Öffentlicher Transport: Qualität zum Nulltarif

Auch wenn sich die Koalition uneins ist, welches Ziel damit verfolgt werden soll: Der Gratistransport kommt am 1. März 2020.

Foto: MMTP

Er habe sich zu dem Thema lange zurückgehalten, so François Bausch (Déi Gréng) anlässlich seiner Pressekonferenz zur Einführung eines unentgeltlichen öffentlichen Transports am vergangenen Montag. Gleich vorweg erklärte er auch, was die „gratuité“ nicht erreichen soll: mehr Leute in Busse und Bahnen zu locken.

Es sei vielmehr eine soziale Maßnahme,  bei der Niedrigverdiener*innen gleich doppelt profitieren: Zum einen bräuchten sie ab März 2020 kein Jahresabo von 440 Euro mehr zu zahlen. Zum anderen werde das so entstehende Finanzloch von jährlich 41 Millionen Euro durch Steuereinnahmen gestopft, an denen diese sich, wenn überhaupt, in viel geringerem Maße beteiligen als Großverdiener*innen. Der Deckungsgrad öffentlichen Transports hatte sich in den letzten Jahren ohnehin ständig nach unten bewegt und belief sich zuletzt auf etwa sechs Prozent.

Das Ziel, mehr Leute in Richtung ÖPNV zu locken, gelte es dennoch zu verfolgen, aber eher durch eine Verbesserung des Angebotes und der Qualität.

Bauschs ehemalige Gewerkschaft FNCTTFEL hatte vor dem „Héichhaus“, dem Sitz des Transportministeriums, einen Protestpiquet organisiert, um ihr „deutliches Nein“ zu den Regierungsplänen zu bekunden. Sie ließe sich erst erweichen, wenn es einen neuen „contrat de service public de transport“ gäbe, mit 15 Jahren Laufzeit und einer Garantie für massive Neueinstellungen.

Währenddessen erläuterte der Minister 22 Etagen höher, was er alles in Sachen Qualitätssteigerung im Visier hat. So sind allein bei der Bahn Investitionen in Höhe von 2,23 Milliarden Euro bis 2023 geplant. Davon 400 Millionen für neue Züge – die größte Einzelausschreibung in der Geschichte der CFL. Der Ausbau der Tram wird bis 2023 mit 388 Millionen veranschlagt, zuzüglich bereits angedachter, aber noch nicht beschlossener Ausbaustrecken.

Parallel dazu sollen auch die RGTR-Busdienste reorganisiert und ausgebaut werden. Ab 2030 sollen nur noch Fahrzeuge mit Null-Emissionen im öffentlichen Busnetz verkehren.

Das Stichdatum für die Einführung des Nulltarifs wurde auf den 1. März 2020 – einen Sonntag – festgelegt. Eine Übergangsfrist, die es erlaubt, bereits bestehende Abonnements abzufahren, ohne dass eine komplizierte Rückvergütungsaktion geplant werden muss.

Außerdem sollen bis dahin noch offene Fragen geklärt werden, auch inwieweit die Stadt Luxemburg mitspielt. Sie könnte theoretisch, im Sinne der Gemeindeautonomie, die von ihr in Eigenregie organisierten Buslinien weiterhin kostenpflichtig betreiben. Das wäre aber desaströs für das Gesamtsystem aus dem die hauptstädtischen AVL-Busse nicht wegzudenken sind. So manche „Gratis“-Fahrt würde dann, wegen einer Teilstrecke, doch wieder Geld kosten.

AVL mit an Bord

Allerdings erachtete weniger als 48 Stunden später die Stadtbürgermeisterin Lydie Polfer (DP) beim monatlichen City-Breakfast es als selbstverständlich, dass die Stadt beim Gratistransport mitmacht. Das gelte auch für den städtischen Koalitionspartner. Anders als der Minister sieht Lydie Polfer, so wie es auch im Wahlprogramm ihrer Partei angedacht war, vor allem aber einen Anstieg der Fahrgastzahlen als Ziel.

Wenige Tage zuvor hatte der erste Schöffe Serge Wilmes (CSV) in einem YouTube-Film seiner Partei noch seine Bedenken geäußert und verlangt, es solle erst mit den Gemeinden, die einen eigenen Busdienst betreiben, gesprochen werden, ehe die Einführung des Nulltarifs in die Wege geleitet würde.

Ähnlich wie die Transportgewerkschaften will die CSV in ihrem Film zuerst die Qualität des ÖPNV verbessert sehen – pünktliche und saubere Busse und Bahnen seien eine bessere Werbung für Luxemburg als nur die Fahrten damit gratis zu machen.

Auch die Gewerkschaften scheinen ihre Fundamentalopposition aufgegeben zu haben. Immerhin hat der Minister neben den erwähnten hohen Investitionsversprechen auch der Forderung nach einer Arbeitsplatzgarantie für die Kontrolleur*innen nachgegeben – aus Sicht des Ministers stand die aber ohnehin nie in Frage.


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