Die verworrene Sprachensituation in Luxemburg ist eine Debatte wert, doch angesichts der mitschwingenden rassistischen Untertöne vergeht einem ganz die Lust am Diskutieren.
Die Welt könnte so einfach sein. Dort die „frankophile“ Elite, realitätsfremd und selbstbezogen, hier das „einfache Volk“, das mit aller Kraft seine Identität und Sprache verteidigt und der sprachlichen Großmacht Frankreich die Stirn bietet. Oder, andersherum, dort der ungebildete und rassistische „Lëtzeboia“, der zwar von anderen verlangt, seine Sprache einwandfrei zu beherrschen, selber aber keine drei Wörter ohne Fehler schreiben kann. Und hier das gebildete, weltoffene und urbane Bildungsbürgertum, das problemlos zwischen drei, vier Sprachen hin und her „switcht“ und für sprachenpolitische Forderungen nur Unverständnis hat.
Doch so einfach ist die Sache nicht. Die durchaus verworrene Sprachensituation in Luxemburg stellt für viele, ganz verschiedene Menschen und Gruppen eine Herausforderung dar. Für die LuxemburgerInnen, für die die Benutzung des Französischen eine scheinbar unüberwindbare Hürde darstellt, sind sie doch seit ihrer Jugend traumatisiert durch Franzö- sischkurse, in denen es mehr um Molière und Flaubert als um einfachste Alltagssprache ging. Aber auch für die Kinder portugiesischer EinwandererInnen, die das allzu präsente Deutsch den Schulabschluss gekostet hat. Oder für die Neuankömmlinge, denen der alltägliche Sprachenwirrwarr jede Lust am Erlernen auch nur einer der drei wichtigsten Sprachen nimmt. Und schließlich für die GrenzgängerInnen, die es nach dem Acht-Stunden-Tag in der Bäckerei und insgesamt dreistündiger An- und Rückfahrt nicht auch noch auf die Reihe kriegen, einen Luxemburgisch-Kurs zu belegen.
Nun ist es ja nicht so, dass die Sprachenvielfalt nicht auch ihre positiven Seiten hätte – ganz im Gegenteil. Wer in Luxemburg die Schule besucht hat, kann in der Regel ohne Verständigungsprobleme quer durch Europa und große Teil der Welt reisen. Bei der Jobsuche erweist sich die Mehrsprachigkeit in der Regel als großes Plus, und TouristInnen, die Luxemburg besuchen, sind immer wieder fasziniert vom sprachlichen – und kulturellen – Melting-Pot, wie er vor allem in der Hauptstadt zu erleben ist.
Doch nur, wer quasi „von zuhause aus“ und von Geburt an auch die nötige Bildung und kulturelle wie sprachliche Affinität mit auf den Weg bekommen hat oder es sich zeitlich und finanziell leisten kann, jahrelang alle drei Sprachen zu pauken, kann sich in der Tat später auch problemlos zwischen diesen bewegen. Für alle anderen stellt die hiesige Sprachenvielfalt oft eine hohe Alltagshürde dar. Das Problem liegt dabei nicht unbedingt an der sprachlichen Diversität selbst, sondern oft auch an der Art, wie Sprache den Menschen nähergebracht wird. Dass beim Bildungssystem, das mehr zur Reproduktion von – einheimischen – „Eliten“ als zum Ausgleich sozialer Unterschiede dient, einiges im Argen liegt, ist ein offenes Geheimnis. Es liegt auf der Hand, dass es sowohl der sprachlichen Vielfalt als auch den besonderen Bedürfnissen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen angepasst werden müsste.
Schade bloß, dass die Sprachendebatte von den ewigen rechten Nörglern und Nein-Sagern gekapert wird.
Schade bloß, dass die Sprachendebatte, die in der Tat endlich mal geführt werden müsste – und zwar in einer Form, in der alle Betroffenen zu Wort kommen -, von den ewigen rechten Nörglern und Nein-Sagern gekapert wird. Schade, dass die Kritik an der klärungsbedürftigen Sprachensituation Vehikel für rassistische Schreihälse ist, denen es letztendlich nur um die Wahrung ihrer Privilegien geht und die sich durch das Referendumsresultat von 2015 auch noch in ihren kruden Thesen bestätigt sehen. Und in einem Ton argumentieren, der einem jegliche Lust am Diskutieren nimmt – so dass man irgendwann nur noch mit einem trockenen „en français s’il-vous-plait“ antworten möchte.