Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hält an der Politik der Integration des rassistischen Milieus fest. Dabei wird immer deutlicher, dass sich seine Partei mit diesem Kurs selbst abschafft.
„Ich sehe die Ostdeutschen als Seismographen. Hier formt sich eine öffentliche Meinung, die sich später oft bundesweit durchsetzt“, hatte der seit Dezember amtierende sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) vor drei Jahren erklärt. „Was gestern als Unverschämtheit galt, ist heute Gesetz“, schob Kretschmer damals stolz hinterher, mit Blick auf Forderungen der sächsischen CDU nach weiteren Verschärfungen des Asylrechts, die sich später in den verschiedenen „Asylpaketen“ der Bundesregierung wiederfanden.
Brandanschläge in Plauen, Gewalt gegen Geflüchtete in Wurzen: Angesichts des rassistischen und ausländerfeindlichen Klimas in Sachsen sollte Kretschmers Drohung noch viel umfassender ernst genommen werden, wie der Journalist und Soziologe Thorsten Mense in einem Beitrag in der Printausgabe der woxx von kommendem Freitag argumentiert. Als „shooting star“ der sächsischen CDU habe Kretschmer bereits 2015 proklamiert, dass es neben seiner Partei „rechts nichts Demokratisches geben darf. Wir müssen alle integrieren“.
Damit übernehme Kretschmer das altgediente Rezept der sächsischen CDU, wo Feuer ist, mit Benzin zu löschen „Die von der CDU seit Jahren in Anpassung an die sächsischen Verhältnisse praktizierte rechte Politik hat nicht die Rassisten zivilisiert, sondern eine rechte Hegemonie geschaffen“, so Mense: „Statt den braunen Sumpf auszutrocknen, wie es Kretschmer 2015 im Bundestag nach den rassistischen Pogromen in Sachsen gefordert hatte, steht die CDU knietief darin und schaut zu, wie die sächsischen Verhältnisse fortwährend schlimmer werden. Mit ihrem stolzen Gerede von Heimat und Identität hat sie den Boden bereitet, auf dem nun die Gewalt gedeiht.“
Hetze und Heimatgefühl
Gleichwohl sei Michael Kretschmer offenbar fest entschlossen, seine Politik der Integration des rassistischen Milieus fortzuführen, so Mense. Dies, obwohl immer deutlicher werde, dass sich seine Partei mit diesem Kurs selbst abschafft: „Die CDU kann als ‚Altpartei‘ das völkische Bedürfnis nicht befriedigen.“
So werde die sächsische Union nach den Landtagswahlen im Sommer 2019 möglicherweise nicht nur vor der Frage stehen, ob sie entgegen den bisherigen Erklärungen doch mit der AfD koaliert, sondern sogar vor der, ob sie bereit ist, als Juniorpartner einem AfD-Ministerpräsidenten zu dienen, meint Mense.
Sollte auf Bundesebene die Große Koalition zustande kommen, könnte Horst Seehofer (CSU) als erster Heimat– und Innenminister wesentlich dazu beitragen, dass Kretschmers These vom Modellcharakter Sachsens weitere Belege erhält. Von der Ablehnung der „Ehe für alle“ über Forderungen nach Obergrenzen bis zur Bewunderung für Viktor Orbáns Grenzzäune habe Seehofer vieles mit Kretschmer gemeinsam, schreibt Mense. So könnte sich bald zeigen, dass die sächsischen Verhältnisse längst auch die deutschen sind.
Den Beitrag von Thorsten Mense lesen Sie am Freitag in der gedruckten Ausgabe der woxx.