Observatoire de l’égalité entre les genres: Alle wollen mitreden

In den vergangenen Monaten erntete der Gesetzentwurf zum Observatoire de l’égalité entre les genres viel Kritik. Während die einen die Reproduktion der Genderbinarität und mangelnde Unabhängigkeit beklagen, warnen andere vor Cancel Culture.

Bringt das Observatoire de l’égalité des genres etwas Bewegung in die Gleichstellungsbemühungen der Regierung? (Public domain CC0 1.0)

Über zwei Jahre ist es mittlerweile her, dass Gleichstellungsministerin Taina Bofferding (LSAP) den Observatoire de l’égalité entre les genres vorstellte. Was zu diesem Zeitpunkt nur eine Webseite mit Statistiken in puncto Geschlechtergerechtigkeit war, wurde im Herbst 2022 durch einen entsprechenden Gesetzentwurf sowie ein „projet de règlement grand-ducal“ ergänzt: Dies soll eine legale Basis für die Beobachtungsstelle und den Conseil supérieur à l’égalité entre les genres schaffen.

Durch diese Initiative, so hieß es damals in der entsprechenden Pressenachricht, hoffe das Ministerium für die Gleichstellung von Frauen und Männern (Mega) künftig in verstärktem Maße faktenbasiert und nachhaltig arbeiten zu können. Die gesammelten Daten beziehen sich auf insgesamt sieben Bereiche: häusliche Gewalt, Arbeitswelt, Entscheidungsmacht, Work-Life-Balance, Bildung, Einkommen und Gesundheit. Es soll jedoch nicht beim bloßen Datensammeln bleiben, sondern die gewonnenen Erkenntnisse sollen unmittelbar in die Ausarbeitung politischer Maßnahmen einfließen.

Teil des Konzepts ist ein wissenschaftliches Begleitkomitee mit vier Missionen: Beratung in puncto Datenerhebung; methodologische und statistische Unterstützung; Ausweitung des Anwendungsfeld des Observatoriums; und die Organisation von Diskussionen über die Entwicklung der genderbezogenen Daten. Das Begleitkomitee setzt sich aus Stellvertreter*innen aus dem Mega, dem Statec, dem Liser, der Universität Luxemburg und der Generalinspektion der Sozialversicherung zusammen.

Der Conseil supérieur à l’égalité entre les genres wiederum soll das Mega auf Basis der gesammelten Daten bezüglich potenzieller Gesetzesänderungen beraten. Er hat zum Ziel, „d’étudier et d’aviser toutes les questions relatives à l’égalité entre les genres qui peuvent lui être soumises, ainsi que de présenter sur propre initiative au ministre ayant l’Égalité entre les femmes et les hommes dans ses attributions, des propositions d’amélioration concernant le sujet de l’égalité entre les genres“. Das Gremium setzt sich aus neun Personen zusammen. Fünf davon werden vom Mega genannt, bei den restlichen vier handelt es sich um jeweils eine*n Vertreter*in des Observatoriums und des CNFL, sowie zwei Vertreter*innen der Zivilgesellschaft.

Zu binär …

Im April äußerte sich das Centre d’égalité des traitements (CET) nun erstmals mit einem Gutachten zu dem Gesetzentwurf. Die Maßnahme wird zwar insgesamt begrüßt; dennoch überwiegt die Skepsis. Eine vorherrschende Kritik betrifft die verwendete Wortwahl. Während im Titel des Gesetzentwurfs von „Geschlechtern“ die Rede ist, bezieht sich das „exposé des motifs“ einzig auf Männer und Frauen. „Il aurait ainsi été opportun de clarifier ce que l’on entend exactement par ces différents termes repris dans le projet de loi“, urteilt das CET.

Eine ähnliche Kritik hatte zuvor auch schon der Conseil national des femmes du Luxembourg (CNFL) verlautbart. So steht in seinem am 30. März veröffentlichten Gutachten zu lesen: „C’est avec étonnement qu’il constate que même le Ministère en charge de l’égalité des sexes persiste à employer un langage sexiste, alors que ce même Ministère vient de lancer une vaste campagne de sensibilisation contre le sexisme.“ In den Augen des CNFL handelt es sich dabei um eine widersprüchliche Herangehensweise, ist die Gleichstellung zwischen cis Frauen und cis Männern doch explizit Aufgabe des Mega, die Gleichstellung aller weiteren Geschlechter jedoch jene des Familienministeriums (Mifa). Der CNFL nimmt dies zum Anlass, um die generelle Ausrichtung des Mega zu kritisieren: „Afin de respecter une approche non-binaire, il serait important que le Ministère à l’égalité puisse réellement avoir pour compétence l’ensemble des questions d’identité de genre.“

Auch dieser Kritik schließt sich das CET in seinem Gutachten an: „Le CET tient à souligner qu’il est pour le moins regrettable que le Ministère de l’Égalité entre les femmes et les hommes n’ait pas encore changé de dénomination alors qu’une telle appellation n’est malheureusement pas assez inclusive et a pour conséquence de faire perdurer une vision dualiste et sexuée de notre société.“

… nicht unabhängig genug …

Ein weiterer großer Kritikpunkt gilt der Zusammensetzung des Begleitkomitees einerseits und des Conseil supérieur à l’égalité entre les genres andererseits. In beiden Fällen veranlasst diese das CET zur Sorge, nicht unabhängig zu sein. Das CET bemängelt zudem, dass im Begleitkomitee keine „associations actives sur le terrain et possédant par conséquent une expertise établie“ erwähnt werden.

