Steuerreform: Nichts Halbes und nichts Ganzes

Sozial oder unsozial? Am Mittwoch stritten sich Mehrheit und Opposition vor allem darum wie gerecht die blau-rot-grüne Steuerreform denn nun tatsächlich sei.

Die einen haben die dicksten „Poschen“, die anderen die dicksten Autos und damit die höchsten Steuerabschläge. Zumindest bei der Bedienung von Klischees dürfte die Werbekampagne des MDDI nahe am Volk sein.

Mit Steuerreformen verhält es sich bisweilen wie mit Wahlresultaten: Verglichen werden die Resultate vor allem nach dem Vorher/nachher-Schema. Wer mehr Prozentpunkte eingefahren hat als beim letzten Mal, gilt als Wahlgewinner. Wenn eine kleine Partei ihren Stimmenanteil von zwei auf vier Prozent erhöht hat, knallen die Sektkorken, denn schließlich hat sich die WählerInnenschaft glatt verdoppelt. Dass die Strecke zur absoluten Mehrheit sich allerdings kaum verringert hat, wird dann in der ganzen Freude geflissentlich übersehen.

Auch bei den Steuern erscheint bei den kleinen Einkommensgruppen die Verringerung der Steuerlast eindrucksvoller, wenn sie in Prozentpunkten ausgedrückt wird. Und wer den sozialen Charakter der Steuerreformen hervorheben will, weist bei den oberen Gehaltsklassen ebenfalls auf den geringen Rückgang der Steuerlast in Prozent hin.

Dass ein finanziell gutgestellter Steuerbürger in absoluten Zahlen allein durch die neuen Abschreibungsmöglichkeiten für Haushaltshilfen mehr Steuern spart als seine Putzfrau, liegt in der Natur des Progressionseffektes. Nichtsdestoweniger wird damit ein Zielkonflikt einer als sozial deklarierten Steuerreform deutlich, die mit Ausnahme der obersten Stufen der Einkommenstabelle jedem einen Nachlass gewähren will. Dass ausgerechnet der ADR-Abgeordnete und Spitzenverdiener Roy Reding sich dieses Rechenbeispiel zunutze macht, gehört zum politischen Geschäft. Ein Donald Trump hätte es nicht besser hinbekommen und dabei seiner mexikanischen Nanny noch grinsend auf die Schulter geklopft. Populisten sind schwer aus dieser Welt wegzudenken, handwerkliche Fehler in Gesetzesvorlagen sollten sich eigentlich aber vermeiden lassen.

Immerhin: Verglichen mit der wohl fragwürdigsten Steuerreform der Nachkriegszeit, der von 2000/2001, fällt die aktuelle Steuerreform tatsächlich sozialer aus –.in der Steuerdebatte am Mittwoch hob LSAP-Fraktionschef Alex Bodry dies mit Recht hervor.

Das fiel ihm umso leichter, als seine Partei damals nicht in der politischen Verantwortung stand. Die Message an die CSV war eindeutig: Wir haben eurem liberalen Koalitionspartner von damals immerhin zwei zusätzliche Steuerstufen abgetrotzt. Das ist zwar nicht ganz die Reichensteuer, wie die LSAP sie sich vorgestellt hatte, aber auch nicht der Kahlschlag im oberen Segment, den die CSV 2000/2001 zuließ.

Der Staat verzichtete damals auf gut eine Milliarde Einkommensteuer und auf einen ähnlichen Betrag bei den Betriebssteuern. An Rücklagen für kommende Investitionen wurde nicht gedacht. Das Projekt eines flächendeckenden Schienenverkehrssystems legte Schwarz-Blau damals aufs Eis , und dass der Klimawandel einmal richtiges Geld kosten würde, konnten sich die wenigstens vorstellen.

Diesmal jedoch geben sich sogar die Gewerkschaften einigermaßen zufrieden: Mit Ausnahme der GrenzgängerInnen, bei denen bislang das Einkommen eines außerhalb Luxemburgs arbeitenden Partners nicht in die Berechnung des steuerpflichtigen Einkommens einfloss, dürften alle „Schaffenden“ 2017 etwas mehr im Portemonnaie haben als bislang.

