Nationaler Energie- und Klimaplan: Kleine Schritte

Mit großer Fanfare wurde die Aktualisierung des Nationalen Energie- und Klimaplans letzte Woche vorgestellt. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich um eine enttäuschende Sammlung vieler unkonkreter Ideen.

Klimaschützer*innen mögen „Act now“ fordern, doch der Pnec verschiebt das Handeln in die Zukunft.
 (Foto: Phil Hearing/Unsplash)

Der aktualisierte nationale Energie- und Klimaplan (Pnec) ist kein besonders inspirierendes Dokument. Wer das 308 Seiten starken Plan durchliest, erfährt, dass Energie- und Klimapolitik für die Luxemburger Regierung – und die EU, die die Form vorgibt – eine bürokratische, ja schon beinahe pedantische Sammlung von Einzelmaßnahmen ist. Dennoch handelt es sich um jene Ideen, die die Zukunft des Landes für die nächsten Jahrzehnte maßgeblich mitbestimmen sollen.

„Ein Pnec von den Bürgern für die Bürger“ nannte Premierminister Xavier Bettel (DP) die aktualisierte Fassung des Plans bei der Vorstellung am 17. April. Viele der Maßnahmen, die der Klimabiergerrot (KBR) vorgeschlagen habe, seien in den Pnec geflossen. Für Bettel war es sichtlich wichtig, sich als eine Art „Klima-Premier“ zu präsentieren. Vor anderthalb Jahren kündigte er den KBR in seiner Rede zur Lage der Nation an, obwohl ein solche Instrument der Bürger*innenbeteiligung im Klimagesetz eigentlich nicht vorgesehen war.

Dass sich Bettel zumindest auf rhetorischer Ebene gerne für das Klima einsetzt, wurde auch deutlich, als ein Journalist ihm die Frage stellte, ob es theoretisch möglich sei, dass eine künftige Regierung die Ziele, die im Pnec gesteckt wurden, verwässert. Der Zeitrahmen sieht nämlich vor, dass die endgültige Version des Plans erst im Sommer 2024 an die EU-Kommission geschickt werden muss – lange nach den Wahlen also. Bettels Reaktion war ein wütender Ausbruch: „Es ist nicht verantwortungsvoll, so zu tun, als ginge Klimapolitik gegen die Menschen! In Amerika wurde der Präsident, der das getan hat, nicht wiedergewählt. Ich halte es für unverantwortlich, Klimaziele herunterzuhandeln.“

Dienst nach Vorschrift 
statt Ambitionen

Allerdings hat die Regierung in all ihrer Kompromissbereitschaft – auf der Pressekonferenz durch die Anwesenheit von vier Minister*innen demonstriert – die Ziele des neuen Pnec auch nicht verschärft. Zumindest an dem wichtigsten Ziel wurde nicht gerüttelt: Nach wie vor soll Luxemburg bis 2030 „nur“ 55 Prozent weniger Treibhausgase als 2005 ausstoßen. Die andere beiden wichtigen Ziele wurden leicht angepasst: So soll die Energieeffienz um 44 Prozent verbessert werden, im Pnec von 2020 wurde noch eine Spanne von 40 bis 44 Prozent angegeben. Statt bisher 25 Prozent soll der Anteil der erneuerbaren Energien am Endverbraucht nun auf 35 bis 37 Prozent hochgeschraubt werden.

Diese Änderungen sind aber vor allem darauf zurückzuführen, dass die Ambitionen der Europäischen Union sich geändert haben. Im Zuge des „Green Deals“, der „Fit for 55“-Initiative und der „REPowerEU“-Maßnahmen wurden nämlich höhere Zielvorgaben für sämtliche Mitgliedsstaaten angesetzt, an die sich auch Luxemburg halten muss. Das Reduktionsziel müsse man nicht anpassen (siehe Kasten), da die EU nicht mehr fordere, heißt es von den Autor*innen des Plans. Was als ambitionierte Klimapolitik vermarktet wird, ist bei näherer Betrachtung nicht viel mehr als „Dienst nach Vorschrift“.

Ein exakter – oder gar maschinell unterstützter – Vergleich zwischen den Versionen von 2020 und 2023 ist ohnehin nicht möglich: Was vor drei Jahren noch auf Deutsch verfasst wurde, ist jetzt auf Französisch formuliert. Der Pnec besteht aus zwei Teilen: Auf den ersten 80 Seiten werden die Ziele und Möglichkeiten ihrer Umsetzung beschrieben, danach folgt eine lange Sammlung von Maßnahmen. Die meisten sind allerdings nicht sonderlich konkret, oftmals sind sie nur mit einer kurzen Beschreibung versehen, und wann die Maßnahme starten soll, wird nicht angegeben.

