Tom Hillenbrand: Hologrammatica

Der offensichtlich in Luxemburg vernarrte deutscher Krimi- und Science-Fiction-Autor Tom Hillenbrand meldet sich mit „Hologrammatica“ zurück. Ein Zukunftsthriller ohne apokalyptische Grundstimmung mit viel technischem Firlefanz.

Am 19. Februar erhielt Tom Hillenbrand – zusammen mit Jean Pütz und Ranga Yogeshwar – am Rande der Berlinale „einen Orden für besondere Verdienste“ (Ritter der Eichenlaubkrone des Großherzogtums Luxemburg), aus der Hand von Premierminister Xavier Bettel und in Präsenz des erbgroßherzoglichen Paares. Und sicherlich, Hillenbrand ist wohl der einzige Schriftsteller der sich in seinen Werken für das luxemburgische „Nation Branding“ einsetzt – die luxemburgische Autorenszene hält sich, bis jetzt jedenfalls, entweder vornehm zurück oder ätzt gegen die teuren Kampagnen, die nicht besonders viel mit den Lebensrealitäten des Landes zu tun haben.

Aber um Realitäten geht es in „Hologrammatika“ sowieso nicht, sondern um eine Zukunftsvision einer, doch sehr westlichen Welt, in der die Klimaerwärmung die Nationalstaaten hinweg geschmolzen hat und die Menschen entweder in sogenannten Föderativen leben (am besten in Sibirien oder in Kanada, wo es noch nicht allzu warm ist) oder sich ins All verkrümelt haben. Dort regiert der „Kieselkaiser“, ein Großherzog der seinerzeit dank der Space-Mining-Technologie zu unglaublichem Reichtum gekommen ist und nun in seiner Weltraumkolonie dahin darbt … die Idee alleine ist das Eichenlaub dann doch wieder wert.

Um der Weltbevölkerung das Leben auf ihrem verwüsteten Planeten doch noch etwas angenehmer zu gestalten, gibt es das Holonet. Eine Art Internet, das riesige Holographien erstellt, die ganzen Städte in anderem Licht erscheinen lassen. Fassadenputzen ist also Ende des 21. Jahrhunderts auch Vergangenheitssache, genau wie die Angst vor der Totalüberwachung. Letztere wurde nämlich in Folge eines großen Informatikcrashs in den 2040er Jahren abgeschafft. Der Trend geht Richtung Anonymität im Holonet, denn auch Menschen lassen sich mit dieser Technologie verändern. Reichere Individuen lassen aber eher ihr digitalisiertes Gehirn in Klonkörper laden, um sich ein Aussehen nach Wahl zu gönnen. Genau solch einem Individuum muss der Quästor (eine Art Detektiv, der nach abgetauchten Personen sucht) Galahad Singh nachjagen, als sich – ganz klassisch im Bogart-Style – eine verzweifelte Mutter bei ihm im Büro meldet.

Die epische Suche nach der verschwundenen Code-Schreiberin Juliette Perrotte nimmt schnell ganz andere Züge an, als Singh es erwartet hatte und bringt ihn dazu, längst vergessenen Dramen unter die Lupe zu nehmen.

Das Interessante an „Hologrammatika“ ist sicherlich das Fehlen eines gewissen Grundpessimismus den das Science-Fiction-Genre noch oft in den Genen trägt. Hillenbrands Buch versucht, eine ausgewogenere Zukunft zu malen, in der die Menschheit zwar noch immer nicht viel gescheiter wurde – sich aber ihrem Schicksal stellen kann. Das ist zunächst etwas ungewöhnlich als Prozedere, hat aber durchaus seinen Charme. Nervig sind dagegen sie Momente, in denen der Tech-Journalist in Hillenbrand Überhand nimmt und technische Details immer wieder im Detail erklärt werden – obwohl das überhaupt nicht nötig wäre. Zudem sind gewisse Elemente – die wir jetzt nicht verraten werden – einfach nur unlogisch.

Trotzdem: Wer sich einen Page-Turner für den nächsten Urlaub besorgen will, ist mit „Hologrammatika“ gut bedient.

Erschienen bei KiWi.

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