Die neue Regelung mag zwar vom Prinzip her gerechter sein, doch setzt sie den Frontaliers das Messer auf die Brust, da diese am Anfang des Steuerjahres entscheiden müssen, ob sie sich einzeln in der Steuerklasse 1 oder zusammen mit dem dann deklarierten Einkommen des außerhalb Luxemburgs arbeitenden Partners in der Steuerklasse 2 besteuern lassen wollen. Welches von beiden Modellen das günstigere ist, lässt sich aber selten genau voraussagen, insbesondere wenn es zu beruflichen Veränderungen während des fraglichen Jahres kommt. Die Gewerkschaften sehen hier eine Rechtsunsicherheit, die zu Gerichtsprozessen führen könnte – bis hin zu Verfahren am Europäischen Gerichtshof, wie jüngst im Fall der Studiengebühren für Frontalier-Kinder, in dem Luxemburg erneut unterlag.

Die gewerkschaftliche Kritik an einem sukzessiven Absenken des Nominalsatzes bei den Betriebssteuern durch die Gewerkschaften erscheint hingegen eher als rhetorische Pflichtübung.

Steuergewinner bis 200.000

Die Anhebung des Steuerkredites stellt sicherlich einen echten sozialen Fortschritt dar. Doch ein Blick auf die Gesamteffekte (Abschaffung der Sondersteuer von 0,5 Prozent, neuer Steuerkredit und Änderung der Steuertabelle) zeigt, wo die wirklichen Gewinner dieser Steuerreform zu finden sind: In der Steuerklasse 1 steigt der absolute Steuergewinn bis zu Jahreseinkommen von etwa 165.000 Euro, in der Klasse 2 sogar noch bis zu 200.000 Euro.

Collectif Tax Justice Lëtzebuerg (woxx 1398) hat sich die Mühe gemacht, diese Effekte in einer Tabelle zusammenzustellen. Aus der geht zum Beispiel hervor, dass ein Einzelverdiener mit 165.000 Euro Jahreseinkommen statt 97.478 Euro im Jahre 2106 nurmehr 95.888 Euro an Steuern zahlt. Das ist zwar nur eine relative Ersparnis von 1,66%, bedeutet aber netto 1.590 Euro. Wer 50.000 Euro verdient, spart zwar 4,03 Prozent an Steuern, doch sind dies netto lediglich 1.441 Euro. Bei 25.000 Euro verringert sich der absolute Steuergewinn auf bloße 523 Euro.

Noch krasser fallen die Unterschiede in der Steuerklasse 2 aus: Wer 300.000 Euro im Jahr verdient, spart 3.472 an Steuern, entsprechend 1,29 Prozent weniger als vorher. Bei 50.000 Euro sind es nurmehr 757 Euro, was einer Ersparnis von 1,84 Prozent entspricht, bei 25.000 werden 310 Euro gespart.

Nicht eingerechnet in diese Zahlen ist die Erhöhung der TVA im Jahre 2015, die ja bei kleinen Einkommen besonders spürbar ist, da außer Miete und Sozialversicherung fast die gesamten Einkünfte in den Konsum fließen. In der Summe ist die Reform also sozialer als die von 2000/2001. Sie macht aber die damals auf hohen Einkommen gewährten Steuerabschläge nicht im geringsten wett und verstärkt sie sogar noch.

Schärfer als die Kritik der Gewerkschaften fällt die des Mouvement écologique aus, der den zaghaften Ansätzen einer Ökologisierung der Steuerpolitik in dieser Reform nicht viel abgewinnen kann. Ausgehend von den Zahlen, wie sie für 2014 berechnet wurden, stellt der Meco fest, dass „die Umweltsteuern in Luxemburg lediglich 5,25% der Steuereinnahmen ausmachen, der Faktor Kapital nur 21,2%“. Dagegen trage der Faktor Arbeit mit über 50% den Großteil der Steuerlast. Daran, so der Meco, ändere diese Reform nichts Grundlegendes.