Der erste Teil des Plans beinhaltet detaillierte Projektionen, wie der Energiebedarf des Landes künftig gedeckt werden soll. An den Zielen zum Ausbau von Photovoltaik und Windkraft hat sich nichts geändert, obwohl die Pläne bisher nicht eingehalten wurden. Nun muss einfach in den kommenden Jahren stärker ausgebaut werden, um das gleiche Ziel erreichen zu können. Auf dem Papier sieht das gut aus, wie einfach sich das in der Realität umsetzen lässt, muss die nächste Regierung zeigen.

Andere Ziele wurden deutlich erhöht: Aus Biomasse sollen im Jahr 2030 ganze 624 statt wie bisher vorgesehen 271 GWh Strom produziert werden. Bei der Wärmeproduktion aus Biomasse hat sich das Ziel beinahe verdoppelt: Bis 2030 sollen jährlich 2.569 statt 1.763 GWh entstehen. Schon nächstes Jahr soll eine Kraft-Wärme-Koppelungsanlage im Süden des Landes eröffnen, die vor allem Abfallholz verbrennen soll. Das ist zwar eine prinzipiell nachwachsende Ressource, doch unendlich steigern lässt sich die Energieproduktion hiermit nicht. Wichtig sind für die Regierung auch statistische Transfers: Durch Zahlungen an Litauen und Estland kann Luxemburg auch weiterhin seine Erneuerbaren-Rechnung aufhübschen. Mit Portugal soll künftig ein ähnlicher Deal abgeschlossen werden.

Der Pnec zeigt Hochrechnungen, wie die Emissionen verschiedener Sektoren sich entwickeln sollen. Der Sektor mit den höchsten Emissionen in Luxemburg, der Transportsektor, hat in den Jahren 2020 und 2021 die Klimaziele der Regierung bekannterweise erreicht, was allerdings vor allem den Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus geschuldet war. Für 2022 sieht das Modell des nationalen Statistikdienstes Statec ein ähnliches Niveau wie 2020 vor. Ab 2024 sollen die Emissionen im Transportsektor endgültig sinken, vor allem durch die steigende Elektrifizierung des Verkehrs.

Foto: Gab Pili/Unsplash

Klima-Biergerrot ignoriert

Allerdings reicht es nicht, Elektroautos zu subventionieren und ein „Sozialleasing“ anzukündigen, damit sich auch arme Haushalte ein solches leisten können. Der Verkauf von fossilen Treibstoffen, der in Luxemburg durch den sogenannten „Tanktourismus“ für besonders hohe Emissionen sorgt, soll langsam auslaufen. Eine Maßnahme in diesem Sinne ist die CO2-Steuer. Die wird laut dem Pnec, wie bereits in der Vergangenheit, jährlich um fünf Euro pro Tonne erhöht werden.

Das ist ein Punkt, an dem Bettel sein „vun de Bierger, fir d’Bierger“-Versprechen nicht einlöst: Der KBR hatte eine viel höhere CO2-Steuer von 200 Euro pro Tonne gefordert. Eine Erhöhung sei nur schrittweise möglich, erklärte Umweltministerin Joëlle Welfring am 17. April bei der Vorstellung des Pnecs. „Wir verteilen die Einnahmen der Steuer gerecht, zur Hälfte sozial und zur Hälfte in Klimaprojekte.“

Der Mouvement écologique sieht diesen Punkt kritisch. In ihren Wahlforderungen schreibt die Umweltschutzorganisation, die CO2-Steuer würde dem Verursacherprinzip nicht gerecht und habe „keinen Lenkungseffekt“. Daher müsse sie „graduell und substanziell“ erhöht werden. Der Meco spricht sich dafür aus, diese Entwicklung für 10 Jahre festzulegen und den sozialen Ausgleich zu gewährleisten. Da die Regierung diese sozialen Maßnahmen vor allem über sogenannte Steuerkredite vollziehen will, ist es für sie natürlich schwierig, den CO2-Preis stark nach oben anzupassen.

In der Regierung ist man sich derweil einig, dass die CO2-Steuer genau den Lenkungseffekt hat, den man sich von ihr wünscht: In der Antwort auf eine parlamentarische Frage der Déi-Lénk-Abgeordneten Myriam Cecchetti schreiben Joëlle Welfring und Claude Turmes (beide Déi Gréng), die CO2-Emissionen seien 2021 um 12,7 Prozent niedriger gewesen als noch 2019. Der Statec habe außerdem Ende 2020 projiziert, dass die Emissionen durch die CO2-Steuer bis 2023 um 11 Prozent sänken. Ein Hinweis darauf, ob die Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen und Effekte, die vor allem in der ersten Jahreshälfte 2021 durchaus noch zu spüren waren, eventuell auch einen Effekt gehabt haben könnten, fehlt in der Antwort jedoch.

