Theater: Independent little Luxembourg?

Das Theaterkollektiv ILL hinterfragt in einer Collage kritisch die Selbstvermarktungs-
strategien der Nation und geht der Frage nach, ob das kleine Land autonom (über)leben könnte.

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(Foto: Bohumil Kostohryz)

Folgt auf das von der Regierung eifrig propagierte und vielkritisierte Nation-Branding nun ein Nation-Bashing? Die plakative nationale Vermarktungsstragie hat sich längst als Schuss nach Hinten erwiesen – ist es da ein Wunder, dass sich mit Richtung 22 und ILL gleich zwei Künstlerkollektive auf das Nation-Branding stürzen und es durch den Kakao ziehen? Zu Recht stellt sich gerade nach dem Referendum die Frage, was die kleine Nation eigentlich ausmacht, was sie zusammenhält. Wo die Politik versagt, erfüllt die Kunst ihre Aufgabe, indem sie Widersprüche aufzeigt und unbequeme Fragen stellt. Im Falle von ILL und Richtung 22 sind das jene, die die forcierte Identität unvermeidlich aufwirft.

Dabei war die ursprüngliche Idee der Macher eigentlich eine ganz andere: Was würde im Falle eines Embargos gegen Luxemburg geschehen? Könnte das kleine Land sich selbst versorgen? „Es geht eher um die Vermarktung von Lëtzeburger Produkten“, sagt Regisseurin Linda Bonvini, die gemeinsam mit Yannick Géraud die Texte geschrieben hat. „Was ist schon Nationalbewusstsein?“, fragt Bonvini, „eigentlich kenne ich das gar nicht“. Entstanden ist so eine aus einer Reihe von Szenen bestehende Collage. Die Schauspieler Frédérique Colling und Jacques Schiltz, zwei Abtrünnige von Richtung 22, wechseln in ihr virtuos ihre Rollen.

So führen sie zum Beispiel eine Unterhaltung rund um das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP, stellen die Luxlait-Produktpalette vor oder mokieren sich über das Nation-Branding, indem sie als Marc und Geraldine von der „Nation-Branding-School-Luxembourg“ im Stil der Sendung-mit-der-Maus ihren Schülern beziehungsweise den Zuschauern die Vorzüge des Landes aufzählen. Die Schlagworte „Zuverlässigkeit, Dynamik und Offenheit“ werden einem regelrecht eingebläut, und das aufpolierte Image des Landes wird anhand des ursprünglichen Textes des Nation-Brandings so minutiös seziert, dass man sich biegt vor Lachen. „Beim Nation-Branding bilden Kapitalismus und Nationalismus eine natürliche Symbiose“, erklären einem die beiden etwa lakonisch, um im nächsten Part alte Luxemburger Volkslieder aus der Mottenkiste zu holen oder, in der letzten Szene, eine Einsicht in das Innenleben der Luxlait-Fabrik anhand ihrer Produkte – bei weitem mehr als nur Milch und Kachkéis – zu geben. 35.000 Liter werden in der Luxlait-Fabrik täglich verarbeitet, da soll sich niemand wundern, dass die auf Höchstleistung getrimmte Milchkuh nur vier bis fünf Jahre alt wird. Eingeblendet werden zudem fortwährend alte Werbespots, die wie im Falle einer Reklame für Rosport, für das nationale Produkt und für Unabhängigkeit vom Ausland werben.

„Wir importieren einfach nichts mehr, wir haben ja alles, was wir brauchen“, überlegen sich die beiden Darsteller und tüfteln eine Strategie für eine völlige Beschränkung des Konsums auf nationale Produkte aus. „Bettemburger Märchenland statt Disney- oder Phantasialand!“, lautet fortan die Devise. Doch schon beim Kulturkonsum stoßen sie an Grenzen. Selbst wenn so etwas wie Halloween natürlich nur „Wouscht aus Amerika!“ ist. Ein recht platter, wenngleich ironisierter Anti-Amerikanismus, der leider auch in der Anfangsszene über das TTIP dominiert. In dieser unterhalten sich die beiden Schauspieler über das Freihandelsabkommen; die bekannten Vorwürfe des „Lobbyismus“ werden erhoben und münden natürlich in das Fazit, dass Europa seine Unabhängigkeit verliert und von den USA kontrolliert zu werden droht. Statt kritische Denkanstöße in punkto Gen-Manipulation zu geben, plätschert die Diskussion über das Freihandelsabkommen so an der Oberfläche des Erwartbaren. Ein bisschen schade, zumal die selbstkritische Auseinandersetzung mit dem Nation-Branding richtig gut gelungen ist. Die beiden Schauspieler tragen das Stück zu gleichen Teilen und überzeugen durchweg, die alten Werbefilme fungieren als roter Faden. So erweist sich „Independent Little Luxembourg“ als insgesamt satirische und streckenweise kluge Inszenierung, die klarmacht, dass sich jüngere Generationen von dem Image der weißgewaschenen Nation wenig beeindrucken lassen und mit Selbstbewusstsein und aufgewecktem Wortwitz die Marke Luxemburg aufs Korn nehmen.

Am 25. September und 1., 2., 8. und 9. Oktober um 20h30 im TOL.

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