass in „Wild Rose“ ausschließlich Frauen im Mittelpunkt stehen. Allen voran Rose-Lynn (Jessie Buckley), die seit Langem den Traum hegt, Countrysängerin zu werden. Vieles in ihrem Leben steht dem jedoch im Weg. Da wäre zum einen der Umstand, dass sie gerade aus einjähriger Haft wegen Heroinschmuggel entlassen wurde und unter Hausarrest steht. Zum anderen ist sie aber auch alleinerziehende Mutter zweier kleiner Kinder. Ihr aufbrausendes Temperament sowie ihre Selbstzentriertheit tun ihr ebenfalls keinen Dienst. Als sie einen Job als Putzhilfe annimmt und ihre wohlhabende und gut vernetzte Arbeitgeberin (Sophie Okonedo) ihr Talent entdeckt, eröffnen sich ihr plötzlich ungeahnte Möglichkeiten.

Der Film handelt aber weniger vom Aufstieg eines Countrystars als vielmehr von einer jungen Frau, die mit den Anforderungen alleinerziehender Mütter kämpft. Rose-Lynn ist ein Opfer ihrer Lebensumstände; viel zu früh musste sie bereits viel zu viel Verantwortung übernehmen. Und so geht es im Film vor allem um Rose-Lynns Hin- und Hergerissenheit zwischen ihrer Familie und einer potenziellen Karriere. Beides zugleich scheint nicht möglich zu sein – zumindest nicht ohne die substanzielle Hilfe ihres Umfelds. „Wild Rose“ zeigt auf nuancierte Weise, inwiefern dieser Balanceakt nicht nur Rose-Lynn selbst belastet. Vor allem ihre ihr unter die Arme greifende Mutter (Julie Walters) muss sich auch ständig zwischen familiärer Verantwortung und persönlicher Freiheit entscheiden.

In „Wild Rose“ fallen Männer durch ihre Abwesenheit auf. So unzuverlässig Rose-Lynn als Mutter teilweise auch ist und so leicht es dem Publikum gemacht wird, ihr dies zum Vorwurf zu machen: Sie ist immer noch mehr für ihre Kinder da als deren Vater. Der Film moralisiert allerdings nicht: Es bleibt dem Publikum selbst überlassen, ob es entsprechende Schlüsse ziehen will.

„Wild Rose“ zeigt, dass musikalisches Talent, Ehrgeiz und Glück nicht ausreichen, um Karriere zu machen. Mindestens genauso wichtig ist es, dass andere an einen glauben. Doch selbst das reicht bei jemandem wie Rose-Lynn nicht aus. Auch wenn es nicht explizit benannt wird, so wird im Verlauf des Films mehr als deutlich, dass Frauen, vor allem Mütter, zahlreiche weitere Herausforderungen zu meistern haben. Rose-Lynn ringt zudem mit einer Frage, die sich unabhängig vom Geschlecht für viele Künstler*innen stellt: Werde ich lieber ein kleiner Fisch in einem großen See, oder doch lieber umgekehrt? Zur Wahl stehen der Musikerin in dieser Hinsicht Glasgow auf der einen und die Country-Metropole Nashville auf der anderen Seite.

Zu Filmen wie „A Star Is Born“ bietet „Wild Rose“ ein alternatives Muster, das ganz ohne romantischen Erzählstrang auskommt. Das Weniger an Kitsch nimmt dem Film aber nichts an seiner emotionalen Intensität. Ganz im Gegenteil.

Nicht alles am Film ist gelungen, manche der Hindernisse, denen Rose-Lynn begegnet, fühlen sich etwas zu erzwungen an. Doch dank der durchgehend hervorragenden Leistung der irischen Schauspielerin und Sängerin Jessie Buckley lässt der Anteil, den man an Rose-Lynns Erfahrungen nimmt, nie nach. Schon in „Beast“ hatte Buckley in einer Hauptrolle ihr vielseitiges Talent unter Beweis stellen können. Man darf gespannt sein auf ihre zukünftigen Projekte.

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Bewertung der woxx: XX


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