Dieser Aspekt ist auch dem Patronat sowie einigen der Sozialpartner des Mega ein Dorn im Auge. In den vergangenen drei Monaten hatten sowohl die Salariatskammer (CSL), als auch die Handelskammer und die Staatsbeamtenkammer in ihren jeweiligen Gutachten bedauert, nicht im Gleichstellungsrat vertreten zu sein.

Die Sozialpartner wollen beim Observatoire de l’égalité entre les genres mitreden, dürfen das aber nicht. (Lara Jameson /pexels)

Die Handelskammer etwa betont in ihrem Bericht die Rolle, die das Patronat einnehmen könnte: „Dans cette perspective, la Chambre de Commerce souhaite attirer l’attention sur le fait que les organisations d’employeurs peuvent jouer un rôle actif dans l’élaboration des recommandations en matière d’égalité entre les genres, y compris dans le domaine du droit de travail.“ Mit einer ähnlichen Argumentation unterstreicht die Salariatskammer, dass ihre Präsenz im Gleichstellungsrat unverzichtbar sei: „La CSL considère que la représentation gouvernementale, des organisations féminines et des organisations syndicales et patronales demeure indispensable pour lutter contre les inégalités de genre, en ce qu’ils sont directement associés à l’accomplissement de ladite mission.“ Was mit „organisations féminines“ gemeint ist, geht aus dem Geschriebenen nicht hervor.

Die Salariatskammer fragt darüber hinaus, auf Basis welcher Kriterien das Mega die fünf Mitglieder des Conseil supérieur à l’égalité entre les genres auswähle. „En tout état de cause“, so die Einschätzung der CSL, „il doit s’agir de personnalités qui disposent de compétences particulières en matière d’égalité entre les genres.“ Auch wünscht sich die CSL mehr Präzisionen bezüglich der beiden Vertreter*innen der Zivilgesellschaft. Auch hier sei es wichtig, dass es sich um Mitglieder von Organisationen handele, die sich mit Geschlechtergerechtigkeit befassten.

Im Gegensatz zur Handelskammer äußert die Salariatskammer auch im Hinblick auf die Zusammensetzung des Begleitkomitees Bedenken: „Les partenaires sociaux ont toujours joué un rôle important dans l’égalité entre les femmes et les hommes en promouvant un processus inclusif de fixation des salaires, en s’employant à prendre des mesures spécifiques en faveur de l’égalité salariale et en renforçant la participation des femmes à la prise de décisions.“

Auch der Gemeindesyndikat Syvicol bedauert in seinem Gutachten, in keinem der beiden Gremien vertreten zu sein. Dies sei vor allem deshalb bedauerlich, weil in den Gemeinden alleine aufgrund der zahlreichen Gleichstellungsbeauftragten ein großes Know-How in puncto Genderpolitik vorhanden sei. Dabei argumentiert das Syvicol vor allem mit der Rolle, die den Gemeinden bei der Umsetzung von Gleichstellungsmaßnahmen zukommt: „Cette demande devient encore plus pressante si on prend en considération que les propositions et recommandations émises par les deux organes en question devront être mises en œuvre, du moins en partie, au niveau communal.“

… und unvollständig

Weitere Bedenken, die sich wie ein roter Faden durch die Gutachten ziehen, betreffen die Themen, denen sich der Observatoire widmet. Der CNFL moniert, dass nur häusliche Gewalt, nicht aber Gewalt allgemein unter die Lupe genommen werde. Die Salariatskammer bedauert ihrerseits, dass den Bereichen „Medien“ und „Werbung“ kein Platz eingerümt wurde: „En effet, l’une des fonctions des médias est de véhiculer des valeurs, dont le principe de l’égalité de traitement entre les femmes et les hommes fait partie. Ceci est d’autant plus important que par la diffusion d’images, les médias ont le pouvoir d’exercer une réelle impression sur l’opinion publique.“

Auch wenn einige der genannten Instanzen dem Gesetzentwurf in seiner aktuellen Form die Zustimmung verwehren, so tun sie dies nicht aus anti-feministischen Gründen. Die Chambre des foctionnaires et des employés tanzt in dieser Hinsicht aus der Reihe. Erst regt sie sich in ihrem Gutachten eine ganze Seite lang über gendergerechte Sprache auf – obwohl der Gesetzentwurf im generischen Maskulinum verfasst ist – und warnt abschließend vor rein ideologisch begründeten Maßnahmen. „Il est fort regrettable qu’il y ait actuellement une tendance croissante vers une vie en société où chacun se sent offensé et personnellement attaqué par tout, et où l’on juge rapidement et tire des conclusions hâtivement, façon de faire qui nuit gravement au respect d’autrui et à la vie en commun.“ Dem Vorhaben des Mega stellt sich die Staatsbeamtenkammer dennoch nicht in den Weg.

Insgesamt fallen die Reaktionen also eher gemischt aus und das Mega wird wohl nicht daran vorbeikommen, an der einen oder anderen Stelle nachzubessern.


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