Die luxemburgische Buchbranche läutet am Wochenende die Herbstsaison ein. Eine Gelegenheit, um mit dem Präsidenten der Lëtzebuerger Bicherediteuren, Ian De Toffoli, und dem Programmleiter von Reading Luxembourg, Marc Rettel, auf die nationale Literaturszene im Krisenjahr zurückzuschauen.
Für die Literaturwelt ist es wie ein Jahr ohne Geburtstagsfest: Die Walfer Bicherdeeg, Auftakt der literarischen Herbstsaison, fallen 2020 aufgrund der sanitären Krise aus. Die Veranstaltung, die seit 2002 im aktuellen Format stattfindet, ist ein fester Termin im luxemburgischen Literaturkalender. Ein Wochenende lang dreht sich dort alles rund um Luxemburgs Literaturszene. Die hat in Sachen Lizenzverkäufe zwar Erfolgsgeschichten parat, gerät national allerdings ins Straucheln und ist auf eine Alternative zu der beim Publikum sehr beliebten Veranstaltung angewiesen.
„Dieses Jahr kamen durch die Zusammenarbeit mit einer Foreign Rights Agentin, die ungefähr zwölf luxemburgische Verlagshäuser im Ausland vertritt, bereits zehn Verträge zum Verkauf von Lizenzen zustande. Zwei weitere sind drauf und dran unterschrieben zu werden – obwohl viele große internationale Buchmessen und Festivals aufgrund der sanitären Krise abgesagt wurden“, sagt Marc Rettel, Programmleiter der literarischen Exportplattform Reading Luxembourg. Es sei jetzt wichtig, neue Wege einzuschlagen, wie es die Frankfurter Buchmesse dieses Jahr mit ihrer digitalen Ausgabe vorgemacht habe, und nicht nur auf traditionelle Austauschplattformen zu setzen. „Auch wenn nicht alles hundertprozentig ausgereift ist, so geraten Steine ins Rollen, die sicherlich zu nachhaltigen Weiterentwicklungen der Branche führen. Wir müssen den neuen Konzepten Zeit geben, um genutzt zu werden, sich zu verbessern und zu etablieren. In einem Jahr können wir eine Bilanz ziehen.“
Zeitgleich kämpfen die nationalen Verlagshäuser hierzulande um die Vermarktung ihrer Neuerscheinungen und mit finanziellen Verlusten. „Es ist wirklich eine furchtbar schwere Zeit, um Bücher zu veröffentlichen. Den Buchläden fehlt es für Lesungen an Platz und sie in Cafés zu machen ist zurzeit nicht leicht. Und trotzdem will man nicht aufgeben“, sagt Ian De Toffoli, Präsident der Lëtzebuerger Bicherediteuren. Die fehlenden Werbemöglichkeiten, der Lockdown im Frühjahr, die seit Monaten angespannte wirtschaftliche Situation – das alles schlägt sich auf die Verkaufszahlen nieder. „Die meisten nationalen Verlagshäuser verkaufen derzeit gerade mal einen Drittel von dem, was sie sonst verkaufen. Allein die Einnahmen bei den Walfer Bicherdeeg machen für viele mindestens ein Drittel des Jahreseinkommens aus“, hält De Toffoli fest. „Wir können uns noch glücklich schätzen, dass die Buchläden offen haben. Ich will nicht wissen, wie viele wunderbare Buchläden in Frankreich gerade vor dem Aus stehen – und Jeff Bezos lacht sich ins Fäustchen.“ Während Bezos’ Amazon weiterhin Bücher um die Welt schickt, sind Frankreichs Buchläden und die Buchabteilungen in Supermärkten seit der im Oktober verhängten Ausgangssperre bis auf weiteres geschlossen. Das führte zu hitzigen Debatten über die Systemrelevanz von Literatur.
Letztere soll durch die Rentrée littéraire in Luxemburg bestätigt werden. De Toffoli und Rettel ist es wichtig, gerade jetzt, wo die nationale Buchmesse ausfällt, auf Neuerscheinungen aufmerksam zu machen und ein starkes Moment der luxemburgischen Literatur zu schaffen. „Auch ohne die Walfer Bicherdeeg gibt es eine Rentrée littéraire. Es lag mir am Herzen als Reading Luxembourg mit weiteren Partnern rund ums Buch zusammenzufinden, um zu versuchen, die Aufmerksamkeit auf die Bücher luxemburgischer Autoren und der luxemburgischen Verlagshäuser zu lenken“, betont Rettel. „Wir wollen Lust wecken, in die Buchhandlung zu gehen, viel Neues zu entdecken, sich beraten zu lassen und natürlich auch dort einzukaufen.“
In dem Zusammenhang wurde am Donnerstag, dem 19. November, der Lëtzebuerger Buchpräis in der Nationalbibliothek vergeben. Die Sieger*innen waren bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Die Verleihung wurde über mehrere Kanäle online übertragen. An diesem Samstag, dem 21. November, setzen teilnehmende Buchhandlungen Literatur aus Luxemburg in Szene – in ihren Schaufenstern, bei kleinen Events in den Läden sowie online. Der Verlag und Kinder- und Jugendbuchladen Bicherhaischen stellt ebenfalls an diesem Samstag von 9 bis 17 Uhr die Original-Illustrationen von Marie-Isabelle Callier aus dem Buch „Eng Hand voll Gléck“ in Senningen (8, um Kiem) aus. Das Bilderbuch von Martine Horsmans erschien im Oktober 2020 im Verlag Bicherhaischen und thematisiert eine Mutter-Kind-Beziehung. Tullio Forgiarini unterschreibt am Samstag, von 14 bis 16 Uhr, seinen neuen Roman „Céruse“ (Hydre) in der Buchhandlung Alinéa (5, rue Beaumont) in Luxemburg-Stadt. Weitere Veranstaltungen sind in der Agenda auf der Website von Reading Luxembourg vermerkt.
Der Radiosender 100,7 widmet sich am 21. und am 23. November den Preisträger*innen des Lëtzebuerger Buchpräis. Am 21. November gibt es von 12 bis 13 Uhr ein Rundtischgespräch zu Literatur aus Luxemburg sowie anschließend die Sendung „Hélala“ mit der oder dem Gewinner*in der Kategorie Kinderbuch. Am 23. November, um 14:40 Uhr, ist die oder der Buchpreisträger*in der Kategorie Literatur in der Sendung „Am Gespréich“ zu Gast.
Wem das zu viel Gerede ist: Das Centre national de littérature verteilt an diesem Sonntag, dem 22. November Kamellen. Wer sich für den Newsletter des Literaturzentrums anmeldet, erhält über den Tag verteilt digitale „Lieskamellen“, unter anderem von Nora Wagener, Anja Di Bartolomeo, Carla Lucarelli und dem Nachwuchstalent Antoine Pohu.