LGBTIQA-Politik: Sonntagsreden reichen nicht

Die Debatte über LGBTIQA-Themen in der Schule zeigte: Die Rechte queerer Menschen sind in Gefahr und es reicht nicht, blumige Reden zum Thema zu halten.

Solidaritätsbekundungen sind gut – doch die Luxemburger Politik muss nach sechs Jahren Stillstand bei LGBTIQA-Rechten endlich wieder tätig werden. (Foto: CC BY-ND 2.0 Chambre des députés)

Am vergangenen Dienstag war es also soweit: Die beiden Petitionen zu LGBTIQA-Themen in der Schule, die im vergangenen Sommer für viele Diskussionen gesorgt hatten, wurden öffentlich im Parlament diskutiert. Beide Petitionen wurden zumindest formell gleich behandelt. Zum Glück bekam jene Petition, die sämtliche queeren Inhalte aus dem Schulprogramm für Minderjährige streichen wollte, viel Gegenwind von den Abgeordneten.

Ausnahme stellte hier selbstverständlich die ADR dar: Rechtspopulist Fred Keup kritisierte die Medien, weil diese die Petition auseinandergenommen hätten. Auch der Petitionär Helder Rui De Almeida Neves stellte sich in seiner Rede als Opfer einer unfairen Medienkampagne dar. Beide versuchten damit, ihr Anliegen – das gegen Menschen- und Kinderrechte verstößt – als legitimen Standpunkt in einer Vielfalt von Meinungen darzustellen. Nach dem Motto „Die einen Menschen mögen Ananas auf der Pizza, die anderen nicht, und wiederum andere wollen halt Schwule, Lesben, Bisexuelle, asexuelle, trans und inter Menschen aus den Schulbüchern verbannen, was ist schon dabei?“

Doch so einfach ist es nicht: Eine Menschengruppe aus dem Unterricht verbannen zu wollen, ist keine legitime Meinung. Einer Minderheit zu unterstellen, sie verführe Kinder, ist ein Angriff auf diese. Wie weitreichend die Forderung der „Anti“-Petition war, wurde von den wenigsten Abgeordneten tatsächlich thematisiert. Der Rahmen, den die parlamentarische Debatte diesem Hass gab, adelt ihn in gewisser Weise. In der Chamber könnten Sätze wie „Ich weiß nichts davon, dass je ein Hetero einen Homo angegriffen haben soll“ wie Phrasen in einer ganz normalen Debatte wirken, obwohl sie rein gar nichts mit der Realität zu tun haben. Zur Erinnerung: Einer Studie der Europäischen Agentur für Grundrechte zufolge wurden 2023 in Luxemburg die Hälfte der Befragten LGBTIQA-Personen belästigt und 12 Prozent von ihnen angegriffen.

Eine Menschengruppe aus dem Unterricht verbannen zu wollen, ist keine legitime Meinung. Einer Minderheit zu unterstellen, sie verführe Kinder, ist ein Angriff auf diese.

Die Sprecher*innen der „Pro“-Petition hingegen waren ruhig und bedacht und trugen tatsächliche Argumente vor, die nicht nur aus einem Bauchgefühl und Hörensagen bestanden. Das beeindruckte viele Nutzer*innen von Sozialen Medien jedoch wenig – dort werden weiterhin Lügen, Halbwahrheiten und Ressentiments verbreitet. Die Petitionskommission des Parlaments muss sich dringend überlegen, ob sie weiterhin Petitionen zulassen will, die offensichtlich auf Falschinformationen basieren. Diese werden durch eine öffentliche Debatte nämlich meist nicht entkräftet, sondern bekommen eine sehr große Bühne – so wie das bereits bei der Diskussion um die 5G-Funktechnik der Fall war.

Die Regierung muss außerdem aufhören, sich lediglich für bereits umgesetzte Forderungen der LGBTIQA-Gemeinschaft auf die Schulter zu klopfen. Ja, es ist schön, dass wir dieses Jahr zehn Jahre Ehe für gleichgeschlechtliche Paare feiern können. Das sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es immer noch Lücken gibt und seit über sechs Jahren Stillstand herrscht. Die Möglichkeit eines neutralen oder „dritten“ Geschlechtseintrages für nicht-binäre Menschen ist zum Beispiel ein Projekt, an dem schon viel zu lange gearbeitet wird. Auch ein Verbot von nicht-notwendigen Operationen bei intergeschlechtlichen Kindern wäre genauso notwendig wie eine bessere und umfassende Gesundheitsversorgung für trans Personen. Und auch, wenn das vor allem ein symbolischer Akt wäre, sollten sogenannte Konversationstherapien ebenfalls verbannt werden – hier sollte man auf keinen Fall warten, bis sich das Phänomen etabliert hat, bevor man es verbietet.

Es ist schön und ermutigend, dass in Luxemburg viele Politiker*innen gerne auf der Pride feiern und sich mit Regenbogenfahnen ablichten lassen. Es war auch beruhigend, am vergangenen Dienstag zu sehen, dass sich auch in der CSV niemand von queerfeindlichen Parolen hat verführen lassen. Aber das allein reicht nicht. Die CSV-DP-Regierung muss, gemeinsam mit den fortschrittlichen Kräften in der Opposition, die Rechte der queeren Gemeinschaft stärken und verteidigen. Das ist angesichts der aktuellen Weltlage wichtiger denn je.


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