Die Änderungen bei der Dienstwagenbesteuerung wiesen zwar in die richtige Richtung. Doch greifen die Korrekturen nach Überzeugung der Umweltgewerkschaft nicht weit genug: Nur Dienstwagen mit einem Dieselmotor, der mehr als 150g CO2 pro Kilometer ausstößt, werden ab 2017 stärker besteuert als bisher. In geringerem Maße gilt das auch Fahrzeuge mit Benzinmotor, obwohl der Markt entsprechende Großraumwagen mit weit geringeren Verbräuchen anbietet.

Auch die Einführung von „abattements“ für reine Elektroauatos (5.000 Euro) oder Pedelecs und Fahräder (300 Euro) sind nicht nach dem Gusto des Meco: Anders als bei einer direkten Subventionierung profitieren Bezieher niedriger Einkommen von diesen Freibeträgen kaum oder gar nicht. Zugegeben: Ein Mindestlohnbezieher wird sich derzeit kaum ein Elektrofahrzeug zulegen, aber dass er sein Billigfahrrad mit dem ganzen Neupreis abstottern muss, während der Bankdirektor sein Freizeit-Carbon-Rad mit 300 Euro absetzen kann und damit gut die Hälfte dieser Prämie einkassiert, ist weder ökologisch noch sozial zu rechtfertigen.

Versuchsfeld Leasingautos

In einer kurzfristig für Donnerstag einberufenen Pressekonferenz nahmen Transportminister François Bausch und Umweltstaatsekretär Camille Gira dazu Stellung. Die Neuregelung bei den Betriebswagen solle nicht strafend, sondern fördernd wirken. Deshalb habe bei vollelektrisch betriebenen Fahrzeugen vor allem das Moment der „Belohnung“ starkes Gewicht erhalten: Solche Autos werden nurmehr mit einem Drittel des zur Zeit geltenden Betrags besteuert. Des weiteren gibt es Abstufungen, die vor allem Hybridfahrzeugen oder Wagen, die weniger als 110g CO2 (Dieselfahrzeuge) respektive 150g (Benziner) pro Kilometer ausstoßen, zugute kommen.

„Wir wollten uns in diesem Jahr besonders auf die Leasingfahrzeuge konzentrieren“, so François Bausch. Tatsächlich fallen die jährlich etwa 45-50.000 PKW-Neuzulassungen in Luxemburg zu 40% auf Leasingfahrzeuge. Ob sich hier tatsächlich der gewünschte Steuerungseffekt ergibt, wird sich Anfang des Jahres beim Autofestival zeigen. Deshalb schaltet das Nachhaltigkeitsministerium (MDDI) parallel dazu eine umfangreiche Werbekampagne, in Zusammenarbeit mit der Auto- und Fahrradbranche.

Diese Priorisierung erklärt wohl auch, weshalb bei den Reformen für Privatautos keine Abstufung vorgesehen ist und lediglich 100prozentige Elektroautos überhaupt für einen Freibetrag in Frage kommen.

Der Eindruck, die Regelungen für Privat-Elektroautos (und Pedelecs und Fahrräder) seien in letzter Minute in die Reform hineingerutscht, weil es ja auch darum ging „normalen Steuerzahlern“ entgegenzukommen, wird auch dadurch erhärtet, dass die Argumente gegen eine Förderung der Elektromobilität durch eine direkte Bezuschussung nicht wirklich überzeugen können.

Camille Gira spricht von einem Mitnahmeeffekt, bei dem eher die Autoindustrie die Prämie kassiert, weil der Käufer ja vor allem nach dem Endpreis schaut. Elektroautos, die zur Zeit der bis 2014 geltenden Prämie verkauft wurden, seien heute einfach um 5.000 Euro billiger.

Doch das Mitnahme-Argument wäre auch auf die Leasingkäufe anzuwenden, bei denen die Autohändler beim Wechsel zu einem teureren Modell gleich mit der günstigeren Steuereinstufung kalkulieren. Dem späteren Nutzer kann er ja vorrechnen, dass am Ende der Aufwand ihn wegen niedrigerer Steuern nichts kostet. Der Händler verkauft also ein teureres Fahrzeug, und der Staat finanziert die Differenz.


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