Plastik: Wohin mit all dem Müll?

Mit strengeren Regeln will die EU das Plastikproblem lösen. Eine Analyse des Europäischen Rechnungshofes zeigt, dass das schwieriger wird als bisher angenommen.

In Ländern mit Pfandsystem werden 80 Prozent der 
PET-Flaschen eingesammelt. Es sieht so aus, als wäre 
dem auch bald in Luxemburg so. (Foto: CC-BY-SA-NC United Nations Development Programme in Europe and CIS)

Plastik ist aus unserem Alltag nicht wegzudenken und gerade in der Covid-19-Pandemie hat sich gezeigt, dass wir nicht so einfach auf viele Kunststoffprodukte verzichten können. Trotz aller Bemühungen und einem doch recht großen Problembewusstsein in der Bevölkerung sind wir noch weit von einer Kreislaufwirtschaft entfernt. Bereits 2018 hat die EU einige Maßnahmen, wie ein Verbot mancher Einwegplastikprodukte, beschlossen, um das Plastikproblem zu lösen. Ein Bericht des Europäischen Rechnungshofes verdeutlicht, wie schwierig die Umsetzung sein wird: Schlechte Datenlage, illegale Mülltransporte und neue, strengere Regulierungen werden das Problem vorerst verschärfen.

Die Plastiknachfrage ist gewaltig, Plastik gilt als beliebtester Werkstoff der Welt. Die Hälfte von allem je hergestellten Kunststoff wurde in den letzten 15 Jahren produziert. Dabei ist die Lebensdauer oft sehr kurz: Verpackungen werden im Durchschnitt lediglich ein halbes Jahr lang genutzt, bis sie auf dem Müll landen. 24 Kilo Plastikverpackungen haben EU-Bürger*innen im Jahr 2016 pro Kopf verursacht, in Luxemburg sind es sogar 50 Kilo pro Kopf.

Verpackungsmaterialien stellen innerhalb der EU den größten Anteil des Kunststoffmülls: Sie machen 61 Prozent des Plastikabfalls aus, obwohl sie lediglich 40 Prozent der Plastikproduktion betragen. Während Metall, Glas, Papier und Karton eine hohe Recyclingquote aufweisen, liegt sie beim Plastik lediglich bei 42 Prozent. Diese Zahl ist vermutlich noch zu hoch, wie der Europäische Rechnungshof in einer Analyse zu Plastikabfall, die diese Woche erschienen ist, darlegt.

Verbrannt statt recycelt

Grundsätzlich ist die Datenlage innerhalb der EU nicht sehr gut: Unterschiedliche Erfassungsmethoden führen zu inkohärenten Berichten. 2018 wurde eine neue, strengere Berechnungsmethode eingeführt, die für genauere und harmonisierte Daten sorgen soll. Die Recyclingquote könnte demnach auf etwa 29 Prozent „sinken“ – nicht weil weniger Plastik recycelt wird, sondern weil die Berechnung genauer ist.

Was nicht zu neuen Produkten verarbeitet wird, landet zu einem Viertel auf einer Deponie – der Rest wird „thermisch verwertet“, also verbrannt und mit etwas Glück zumindest zur Energiegewinnung genutzt. Die Zielvorgabe lautet seit 2018: Bis 2025 müssen die EU-Mitgliedstaaten die Hälfte ihrer Kunststoffverpackungsabfälle recyceln, bis 2030 sollen es 55 Prozent sein. Dazu muss nicht nur gewährleistet sein, dass Plastikabfall getrennt gesammelt wird, sondern es müssen auch Kapazitäten in Europa vorhanden sein, um aus dem Verpackungsmüll wieder einen Rohstoff zu machen.

Der Export von Plastikabfall gestaltet sich nämlich zunehmend schwieriger. Seit Anfang 2018 herrscht in China dafür ein Einfuhrverbot, was den Entscheidungsprozess in Europa beschleunigt hat. Der Export von Plastikmüll ist seitdem etwas gesunken: Statt 2,55 Millionen Tonnen 2017 wurden 2019 noch 1,72 Tonnen Kunststoffmüll exportiert. Andere asiatische Länder übernahmen Chinas bisherige Rolle: Die Plastikmüllexporte nach Thailand stiegen beispielsweise um das Achtfache. Andere wichtige Bestimmungsländer sind die Türkei, Taiwan, Indonesien und Malaysia.

