Mobilität: Autosommer 2020

Luxemburgs wahrhaft provinzielle Lokalpolitik verschläft die Verkehrswende. Dabei wäre die Covid-19-Krise eine wunderbare Chance gewesen.

Foto: Pixabay

Es hätte so schön sein können. Luxemburg hätte sich einreihen können in eine lange Liste von Städten und Regionen, die die Covid-19-Krise dafür nutzten, Mobilität neu zu denken. Brüssel, London, Berlin, Paris, New York, Bogotá und viele weitere Städte haben mit Pop-Up-Bikelanes zumindest eine temporäre Möglichkeit für den Radverkehr geschaffen, auch um den öffentlichen Transport zu entlasten. In Luxemburg-Stadt fuhren während des Lockdowns nachweisbar so viele Menschen wie noch nie zuvor mit dem Rad. Spezielle Maßnahmen, die dem Zweirad etwas mehr Platz gegeben hätten, wollte die Gemeinde – immerhin mitgeführt von der Autoversteher*innenpartei CSV – jedoch nicht realisieren. Die beliebte Aktion „Mam Vëlo op d‘Schaff“ wurde sogar abgeblasen, obwohl sie in einer digitalen Form nicht besser in die Zeit der Maßnahmenlockerungen hätte passen können.

Nicht einmal ein kurzer „Vëlosummer“ war den Radfahrer*innen in Luxemburg vergönnt.

Mit, im internationalen Vergleich, etwas Verspätung – auch eine luxemburgische Tradition – wagten die Minister François Bausch (Déi Gréng) und Lex Delles (DP) dann doch einen Vorstoß. Sie stellten Anfang Juni das Projekt „Vëlosummer“ vor. Neben der Erhöhung der Subventionen für den Fahrradkauf und einem Gepäcktransportdienst für Radfahrer*innen und Wanderer*innen wurden auch 16 Straßenabschnitte vorgestellt, die sich im August in Fahrradwege verwandeln sollten. Vorausgesetzt, die betroffenen Gemeinden würden mitspielen. Die Beteiligung des liberalen Tourismusministers zeigt, dass es bei der Maßnahme ohnehin mehr um die Förderung des Freizeitverkehrs als um die tägliche Mobilität ging.

Doch nicht einmal das war den Radfahrer*innen in Luxemburg vergönnt: Bei neun der vorgeschlagenen Strecken legten die betroffenen Gemeinden ein Veto ein, bei anderen wurden einschneidende Änderungen am Grundkonzept vorgenommen. Es bleiben somit nur sehr wenige Straßen, auf denen der „Vëlosummer“ begangen werden kann. Ein Jammerspiel, das gut zeigt, woran es bei der Mobilitätspolitik in Luxemburg oft krankt: an im schlechtesten Sinne provinzieller Lokalpolitik.

Bei vielen Gemeindeverantwortlichen scheint auch im Jahr 2020 immer noch nicht angekommen zu sein, dass eine gute Fahrradinfrastruktur nicht nur die aktive Mobilität fördert, sondern auch die Lebensqualität und Gesundheit der Einwohner*innen ihrer Gemeinde. Von dem eingesparten CO2 gar nicht zu reden. Statt immer breitere Straßen und immer neue Umgehungsstraßen zu fordern, könnten sie die Verkehrswende einläuten. Wie das geht, ist nicht unbedingt ein Geheimnis: Es gibt genügend Beispiele von Kleinstädten, die das Auto in seine Schranken verwiesen haben.

Noch vor den letzten Parlamentswahlen 2018 gab das Mobilitätsministerium Vorschläge heraus, wie die unterschiedlichen Optionen für den Radverkehr gut gestaltet werden können. Falls sich überhaupt für eine Radinfrastruktur entschieden wird, kommt dabei oft nur ein Radstreifen in der Minimalversion heraus – auf den trauen sich jedoch nur die abgebrühtesten Radfahrer*innen.

In Luxemburg ist in den letzten Monaten durchaus eine Dynamik zu spüren gewesen: Mehr Fahrradfahrer*innen, Initiativen zur Dokumentation schlechter Fahrradwege von Pro Vëlo und Mouvement écologique – und nicht zuletzt die Raddemo Vélorution in Esch, die am vergangenen Wochenende 110 Teilnehmer*innen verzeichnen konnte. Es gibt hierzulande nicht einmal eine Autoindustrie, die Lokalpolitiker*innen schmieren könnte – die Fantasie, den PKW als bestes und einziges Mittel zur Mobilität zu sehen, muss demnach tatsächlich eine Überzeugung sein. Vielleicht belehrt ein Autosommer im – statt am – Stau manche eines Besseren. Zu wünschen wäre es allemal.


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