Konzertreihe: Radau auf dem Abenteuerspielplatz

Man könnte ihn als zotteligen Lausbuben im Großformat bezeichnen: Der luxemburgische Schlagzeuger Benoît Martiny treibt, nachdem er aus seinen sicherlich nicht ganz braven Sommernachts-
träumen erwacht ist, ab diesem Wochenende wieder sein unterhalt-
sames, musikalisches Unwesen.

Treibt mal wieder sein Unwesen im Lande: Drummer und Tausendsassa Benoît Martiny. (Foto: Gérard Beckers)

„Ich bin und bleibe gewissermaßen der Bauer aus Rammeldingen“, scherzt Martiny mit deutlich vernehmbarem, selbstironischem Lachen, während er erklärt, warum es letztlich nicht authentisch ist, wenn man versucht, sich ein Genre, dessen Wurzeln weit entfernt von Luxemburg liegen, vollends zu eigen zu machen. Man könne sich seiner Herkunft nicht wirklich erwehren und diese sei nun mal auch in der eigenen Musik hörbar.

Dem jüngeren Publikum ist Benoît Martiny wahrscheinlich eher ein Begriff, weil er im wahrsten Sinne des Wortes „Zoodi“ am Schlagzeug des Hip-Hop-Kollektivs de Läb „schléit“. Wenige von ihnen werden wissen, dass er mit seiner ersten Band, die sich dem Metal widmete, in einer Garage probte, „weil man ja irgendwo Krach machen können muss“. Dass er seine Abschlussarbeit am Konservatorium in Rotterdam über Voodoo schrieb, also untersuchte, wie man die perkussiven Klänge, die in Afrika bei diesen Ritualen von mehreren Menschen gleichzeitig gespielt werden, im Rahmen einer „One-Man-Show“ allein am Schlagzeug umsetzen kann, wissen hingegen wohl die Allerwenigsten.

Der mittlerweile 40-jährige wuchs im Elternhaus mit Klassik auf, gesteht indes auch, wegen der Serie „Nightrider“ Hasselhoff-Fan gewesen zu sein. Demnach sei sein Geschmack als Kind nicht sonderlich ausgefeilt gewesen, gibt Martiny zu, der dann aber zu seinem eigenen Glück (und wohl auch jenem der Zuhörer*innen) in jener Zeit aufwuchs, in der die luxemburgische Musikszene einen enormen Wandel erfuhr. Benoît Martiny ging somit auf Tuchfühlung mit Rock, später Jazz und im Rahmen seines Studiums auch mit Afro Beats. Großes allgemeines Aufatmen: Der junge Bursche ließ vom „Looking for Freedom“-Sänger ab, obwohl er musikalische Freiheiten bis heute zu schätzen weiß.

Heute behauptet er von sich: „Ich habe einen riesigen Respekt vor allen Genres, kann allerdings kein einziges davon richtig spielen. Deswegen habe ich auch meine eigene Band, mit der ich mich zwischen diesen Grenzen bewegen und experimentieren kann.“ Hiermit bezieht er sich keineswegs auf eine eventuelle Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit bei seinem Spiel, sondern zielt darauf ab, dass es ihm in erster Linie nicht darum geht, diese Musikrichtungen samt ihrer traditionellen Struktur integral nachzuahmen. „Ich versuche, vor allem mich selbst zu spielen und mir treu zu bleiben, daher bin wohl ich der rote Faden bei dem, was ich mache.“

Benoît Martinys Diskografie zählt nach insgesamt 22 Jahren 15 Alben, die aus seiner Feder stammen oder auf denen er als Sideman fungierte. Darauf angesprochen, ob man auf diese quasi wie auf ein Tage(hör)buch zurückgreife und sich manchmal selbst verfluche, antwortet er ehrlich, dass er sich schon das ein oder andere Mal gefragt habe, was er denn da zusammengespielt habe, aber auch wirklich schöne Momente beim Wiederentdecken gehabt habe. „Es gibt Musiker, die beginnen quasi als Genies und andere, die arbeiten ein Leben lang daran, einfach gut zu spielen. Bei mir trifft eher zweiteres zu, ich lerne unglaublich gerne aus dem, was schlecht lief, aber eben auch aus dem, was klappte.“

Die Benoît Martiny Band sowie weitere Kollaborationen bezeichnet der Drummer als Spielplatz, auf dem man sich austoben kann. Als Schlagzeuger brauche man eine gewisse Sozialkompetenz und Abenteuerlust, fügt er hinzu und verweist auf das anstehende Konzert mit dem Freejazz-Urgestein Michel Pilz (Bassklarinette), mit dem er diesen Samstag auf der Heringer Millen Texte über das Müllerthal frei vertonen wird. Zwei Wochen später wird dann der kleine Saal des Echternacher Trifolions zum Boxring, wenn Martiny auf den etwas jüngeren Jérôme Klein trifft und es „Rock de Ring“ heißt. Da beide ihre jeweiligen Gangs mitbringen, könnte das eine lustige, klangvolle Massenschlägerei werden. Welch schweißtreibendes Training (auf Waldspielplätzen) beide auf sich genommen haben, kann man übrigens auf den jeweiligen Band-Facebookseiten sehen.

An diesem Samstag, dem 5. Oktober: Literaresch Texter iwwer de Mëllerdall, musikalisch untermalt von Benoît Martiny und Michel Pilz, Heringer Millen, Müllerthal
18. Oktober: Klein vs Martiny, 
Trifolion Echternach

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