Da man allerdings längerfristig weiterhin Diesel und Benzin verkaufen will, bedient sich die Regierung eines anderen Tricks, um die Emissionen anzupassen: Der Anteil von Agrofuel, der mindestens zugemischt werden muss, wird schrittweise erhöht. Lag er 2020 noch bei 7,7 Prozent, so sollen es 2040 ganze 18,7 Prozent sein – fast ein Fünftel. Zu diesen „Rechentricks“ gesellen sich immerhin einige planerische Maßnahmen wie die Verkehrspläne „Modu 2.0“ und der Nationale Mobilitätsplan 2035. Eine Maßnahme verspricht eine „Stadt der Viertelstunde“ in der Hauptstadt, Esch und der Nordstad – allerdings ist der Beschreibungstext hierzu sehr vage und die Arbeiten an diesem Konzept sollen erst 2024 beginnen.

Benzin vom Feld, Wärme aus der Tiefe

Synthetische Kraftstoffe, die durch Lobbyerfolge vor allem in Deutschland und Österreich als Alternative zu wesentlich effizienteren Elektroantrieben für PKWs diskutiert werden, kommen im Pnec nicht vor – außer für den Flugverkehr. Der wird vermutlich tatsächlich auf synthetisches Kerosin angewiesen sein, wenn er dekarbonisiert werden soll. Ausgangsstoff für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen ist Wasserstoff. Und die Begeisterung für Wasserstoff, im Pnec 2020 noch eher verhalten, ist in Luxemburg größer geworden. Obwohl das Großherzogtum laut den Autor*innen des Plans niemals in der Lage sein wird, seinen eigenen Strombedarf zu decken, soll lokal erzeugter Ökostrom verwendet werden, um Wasserstoff herzustellen – selbstverständlich staatlich subventioniert. Die Nachfrage nach grünem Wasserstoff werde in Kürze so schnell und stark ansteigen, dass diese Maßnahme unumgänglich sei, heißt es im Plan. Schon 2028 würden 35 GWh grüner Wasserstoff in Luxemburg gebraucht, im Jahr 2030 sollen es bereits 130 sein.

Neben Energieerzeugung und Transport ist Wohnen und Heizen ein großes Thema des Pnec. Hier sind mehrere Pilotprojekte angekündigt, die zum Teil auch bereits angelaufen sind. Die Untersuchungen zu Geothermie in Düdelingen sollen demnächst tatsächlich in einem Tiefenerdwärmeprojekt münden. Auf der Pressekonferenz schwärmte Claude Turmes bereits davon, dass mit ähnlichen Projekten „wohl die ganze Minette-Region über ein öffentliches Wärmenetz“ verfügen könnte. Jene, die nicht im warmen Süden wohnen, müssen sich mit einer Wärmepumpe zufrieden geben. Die ist seit dem 1. Januar 2023 die Referenztechnologie für Neubauten. Allerdings plant die Regierung vorerst kein Verbot von Öl- oder Gasheizungen. Nur wenn der sanfte Druck durch Mobilisierungskampagnen – große Medien, soziale Netzwerke und Werbeagenturen wird es freuen – nicht ausreicht, soll über ein Verbot nachgedacht werden.

Der Pnec wirkt in seiner jetzigen Form reichlich übers Knie gebrochen. An manchen Stellen gibt es Tippfehler, statt genauer Jahresangaben ist teilweise „20XX“ zu lesen und bei vielen Maßnahmen fehlen wichtige Details. Immerhin haben die Bürger*innen noch bis zum 16. Mai Zeit, sich durch die 308 Seiten des Plans zu kämpfen und anschließend ihre Stellungnahme auf Emwelt.lu abzugeben. Vielleicht kann dann auch die Klima-Plattform etwas zu dem Plan sagen: Die soll eigentlich alle wichtigen gesellschaftlichen Akteur*innen versammeln, wurde aber laut Méco überhaupt nicht zum Pnec befragt.

Wir müssen nicht wollen!

Ainsi, l’objectif climatique national à l’horizon 2030 dépasse la contribution contraignante demandée au Luxembourg en vertu de la modification du règlement (UE) 2018/842 dans le cadre du paquet « Ajustement à l’objectif 55 », qui retient un objectif de réduction de 50 % pour le Luxembourg. Le Luxembourg n’est donc pas tenu d’ajuster son objectif de réduction des émissions de gaz à effet de serre à l’horizon 2030 dans le cadre de la révision du PNEC.

Plan national intégré en matière d’énergie et de climat du Luxembourg pour la période 
2021-2030 – Avant-projet de mise 
à jour.

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