Lachgas: Gar nicht lustig

Neben CO2 könnte auch Lachgas in naher Zukunft zu einem Klimakiller avancieren. Hauptursache der Emission des Gases ist die künstliche Trockenlegung von Feuchtgebieten.

58 Lachgas-Hotspots in 13 Ländern 
wurden rund um den 
Globus untersucht. (Grafik: nature.com)

Klimagase haben die Eigenschaft, infrarote Wärmestrahlung, die von der Erde in Richtung Weltall zurückgeschickt wird, zu absorbieren. Also die Wärmestrahlung daran zu hindern, die Erdatmosphäre zu verlassen. Hier liegt die Ursache für den Treibhauseffekt, der uns die globale Erwärmung beschert.

Je mehr Klimagase durch Autos, Flugzeuge, Kraftwerke oder Regenwaldabholzung in die Atmosphäre gelangen, desto weniger Wärmestrahlung kann ins All entweichen. Jedoch ist bei Klimagasen meist nur vom Kohlendioxid die Rede. CO2 – ein Kohlenstoffatom, zwei Sauerstoffatome. Dieses Kürzel steht für den menschengemachten Klimawandel und all seine Nebenwirkungen wie Extremwetter-
ereignisse und Meeresspiegelanstieg.

Seltener geht es bei den klimapolitischen Diskussionen um Distickstoffmonoxid, chemisch N2O abgekürzt. Dabei entfaltet Distickstoffmonoxid, besser bekannt als Lachgas, eine sehr viel stärkere Klimawirksamkeit als Kohlendioxid. Klaus Butterbach-Bahl, Spezialist für biogeochemische Prozesse am Institut für Meteorologie und Klimaforschung in Garmisch-Partenkirchen: „Die Fähigkeit einer Substanz, Strahlung im Infrarotbereich zu absorbieren, hängt mit ihren molekularen Eigenschaften zusammen. Die bestimmen, in welchem Wellenlängenbereich die Absorption auftritt. Die Klimawirksamkeit des Klimagases hängt am Ende davon ab, wie wichtig diese Absorptionsbande für den Strahlungshaushalt der Erde ist.“

Und dies wiederum wird anhand des Treibhauspotenzials (Global Warming Potential) beziffert. Die Skala zeigt an, wie sehr ein Gas in einem Zeitraum von 100 Jahren zum Treibhauseffekt beiträgt, und zwar immer in Relation zur Wirkung von Kohlendioxid. CO2 als Ausgangspunkt der Berechnung hat das Potenzial 1, Methan (CH4) kommt auf den Wert 21 – und Lachgas erreicht den Wert 270. Es ist also 270 Mal klimawirksamer als CO2.

Das bedeutet nicht, dass Lachgas zur globalen Erwärmung am meisten beiträgt. Der momentane Anteil beträgt etwa sechs Prozent, da die N2O-Konzentration in der Atmosphäre etwa um den Faktor 1000 kleiner ist als die von CO2, so Butterbach-Bahl.

Alarmierende Studie

Das jedoch könnte sich ändern. Zum einen wegen der Landwirtschaft, die durch die künstliche Düngung der Böden enorme Lachgasemissionen verursacht. Und dann gibt es noch ein zweites Problem, und das ist die Trockenlegung von Feuchtgebieten wie Sümpfen und Mooren. Feuchtgebiete lassen sich landwirtschaftlich nicht nutzen, darum werden sie drainiert. Dadurch gelangen erhebliche Mengen Lachgas aus den Böden in die Atmosphäre, so das Ergebnis einer internationalen Studie, die Butterbach-Bahl zusammen mit 35 Kollegen durchgeführt hat.

Die Forscher haben insgesamt 58 Lachgas-Hotspots in Ländern rund um den Globus untersucht; in England, Frankreich, Estland, Russland, Australien, Neuseeland, USA, Kanada, Mexiko, Brasilien, Malaysia, Myanmar, Uganda. Die Emissionsraten der Feuchtgebiete in Uganda und in den südostasiatischen Ländern waren besonders hoch.

Butterbach-Bahl war an der Studie, die im März 2018 im Fachblatt „Nature“ publiziert wurde, zur Datenauswertung und Analyse beteiligt. Was in den Sümpfen und Mooren bei und nach der Trockenlegung passiert, beschreibt er so: „Die Böden von Feuchtgebieten haben sehr viel organischen Stickstoff gespeichert, also Stickstoff in Verbindungen mit Kohlenstoff. Durch die Drainierung werden sie belüftet, was mikrobielle Abbauprozesse der organischen Stickstoffverbindungen in Gang setzt. Als Beiprodukt entsteht gasförmiges Lachgas. Es wird sozusagen frisch produziert und entweicht bei zu hoher Konzentration aus den Böden in die Atmosphäre.“

Die künstliche Trockenlegung von Feuchtgebieten wird zur Hauptursache für Lachgasemissionen aus organischen Böden werden, so das Fazit der Studie. Butterbach-Bahl schließt daraus: Feuchtgebiete sollten nicht mehr trockengelegt werden. „Aber das passiert nach wie vor, besonders in den Tropen und Subtropen, um dort landwirtschaftliche Nutzflächen zu gewinnen.“ Oft setzt man dort Palmölplantagen auf die trockengelegten Feuchtgebiete.

Doch es gibt noch einen Ansatzpunkt zur Rettung der Sümpfe und Moore: „Wir sollten prüfen, ob sich in Gebieten mit organischen Böden, die früher Feuchtgebiete gewesen sind, durch Wiedervernässung die ursprüngliche Funktion der Feuchtgebiete als Speicher für organische Stickstoff- und Kohlenstoffverbindungen wiederherstellen lässt.“ Lachgas ist für Butterbach-Bahl ein „in der Öffentlichkeit vernachlässigtes Klimagas“. Und das, obwohl sich dessen Schädlichkeit nicht allein auf das Treibhauspotenzial mit dem Wert 270 beschränkt. Inzwischen trägt N2O auch mehr als jedes andere Schadgas zum Abbau der stratosphärischen Ozonschicht bei.

Studie: 
www.nature.com/articles/
s41467-018-03540-1

Übersichtskarte zur Studie: 
www.nature.com/articles/
s41467-018-03540-1/figures/1

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