Waschbären sind sympathische und intelligente Tiere. In Europa gelten sie allerdings als invasive Exoten und stehen auf der Abschussliste. Das Management der Spezies in Luxemburg gestaltet sich schwierig.
Wer an invasive exotische Tierarten denkt, denkt vermutlich eher nicht an Waschbären. Die haben, US-amerikanischer Popkultur sei Dank, einen guten Ruf. Auch die Betitlung als „Trash Pandas“, also Müll-Pandas, ändert daran wohl eher weniger. Dennoch stehen die Tiere in Europa und damit auch in Luxemburg auf der Abschussliste. Mit einer neuen Broschüre will die Naturverwaltung auf die Gefahren der Waschbären-Invasion aufmerksam machen.
Der Waschbär ist die größte Art in der zoologischen Familie der Kleinbären. Die Tiere können zwischen 41 und 71 Zentimeter lang und zwischen 3,6 und 9 Kilo schwer werden. Sie sind leicht an ihrer charakteristischen schwarzen Gesichtsmaske zu erkennen und sind Allesfresser. Waschbären gelten als intelligent: In Experimenten können sie komplexe Verschlussmechanismen öffnen und erinnern sich auch noch drei Jahre später an die Lösung solcher Probleme. Das führt dort, wo Waschbären mit dem Menschen in Kontakt kommen, zu Konflikten.
2016 entwarf die kanadische Stadt Toronto neue Mülleimer. Durch einen speziellen Verschlussmechanismus sollten Waschbären daran gehindert werden, in die Tonnen einzudringen und sich an deren Inhalt zu bedienen. Nachdem die Tiere in Tests nicht zum Abfall vordringen konnten, bestellte die Stadt eine halbe Million neue Mülltonnen und lieferte sie an ihre Bewohner*innen aus. Zwei Jahre später berichtete der „Toronto Star“, dass zumindest einige besonders schlaue Waschbären es geschafft hatten, die Mülltonnen zu öffnen. In Luxemburg sind solche Probleme noch unbekannt – aber auch hierzulande breiten sich die Waschbären immer weiter aus. Das wirft die Frage auf, wie mit der invasiven Spezies umgegangen werden soll.
Bisher kaum im urbanen Raum
In Luxemburger Ortschaften ist der Waschbär noch selten anzutreffen, wie Tiago De Sousa von der Naturverwaltung (ANF) der woxx erklärt: „Der Waschbär kommt vor allem im Ösling vor, wandert aber immer weiter Richtung Süden. In manchen Orten nahe der belgischen Grenze ist er schon gesichtet worden, das kommt aber eher selten vor.“ Somit müssen wohl auch keine Mülltonnen mit Waschbärensicherung ausgeliefert werden. Trotzdem will die ANF die Bevölkerung auf die Gefahren der kleinen Säugetiere aufmerksam machen. Dies durch eine Broschüre, in der der Waschbär gemeinsam mit seinem asiatischen „Doppelgänger“, dem Marderhund, vorgestellt wird.
Dringen Waschbären in Häuser ein, können sie dort für erheblichen Schaden sorgen. Das betrifft nicht nur umgeworfene Mülltonnen oder geplünderte Vorratskammern, sondern auch Isolationsmaterial von Wänden oder Dachböden, das zerstört werden kann. „Waschbären sind nachtaktiv, und wenn sie schlafen wollen und ein Waschbär vergnügt sich auf ihrem Dachboden, das ist eher unangenehm“, gibt De Sousa zu bedenken.
Zudem gibt es sanitäre Bedenken. Einerseits legen Waschbären Latrinen an, also Stellen, die sie gemeinsam als Toilette benutzen – was eher unappetitlich ist und gefährlich werden kann, wenn die Tiere Krankheiten oder Parasiten haben. Der Waschbärspulwurm ist ein solches Beispiel. Infektionen beim Menschen sind zwar extrem selten, können jedoch tödlich enden. In Luxemburg wurde der Parasit noch nicht bei Waschbären nachgewiesen, in Deutschland allerdings schon, wie in einer Studie zu lesen ist, die letztes Jahr von Forscher*innen des naturhistorischen Museums Luxemburg publiziert wurde. „Tollwut ist aktuell in Luxemburg kein großes Thema, aber der Waschbär könnte sie wieder einführen. Generell wissen wir seit Corona, wie schnell sich Krankheiten von Tieren auf den Menschen übertragen können“, so De Sousa zu den potenziellen sanitären Gefahren, die der Waschbär mit sich bringen könnte.
