Immersives Theater: Wie die Axt im Walde?

Die Volleksbühn braucht für ihre neue Theaterproduktion weder einen Vorhang noch Bühnenbretter: 
„De Bësch“ spielt zwischen Bäumen und Feuersalamandern – ein Vergnügen auf Kosten der Natur?

Ein Kuchen aus Moos und Waldboden statt Bühnenbrettern: „De Bësch“ ist ein immersives Theaterstück, das das Publikum in Luxemburgs Wälder entführt. Was neugierige Waldbewohner*innen wohl davon halten? (Fotos: Bohumil Kostohryz)

Die Rehe sind ihr treustes Publikum: Während andere Waldbewohner*innen sich bei den Proben der Volleksbühn zu „De Bësch“ verstecken, beobachten sie ihr Spiel. Das verrät Anne Simon, die das immersive Theaterstück zusammen mit Max Jacoby konzipierte, im Gespräch mit der woxx. Dem tierischen Publikum bietet sich das Schauspiel vor der Haustür. Die zweibeinigen Zuschauer*innen werden hingegen per Kleinbus in den Wald gefahren, wo sie sich zu Fuß zunächst mit einer von sechs Figuren auf Reisen durch Parallelwelten begeben.

Auf den Spuren eines Journalisten, auf jenen von Rebell*innen, Befürworter*innen einer neuen Ordnung, einer Person auf der Flucht und eines Touristenführers taucht das Publikum in eine fremd gewordene Realität ein, in der sich ihm Fragen nach der Wahrheit, nach Tod und Leben sowie nach dem Erzählen von Geschichten aufdrängen. Immer wieder kreuzen sich die Wege der Figuren und die Zuschauer*innen stehen mehrfach vor der Entscheidung, einen neuen Pfad einzuschlagen oder demselben Charakter weiter durch den Wald zu folgen.

„Das ist zum Teil frustrierend, weil das Publikum das Gefühl hat, nicht alles zu sehen“, sagt Anne Simon, „doch wenn man sich das Stück ein paar Mal und immer anders anschaut, dann erschließt sich einem das Ganze. Immersives Theater wird meiner Erfahrung nach spannender je öfter man es sich ansieht.“ Die ersten Aufführungen von „De Bësch“ fanden letzte Woche im Kuelespaacher Bësch in Niederanven statt, kommendes Wochenende spielt die Volleksbühn auf dem Gaalgebierg in Beles und in zwei Wochen im Kierbëchel in Wahl. Simon rät den Zuschauer*innen, sich jedes Mal alleine durch die Aufführung zu bewegen, statt mit der eigenen Begleitung. Als Einzelperson laufe man anders als in der Gruppe durch den Wald.

Das erwähnt Simon nicht nur im Hinblick auf den Inhalt des Stücks, sondern auch im Zusammenhang mit der Umweltfreundlichkeit ihres Konzepts: Selbst wenn es niedlich ist, dass die Rehe bei den Proben Mäuschen spielen, stellt sich bei Kulturveranstaltungen in der Natur schließlich immer auch die Frage, ob sie deren Gleichgewicht stören. Für Simon ist klar, dass jede Intervention im Wald einen Eingriff darstellt: „Der Mensch stört immer, wenn er im Wald unterwegs ist.“

Die Volleksbühn bemühe sich allerdings, die Schäden zu minimieren, und das nicht nur durch Anweisungen an das Publikum. Die Idee sei nicht, dass große Tourist*innengruppen unachtsam durch den Wald trampelten. „Wir haben im Vorfeld mit der Forstverwaltung abgesprochen, worauf wir achten müssen, und bleiben mit Ton und Licht unter gewissen Werten“, führt Simon aus. „Letztens haben wir zusammen mit unserem Techniker Eier eines Feuersalamanders am Spielort entdeckt und versucht, den Pfad so zu beleuchten, dass das Publikum den Bereich umgeht.“

Darüber hinaus nutzt die Volleksbühn teilweise Solaranlagen zur Energiegewinnung, auch wenn die nicht für die gesamte Produktion ausreicht. „Im technischen Bereich steckt der Kultursektor noch in den Kinderschuhen, was Nachhaltigkeit angeht. Die Möglichkeiten sind begrenzt. Beim Material sieht es anders aus, dort wird zunehmend auf Wiederverwendung gesetzt. Wir haben für unsere Kulisse das eine oder andere Lager ausgeräumt“, sagt Simon. „Am Ende ist das Projekt vor allem auf persönlicher Ebene nachhaltig: Es regt das Publikum dazu an, sich mit einem Ort auseinanderzusetzen, der Schutz verdient. Es wird durch die Einsamkeit und die Leere des Waldes mit sich selbst konfrontiert, weit weg von der Konsumwelt.“

De Bësch. Gaalgebierg, Beles (1. – 3. Oktober) 
und Kierbëchel, Wahl (8. – 10. Oktober), jeweils ab 18:30 Uhr. 
Weitere Informationen zu den Treffpunkten, Tickets und anderen Details gibt es unter anderem auf volleksbuehn.lu.

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