Klimarat: Freiwillige vor zur Klimarettung

Der Klimabürger*innenrat, den Premierminister Xavier Bettel in seiner Rede zur Lage der Nation angekündigt hatte, nimmt endlich Form an. Wie die Mitglieder des Rates ausgesucht werden und wie er funktionieren soll, erfuhr die Presse am 5. Januar. Zuspruch gibt es jedoch nicht aus allen Reihen.

Mit dem Klimabürger*innenrat schiebt die Regierung die Verantwortung für höhere klimapolitische Ambitionen auf Einzelpersonen ab. (Foto: ME)

Hundert Menschen dürfen ab Ende Januar sechs Monate lang im Klimabürger*innenrat (KBR) über Klimaschutz und die luxemburgische Klimapolitik diskutieren. Ziel des Ganzen ist es laut Premierminister Xavier Bettel (DP), einen „gesellschaftlichen Konsens“ herbeizuführen: Die Bürger*innen sollen darüber beraten, welche Maßnahmen über die momentane Klimapolitik hinaus getroffen werden müssen. Die konkreten Handlungsvorschläge des Gremiums werden auf dem integrierten nationalen Energie- und Klimaplan (PNEC) aufbauen. Der Rat soll 60 aktive Mitglieder haben, die restlichen 40 springen ersatzweise ein. Ausgewählt werden sie vom Umfrageinstitut TNS Ilres: Um eine größtmögliche Repräsentativität der demografischen Realität Luxemburgs zu erreichen, werden Aspekte wie Nationalität, Wohnsitz, Bildungsstand, Berufssektor, Geschlecht und Alter berücksichtigt. Mitmachen kann man ab 16 Jahren, zehn Prozent der Ratsmitglieder sollen Grenzgänger*innen sein.

Wer sich für den KBR meldet, muss einen entsprechenden Fragebogen ausfüllen und wird dabei auch um eine seltsame Selbsteinschätzung gebeten: „Auf einer Treppe von 1 bis 10, bei der Stufe 1 dem niedrigsten Platz in der Gesellschaft und Stufe 10 dem höchsten Platz in der Gesellschaft entspricht, auf welcher Stufe dieser Treppe würden Sie stehen?“ Vorläufig sind rund 15 Treffen bis Juli vorgesehen. Deren Form variiert von Informationsversammlungen über Arbeitswochenenden bis hin zu Debatten. Damit sich auch alle Beteiligten auf dem selben Wissensstand befinden, soll der Rat am 29. Januar von Expert*innen zur Klimakrise informiert werden. 125 Euro pro Beteiligung an einem solchen Treffen sollen die Mitglieder erhalten, nach dem Prinzip der Sitzungsgelder von Beamten und Abgeordneten.

„Wir verpflichten uns nicht, die Vorschläge eins zu eins umzusetzen“

Die Politik werde sich aus dem gesamten Prozess vollkommen heraushalten, betonte Premierminister Bettel mehrmals während der Pressekonferenz am 5. Januar. Anwesend waren zudem die Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) und der Minister für Raumentwicklung Claude Turmes (Déi Gréng). Die Universität Luxemburg wird den Rat wissenschaftlich begleiten. Zudem besteht die Möglichkeit, sich mit einer Reihe von Akteur*innen auszutauschen, die für die luxemburgische Klimapolitik relevant sind: das Klimaobservatorium, der akademische Begleitausschuss, die Klimaplattform oder auch das Bürger*innenkomitee des landesplanerischen Projektes „Luxembourg in Transition“. Diese Gremien sollen den KBR lediglich beraten und haben kein Mitbestimmungsrecht.

Im Beirat des deutschen Klimabürger*innenrats sind auch Vertreter*innen von „Fridays for Future“ präsent. In Luxemburg scheint es hingegen keine Option gewesen zu sein, organisierte Klimaaktivist*innen einzubeziehen. Andere europäische Klimaräte weichen thematisch von Luxemburg ab. Während es hierzulande – O-Ton Bettel – „kein Tabu“ gibt, fokussiert sich der dänische Rat auf Handlungsempfehlungen mit besonderem Schwerpunkt auf bürgernahe Themen.

Die Vorschläge des luxemburgischen Rats sollen am Ende des sechsmonatigen Projekts dem Parlament vorgelegt werden, wo dann „in aller Transparenz“ darüber debattiert wird, wie der Premierminister erklärte. Wenn die Abgeordneten den Vorschlägen zustimmen, werden diese mit in die PNEC-Zwischenbilanz 2023 einfließen. Bettel gibt jedoch zu bedenken: „Wir verpflichten uns nicht, die Vorschläge eins zu eins umzusetzen.“ Umweltministerin Carole Dieschbourg sagte, der Regierung sei bewusst, dass im Klimaschutz mehr getan werden muss. Nun sei jedoch die Zivilgesellschaft an der Reihe, Handlungsvorschläge zu machen.

Foto: woxx/tj

„Über Ziel und Zweck von unerlässlichen Maßnahmen muss nicht mehr diskutiert werden“

Mit dieser Betrachtungsweise sind allerdings nicht alle einverstanden. Ein gemeinsames Schreiben von CELL (Cente for Ecological Learning Luxembourg) und anderen Organisationen der U4CJ-Koalition (United for Climate Justice), die seit über zwei Jahren an der Entwicklung von Bürger*innen-Klimaversammlungen arbeiten, macht klar: Sie teilen Bettels Euphorie nicht. Die Initiative der Regierung gebe zwar Anlass zur Hoffnung, jedoch nur, „wenn der KBR die Voraussetzungen für eine tiefgründige und weitreichende Reflexion über die Klimapolitik Luxemburgs hat“. Dies sei wegen fehlender Details noch ungewiss.

Bedauernswert sei zudem, dass der „Aktionsradius auf das PNEC beschränkt ist, dass er seine Arbeit in einem sehr engen Zeitrahmen von weniger als sechs Monaten durchführen muss und dass die Initiativen der Zivilgesellschaft, die bereits vor mehreren Jahren ins Leben gerufen wurden, bei der Ausarbeitung des Prozesses nicht berücksichtigt wurden“. Um echte Handlungs- und Einflussmöglichkeiten zu bieten, müsse man den Bürger*innen mehr Zeit geben.

Vorbehalte auch beim Mouvement écologique. Noch seien zu wenige Details über den Rat bekannt, um ein Urteil zu fällen, meint Blanche Weber. Man sei prinzipiell nicht gegen eine Bürger*innenbeteiligung. Jedoch dürfe die Politik die Verantwortung nicht abgeben, um so zu verhindern, dass längst als notwendig erkannte Schritte endlich umgesetzt werden. „Über Ziel und Zweck von unerlässlichen Maßnahmen muss nicht mehr diskutiert werden“, so Weber gegenüber der woxx: „Die Fakten der Klimakrise liegen schon seit Jahren auf dem Tisch und es sollte die erste Priorität der Regierung sein, sich um das zu kümmern, was versprochen wurde.“

Interessierte können sich via 
https://kbr.tns-ilres.com oder telefonisch bis zum 19. Januar für den Bürger*innenrat anmelden.

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