Flusskrebs auf dem Speiseplan?
Auch für die Biodiversität könnte der Waschbär eine Gefahr darstellen. In einer Studie aus Zentralitalien hat man herausgefunden, dass die dortigen Waschbären sich zu 60 Prozent vom gefährdeten und geschützten Europäischen Flusskrebs ernähren. Waschbären können, wenn es ein breites Nahrungsangebot gibt, individuelle Vorlieben entwickeln. In Luxemburg gebe es den Flusskrebs nur an zwei Orten, da er von invasiven Krebsarten verdrängt worden sei, so De Sousa. „Würden wir entdecken, dass der Waschbär sich an diesen Orten niederlässt, würden wir sofort zielgerichtete Maßnahmen ergreifen.“
Wie schlimm die Auswirkungen von Waschbären auf lokale Ökosysteme, in die sie einwandern, wirklich sind, ist umstritten. Nachgewiesen ist, dass bestimmte Vogelarten wie etwa der Kormoran oder der Graureiher ihre Brutkolonien aufgeben können, wenn Waschbären in der gleichen Gegend vorkommen. Die EU hat den Waschbär auf jeden Fall auf die „Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung“ aufgenommen. Damit ist klar, dass die Tiere als Bedrohung gelten und auch in Luxemburg ein Management stattfinden muss.
Sowohl für den Waschbär als auch für den Marderhund seien die klimatischen Bedingungen in Europa gut und mit dem Klimawandel würden sie vermutlich noch besser werden, urteilt eine Studie dreier Biolog*innen der Frankfurter Goethe-Universität. „Zusammen mit dem Risiko der Krankheitsübertragung auf Tiere und Menschen im urbanen Raum ist dies ein weiteres starkes Signal dafür, dass lokale und regionale Management-Aktionen nötig sind, wenn die EU-Mitgliedsstaaten die weitere Ausbreitung der beiden Spezies eindämmen wollen“, schreiben sie in der Konklusion ihres wissenschaftlichen Papers. Wie dieses Management genau aussehen soll, ist jedoch eine schwierige Frage.
Brauchen wir neue Mülltonnen?
Seit 1979 ist der Waschbär in Luxemburg nachgewiesen, bis 2000 wurde er vor allem im Ösling gefunden. Wie viele Waschbären es heute im Großherzogtum gibt, ist schwer zu sagen, auch De Sousa traut sich nur, eine grobe Prognose abzugeben: „Da der Waschbär bejagt wird, wissen wir, dass jedes Jahr über 1.000 Exemplare geschossen werden. Wenn wir annehmen, dass das fünf Prozent der Population sind, dann müsste es etwa 20.000 Waschbären in Luxemburg geben.“
Die Jagd ist aber eher nicht die Lösung für das Luxemburger Waschbär-Problem. Einerseits scheint sie trotz steigender Abschusszahlen wenig Einfluss auf den Bestand zu haben, andererseits sind die Möglichkeiten begrenzt. Der Waschbär ist nachtaktiv, die Jagd ist in Luxemburg nach der Dämmerung jedoch verboten. Außerdem ist das Tier nicht unbedingt ein attraktives Jagdziel.
„Da wir begrenzte Ressourcen haben und andere invasive Arten uns mehr Sorgen machen, haben wir nur begrenzte Möglichkeiten“, so De Sousa. Die ANF setze daher auf Sensibilisierung – das ist auch Ziel der neuen Broschüre, die unter anderem Tipps gibt, wie man sein Haus waschbärensicher machen kann. Wichtig sei, dass die Bevölkerung Waschbären melde. Eine Möglichkeit dazu ist die Website inaturalist.lu, auf der Naturbeobachtungen jeder Art eingetragen werden können. Diese Daten helfen auch der Naturverwaltung beim Monitoring von Waschbären oder anderen invasiven Spezies.
Grundsätzlich stellt sich beim Umgang mit dem Waschbären die Frage, wie wir auf invasive Spezies reagieren – und ob wir nicht lernen müssen, mit dem „Kleinbären auf Abwegen“, wie er in der Broschüre der ANF genannt wird, umzugehen. Immerhin scheint es, als wäre er gekommen, um zu bleiben. Vielleicht kann in Luxemburg ja jemand eine Mülltonne entwerfen, in die wirklich kein Waschbär eindringen kann.