Die Luxemburger Produktion „Marianengraben“ arbeitet sich in lockerer Manier an ernsten Themen ab. Dabei überspannt sie nicht nur manchmal den Bogen, sondern ist leider oft auch einfallslos.
Trauer und Tod: zwei paarweise auftretende Themen, die selten Platz finden in der Mitte unserer Gesellschaft. Zwar wimmeln die Filme und Bücher, die wir konsumieren, von Leichen – der nicht abebbende Erfolg des Krimi-Genres allein verdeutlicht das –, dennoch tun wir uns deutlich schwerer mit Werken, die das Hinscheiden eines geliebten Menschen und das Gefühlschaos, in das die Hinterbliebenen durch diesen Verlust gestoßen werden, thematisieren und dabei vor allem ins Herz treffen.
Berührungsängste hinsichtlich dieses schwierigen Themenkomplexes kann man der luxemburgischen Regisseurin Eileen Byrne wahrlich nicht unterstellen. Wie der in die gleiche Kerbe schlagende Film „Sophia, der Tod und ich“ ist „Marianengraben“ eine Mischung aus Tragödie, Komödie und Roadmovie. Im Zentrum steht dabei eine unwahrscheinliche, sich zwischen sehr gegensätzlichen Personen entfaltende Freundschaft – ein Topos, der schon in erfolgreichen Tragikomödien wie „Intouchables“ eingesetzt wurde. Und wie im preisgekrönten französischen Film wird ein Akzent auf das pflegerische, fürsorgliche Moment dieses außerordentlichen Verhältnisses gelegt.
Mit „Marianengraben“ erzählt Byrne also eine Geschichte, die keineswegs neu ist. Das stellt zunächst kein Problem dar, denn auch eine schon oft erzählte Story kann durch den Einsatz neuer Stilmittel, Perspektiven oder thematischer Verknüpfungen aufgefrischt werden. Leider aber fehlt der luxemburgischen Produktion der nötige, durch Originalität erzeugte Biss. Sie lässt sich – wohl in der Hoffnung weich zu landen und das Publikum nicht zu überfordern – auf ausgediente narrative Muster und Stilelemente ein. Die zwischen Konflikt und Eintracht hin- und herschwingende Beziehung zwischen den Hauptfiguren und ihr strapaziöser, von abenteuerlichen Episoden gekennzeichneter Roadtrip enthalten keine Überraschungsmomente, welche die altbekannten Erzählschemata durchbrechen könnten – und das, obwohl mit zwei Wendungen versucht wird, kleinere Knalleffekte zu erzeugen.
Nichts Neues auf der Leinwand
Auch formal arbeitet der Film mit abgenutzten Kniffen. Der verstorbene Bruder Tim meldet sich als lebendig erscheinende Figur immer wieder zu Wort. Durch diese „Wiedererweckung“ – in Wirklichkeit existiert der Junge nur in den Gedanken seiner großen Schwester – können die widersprüchlichen Gefühle und Gedanken der Protagonistin explizit gemacht werden. Ein wenig subtiler Trick, für den auch die bekannte Netflixserie „The Crown“ bei ihrer sechsten Staffel viel Kritik einstecken musste, als Lady Diana nach ihrem Tod immer wieder über die Leinwand stolzierte und mit den Trauernden kommunizierte, als wäre sie gerade mit frisch gestylter Föhnfrisur aus dem Grabe auferstanden.
Forcierter Witz
Doch nicht allein das kann als Manko gewertet werden. Gerade die komischen Szenen verfehlen meist den gewünschten Effekt; plumpe Situationskomik nimmt oft dort überhand, wo man besser mit dezenterem Humor gearbeitet hätte. Ob nun Paula bei ihrer Flucht die Asche von Helmuts geliebter Ex-Partnerin Helga über sich schüttet, der aus dem Schlaf aufgeschreckte ehemalige Förster mit dem Gewehr auf seine ebenfalls erschrockene Weggefährtin zielt oder die beiden sich ein Rennen mit der Polizei liefern – diesen recht groben Humor hätte es zur Auflockerung und als Gegengewicht zur Schwere des eigentlichen Themas gar nicht gebraucht.
Denn der Film findet durch ihn nicht zu einer besseren Balance, im Gegenteil: Die Erzählung ist dort am stärksten, wo sie weder zu sehr Amüsement schaffen noch auf die Tränendrüse drücken möchte. Dann kommen Momente zustande, die nachwirken, so zum Beispiel, wenn Paula Folgendes sagt: „Wenn Trauer eine Sprache ist, dann habe ich jetzt zum ersten Mal jemanden getroffen, der sie genau so flüssig spricht, nur in einem anderen Dialekt.“
In fast allen Sälen.
Um was geht es?
Paula (Luna Wedler) trauert um ihren kleinen Bruder Tim (William Vonnemann), der in Trieste unter ihrer Aufsicht ertrunken ist. An seinem Geburtstag macht sich die Biologin auf zu seinem Grab – und dort begegnet sie dem Rentner Helmut (Edgar Selge), der dabei ist, das Urnengrab seiner Ex-Frau Helga auszuheben. Paula wird wider ihren Willen in die illegale Nacht-und-Nebel-Aktion mit hineingezogen. Als seine Zufallskomplizin begleitet sie den alten Mann spontan auf seiner Wohnmobil-Reise nach Südtirol, wo er auf dem Grundstück des einmal gemeinsam bewohnten Hauses die Überreste seiner großen Liebe vergraben möchte.