Slowakei: Putinfreund unter Druck

Die Proteste gegen die slowakische Regierung weiten sich aus. Sie richten sich vor allem gegen die kremlnahe Politik des populistischen Ministerpräsidenten Robert Fico.

Hat Putin die Slowakei als Ort für Friedensverhandlungen mit der Ukraine angeboten: Premierminister Robert Fico (links) im vergangenen Dezember zu Besuch beim russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau.(Foto: EPA-EFE)

Seit Wochen gibt es in der gesamten Slowakei Massenproteste gegen die Regierung des Ministerpräsidenten Robert Fico von der Partei „Smer – slovenská sociálna demokracia“ („Richtung – slowakische Sozialdemokratie“), dem Namen nach eine sozialdemokratische Partei, die aber populistische und nationalkonservative Positionen vertritt. Das Motto dieser Proteste lautet „Die Slowakei ist Europa“, die Demonstranten riefen „Rücktritt, Rücktritt“ an Fico adressiert. Der Unmut richtete sich vor allem gegen den putinfreundlichen Kurs der aktuellen Regierung des EU-Mitgliedsstaats.

Am 8. Februar nahmen schätzungsweise 110.000 Menschen an abendlichen Demonstrationen in 41 slowakischen und 13 weiteren europäischen Städten teil. Es handelt sich um die größten Demonstrationen im Land seit dem Auftragsmord am Investigativjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová 2018, in deren Folge Fico, der damals bereits zum zweiten Mal Ministerpräsident war (von 2006 bis 2010 sowie seit 2012), zurücktreten musste. Kuciak hatte über Verstrickungen von Regierungskreisen mit der italienischen Mafia recherchiert.

Seit Oktober 2023 ist Fico wieder an der Macht, mit einem Regierungsbündnis aus seiner Smer, der etwas gemäßigter ausgerichteten Partei „Hlas“ („Stimme“; eine Abspaltung von Smer) und der rechtsextremen „Slovenská národná strana“ („Slowakische Nationalpartei“; SNS). Seitdem verfolgt die Slowakei nach dem Vorbild des Nachbarlands Ungarn politisch einen autokratischen und kremlnahen Kurs: Insbesondere die Politik der Kulturministerin Martina Šimkovičová (nominiert von der SNS, aber nicht Parteimitglied) sorgte von Anfang an für Unmut in der Bevölkerung. Sie forcierte die Zusammenarbeit mit russischen und belarussischen Kulturinstitutionen, feuerte beliebte Direktoren staatlicher Kultureinrichtungen und ersetzte sie durch Gleichgesinnte. Außerdem regte sie die Umwandlung des öffentlichen Rundfunks in eine Art Staatsfunk an.

„Es ist spannend, zu sehen, wie unglaublich lebendig die Zivilgesellschaft in der Slowakei geworden ist.“ – der Schriftsteller Michal Hvorecký

Šimkovičová ist gut bekannt im Milieu der Verschwörungstheoretiker. Im Januar 2024 schrieb sie in den sozialen Medien, LGBT-Organisationen könnten nicht länger vom „Geld des Kulturministeriums parasitieren“. Im Sommer behauptete sie sogar: „Europa stirbt aus, es werden keine neuen Kinder mehr geboren, weil alle LGBTQI sind, und es ist interessant, dass dies nur der weißen Rasse passiert.“

Schon im vergangenen Winter kam es zu Protesten wegen einer Strafrechtsreform, die Fico im Schnellverfahren durch das Parlament bringen wollte. Im Mai erschütterte dann ein Mordanschlag auf Fico die Slowakei: Ein 71-jähriger wenig bekannter Dichter ohne klares politisches Motiv schoss auf ihn und verletzte ihn schwer. Noch aus seinem Krankenzimmer behauptete Fico, der Attentäter sei ein „Agent der Opposition“ gewesen, und drohte progressiven Politikern, Medien und NGOs.

Nachdem Fico schon zuvor mit vehement antiukrainischem Gerede aufgefallen war, besuchte er Wladimir Putin am 22. Dezember 2024 im Kreml. Im Mittelpunkt des Gesprächs standen die russischen Gaslieferungen, die die Slowakei zu diesem Zeitpunkt nach wie vor über die Ukraine bezog. Der Transit von russischem Gas wurde aber zum 1. Januar dieses Jahres eingestellt, nachdem der alte Transitvertrag ausgelaufen war. Fico bot Putin bei dieser Gelegenheit Friedensverhandlungen in der Slowakei an – viele slowakische Bürger und Bürgerinnen und Oppositionsparteien waren empört.

Der slowakische Schriftsteller Michal Hvorecký sagte der „woxx“: „Der Hauptunterschied zwischen den Protesten von vergangenem und von diesem Jahr ist das Thema: Letztes Jahr waren das vor allem die Kulturpolitik der neuen Kultusministerin und die ganzen Entlassungen in den Kulturinstitutionen. Seit Dezember, seit Ficos Besuch in Moskau und seiner Ablehnung der Zusammenarbeit mit Kiew, ist es die Geopolitik.“ Hvorecký zufolge geht es um die Zugehörigkeit der Slowakei zur EU und zur Nato. Die slowakische Gesellschaft beunruhige nicht nur Ficos kremlnahe Politik, sondern auch der Besuch der Abgeordneten von SNS und von Smer in Moskau einige Tage nach Fico.

Die Demonstrationen sind deutlich größer geworden. Vergangenes Jahr waren sie auf die Hauptstadt Bratislava konzentriert. Jetzt ist eines der Protestzentren die Stadt Banská Bystrica in der Nähe der zentralslowakischen Stadt Handlová, wo Fico angeschossen wurde. „Es ist vor allem Kritik an Fico und Kritik an der Regierungsarbeit sowie daran, wie die Koalition arbeitet, der Fokus liegt dabei aber auf der Geopolitik“, ordnet Hvorecký die Proteste ein. Es gebe eine große Zustimmung zur Zugehörigkeit zur EU. „Es gibt Europa-Flaggen, es ist oft die Europa-Hymne zu hören. Es ist sehr bunt und sehr vielfältig.“

Für Freitag sind dem Schriftsteller zufolge Demonstrationen in 60 Städten angemeldet. „Es ist spannend, zu sehen, wie unglaublich lebendig die Zivilgesellschaft in der Slowakei geworden ist“, sagt er. „In den 1990er-Jahren passten alle Oppositionellen in ein kleines Theaterhaus mit 200 Plätzen. Heute sind es allein in Bratislava 40.000 bis 45.000 Menschen. Und in Banská Bystrica 10.000, in Košice 15.000. Das ist riesig geworden.“ Fico sei wirklich unter Druck. „Das ist jetzt eine entscheidende Zeit für seine Regierung, die sehr, sehr schwach geworden ist, die Koalition sehr wackelig.“ Das werde sicher ein „heißer Frühling“ in der Slowakei.

Yelizaveta Landenberger arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Ostslawische Literaturen und Kulturen der Humboldt-Universität zu Berlin; sie ist außerdem als Journalistin und Übersetzerin tätig.

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