Neue Musik
: Surprise-Festival

Spektakuläres neben Grundsolidem, so lautet das Erfolgsrezept der „Rainy Days“, des alljährlichen Festivals für Neue Musik der Philharmonie. Dieses Jahr hat man die Veranstaltung unter das Motto „Suspense“ gestellt.

1345eventGroßer Saal der Philharmonie, Joseph Haydn, Sinfonie Nr. 94, 2. Satz, Andante. Die Streicher spielen ein einfaches, rythmisches Thema an. Die Spannung steigt, schließlich heißt die Sinfonie „mit dem Paukenschlag“ – bald muss er kommen. Wiederholung, diesmal mit Pizzicati untermalt, immer noch leise – da! Die meisten Zuhörer zucken leicht zusammen – auf der letzten Note des letzten Takts, ein Fortissimo gegen den Schlag, gerade dann, wenn man es nicht mehr erwartet.

Am 27. November kann man ausprobieren, wie gut Haydns List funktioniert – am besten den Spoiler bis dahin wieder vergessen. Das Konzert ist Teil des Rainy-Days-Festivals, das dieses Jahr dem Thema „Suspense“ gewidmet ist. Am gleichen Abend steht, neben der auch „The Surprise“ genannten Haydn-Sinfonie, noch Helmut Lachenmann auf dem Programm – „Festival für neue Musik“ oblige. Das Werk für Klavier und Orchester des 79-jährigen Avantgardisten besteht fast nur aus „Surprises“, überraschenden „Ausklängen“, die für den Zuhörer vielleicht anstrengend, aber nie langweilig sind. Interpret ist Pierre-Laurent Aimard.

Wie bereits 2010 wird Lachenmann seinen Geburtstag während des Festivals feiern, drei Stücke von ihm sind Teil des Programms, und „Ausklang“ wird er sogar persönlich kommentieren. Das dürfte Freunde der Neuen Musik entzücken – ist aber, wie Generaldirektor Stephan Gehmacher bei der Vorstellung des Programms betonte, „weniger leicht zu kommunizieren, als wenn die Wiener Philharmoniker oder Cecilia Bartoli kommen“.

Immerhin, das Rainy-Days-Team lässt sich immer wieder etwas einfallen. Dieses Jahr lag es nahe, beim Thema Spannung auf Alfred Hitchcock als Galionsfigur zurückzugreifen. Für die beiden Streifen „The Lodger“ und „Blackmail“ wird neue Filmmusik uraufgeführt, komponiert von Tatsiana Zelianko und Maja S. Ratkje. Um Hitchcock geht es auch bei der Oper „Private View“ mit Musik von Annelies van Parys – und um Fenster und Voyeurismus. „Private View“ geht im Grand Théâtre über die Bühne, mit „Blackmail“ wird das Festival am 24. November in der Cinémathèque eröffnet.

Einen – wortwörtlichen – Vor-Schuss bekommt man aber bereits am 20. im Foyer der Philharmonie zu sehen, wo der Performance-Künstler Georg Nussbaumer die erste von acht „Bogenübungen“ in Szene setzen wird: Als Zielscheibe wird dabei bis zum Abschluss am 29. ein Cello herhalten. Zwei weitere „Werke“ mit einer Sopranistin sowie Mozartkugeln bzw. einem Tauchbecken kann man am 25. und 26. erleben.

Performance-Charakter hat auch die Dokumentation der Zerstörung eines aus 25 Meter herabstürzenden Konzertflügels. Die Filmaufnahmen liefern den Hintergrund für das Klavierkonzert von Simon Steen-Andersen, bei dem die Spannung – 
wann stürzt der Flügel? – dem Staunen darüber weicht, wie kreativ die Klavier-Destruktion eingesetzt wird.

Diese Aufführungen, die alle etwas mit „Spannung“ zu tun haben, kommen ohne den Bezug auf Hitchcock aus, ebenso wie die Konzerte von Enno Poppe und dem Trio Recherche. Den Liebhabern dürfte es egal sein, ob die Konzerte wirklich zum Thema „Suspense“ passen oder ob die Veranstalter den Bogen einfach überspannt haben. Besonders freuen können sie sich auf das zweite Konzert von Aimard, der Solostücke von Karlheinz Stockhausen und Pierre Boulez spielt. Und auf den Geheimtipp des Festivals: Piccola Trama, aufgeführt im Mudam von den Noise Watchers, wobei der Komponist Luca Francesconi persönlich das Werk erläutert und anschließend dirigiert.

Vom 24. bis zum 29. November, 
größtenteils in der Philharmonie – 
Details: www.rainydays.lu

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