Allerdings werden ab 2021 neue internationale Regeln gelten, die die meisten Kunststoffverpackungsabfälle mit sogenannten gefährlichen Abfällen gleichsetzen. Das „Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung“ sieht vor, dass ab dem Stichdatum lediglich vorsortierte, nicht kontaminierte recycelbare Kunststoffe als ungefährlich gelten. Die EU muss sich also schnell etwas einfallen lassen, wie einerseits Plastikmüll reduziert, andererseits mehr davon recycelt werden kann.

Niemand will unseren Müll

Die Lösung liegt ja eigentlich recht nahe: die Hersteller stärker in die Verantwortung nehmen. Tatsächlich sind nämlich einige große Konzerne für einen gewaltigen Teil des Plastikmülls verantwortlich. So produziert Coca-Cola weltweit rund 88 Milliarden Tonnen Einweg-Plastikflaschen. In vielen europäischen Ländern müssen die Hersteller von Kunststoffverpackungen eine Gebühr für die Entsorgung ihrer Produkte bezahlen, die auf das Gewicht berechnet wird. Das hat jedoch nicht zu den gewünschten Ergebnissen geführt.

Das Durchschnittsgewicht einer Halbliterflasche aus PET lag im Jahr 1990 noch bei 24 Gramm, 2013 hatte sich das auf 9,5 Gramm verringert. Allerdings sind diese Flaschen oft weniger gut recycelbar, da sie aus mehreren Schichten bestehen, für die unterschiedliche Kunststoffe verwendet wurden. Es fällt zwar weniger Plastikmüll an, der ist jedoch weniger gut wiederverwertbar. Um diesem Problem entgegenzuwirken, hat der niederländische Verpackungsabfallfonds ein Bonussystem eingeführt. Verpackungen, die besonders gut recycelbar sind, können von niedrigeren Gebühren profitieren. Somit verschwindet der Anreiz, ein Schlupfloch zu finden, und die Kosten für die Weiterverwertung sinken.

Der Europäische Rechnungshof spricht sich in seiner Analyse ebenfalls für ein System aus, das in Luxemburg bislang von der Politik eher abgelehnt wurde: Ein Pfandsystem für PET-Flaschen. In Ländern, in denen solche System bestehen, werden durchschnittlich über 80 Prozent der PET-Flaschen gesammelt – in der gesamten EU liegt der Durchschnitt lediglich bei 58 Prozent. Noch im Februar 2020 gab sich Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) in einer Antwort auf eine parlamentarische Frage von Jeff Engelen (ADR) sehr skeptisch gegenüber der Einführung eines Plastikflaschenpfandes.

Foto: CC-BY-SA Nino Barbieri/Wikimedia

Flaschenpfand als Lösung?

Dieschbourg argumentierte, durch ein Pfand auf Einwegflaschen würde nicht weniger Müll produziert, sie wolle sich lieber auf europäischer Ebene für mehr Mehrwegflaschen einsetzen. Dabei hat das Pfandsystem in Deutschland dazu geführt, dass dort stabilere PET-Flaschen zum Einsatz kommen, die mehrmals benutzt werden. Mittlerweile scheint sich das Blatt jedoch gewendet zu haben.

Am 23. September präsentierte die Umweltministerin nämlich ihre neue „Null Offall“-Strategie, in der sich ein Verweis auf ein Plastikflaschenpfand findet. Viele Details finden sich in der Strategie dazu nicht – das System soll mit Belgien und den Niederlanden gemeinsam auf die Beine gestellt werden. In ihrer Antwort auf Engelens Frage schrieb Dieschbourg im Februar übrigens auch, dass die spezielle geografische Situation Luxemburgs die Einführung eines solchen Systems nicht unbedingt vereinfache. Nicht nur Menschen reisen täglich von und nach Luxemburg in die Großregion, sondern auch ihr Müll. Während man Altpapier überall in Europa in einen Altpapiercontainer schmeißen kann, kann man Pfandflaschen nur dort wieder zurückgeben, wo man sie gekauft hat.

Mit Recycling alleine ist es jedoch nicht getan. So gut es wäre, wenn jede Plastikflasche wiederverwendet würde, Recycling kostet immer auch Geld und Energie. Besser wäre es also, wenn der Müll erst gar nicht anfiele. Auch für andere Produkte als Getränke könnten wiederverwendbare Verpackungen, die nicht nach dem Auspacken gleich im Müll landen, die Lösung sein. Auch solche Konzepte sind Teil der „Null Offall“-Strategie – zumindest als angedachte Pilotprojekte. Bis dahin bleibt umweltbewussten Menschen nur der Rückzug ins Private mit Stahlstrohhalm und wiederverwendbarer Wasserflasche – oder der politische Kampf gegen den Plastikmüllberg.


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