Auch im Jahr 2018 ist die gleichwertige Behandlung von Transpersonen keine Selbstverständlichkeit. Im Rahmen des Internationalen Tages gegen Homo- und Transphobie haben wir mit der Aktivistin Lia Hanten De Oliveira über Transfeindlichkeit in Luxemburg gesprochen.
woxx: Wie ist es in Luxemburg um die Rechte von Transpersonen bestellt?
Lia Hanten De Oliveira: Furchtbar. Es ist heute immer noch so, dass bei der Transperson von einem Psychiater eine Geschlechtsdysphorie [dabei wird eine Störung der Geschlechts- identität unterstellt; Anm. d. Red.] diagnostiziert werden muss, bevor ein Endokrinologe [Facharzt für den Hormonhaushalt im Stoffwechsel des Menschen; Anm. d. Red.] Hormone verschreiben und eine geschlechtsangleichende Operation vorgenommen werden kann. Nun ist es aber so, dass viele psychiatrische Institutionen sehr transfeindlich sind. Eine Psychiaterin meinte mal zu mir, ich sei nicht weiblich genug, um mit Geschlechtsdysphorie diagnostiziert zu werden. Viele Psychiater tun nach eigenen Aussagen das, was am Besten für den Patienten ist, dadurch wird aber oft dessen Selbstbestimmung missachtet. Ich kenne einen Transmann, der in einem Krankenhaus in Luxemburg in die geschlossene Psychiatrie eingeliefert wurde und seine Hormone nur unter der Bedingung erhielt, dass er sich „benimmt“. Was soll das?
Welche Rolle spielt die Krankenkasse in dem ganzen Prozess?
Die Krankenkasse übernimmt nur geschlechtsangleichende Operationen bei Transfrauen, nicht aber etwa Brustimplantate, Bart-Epilation, Abschleifung des Adamsapfels oder Stimmbandverkürzung, was ein großer Missstand ist. In Schweden beispielsweise werden sowohl Brustvergrößerung als auch Laserepilation rückerstattet. In Luxemburg wird das als rein kosmetischer Eingriff angesehen. Gleichzeitig wird einem die Geschlechtsdysphorie-Diagnose verweigert, wenn man mit Vollbart zum Psychiater geht. Es wird erwartet, dass man so weiblich wie möglich aussieht, die Mittel dazu werden einem jedoch verweigert. Völlig paradox. Es ist vor allem die Krankenkasse, die die Transition [den Übergang in die empfundene geschlechtliche Identität; Anm. d. Red.] für viele hier im Land zur Hölle werden lässt. Was viele auch nicht wissen: Wenn eine psychische Störung vorliegt, kann die Krankenkasse die Rückerstattung einer geschlechtsangleichenden Operation verweigern. Immerhin könnte das Bedürfnis nach einer Transition ja ein Symptom dieser Störungen sein. Mit der rechtlichen Situation geht es nur sehr schleppend voran, weil nach jedem Fortschritt gesagt wird: „Es gibt doch einen Gesetzesentwurf, der die Änderung des Namens- und Geschlechtseintrags im Personenregister vereinfachen soll. Jetzt seid doch endlich zufrieden“. Wie sollen Rechte geschaffen werden für eine Bevölkerungsgruppe, die nicht sichtbar ist? Und wenn niemand einsieht, dass einem überhaupt welche zustehen?
Wie ist die Transition bei Ihnen verlaufen?
Eins vorweg: Jede Transperson hat ihren eigenen Werdegang. Es gibt welche, die nie in irgendeiner Weise transitionieren. Genauso gibt es Menschen, die nur sozial transitionieren. Beispielsweise weil sie keinen Zugang zu medizinischen Mitteln wie Hormonen, Testosteronblockern oder Operationen haben. Ich kann nicht für andere Transfrauen reden. Ich kann nur über meine Erfahrungen als nicht-binäre, der Arbeiterklasse angehörende, vom Dorf stammende Transfrau mit portugiesischen Wurzeln reden. In meinem Fall war es so, dass ich irgendwann feststellte, dass ich mich nicht mit dem Konzept Mann identifiziere. Ab diesem Moment dauerte es ein Jahr, bis ich mich als Frau akzeptieren konnte.
„Ich versuche Interessierten nahezulegen, dass jeder Körper anders funktioniert und eine gewisse Offenheit unerlässlich ist.“
Das war eine sehr schwere Zeit für mich, weil ich merkte dass die Gesellschaft es mir nicht erlaubt, mit meinem Körper das zu tun, was ich gerne tun würde. Das hat konkrete Konsequenzen wie Ausschluss und Benachteiligung wenn es um Jobs geht, bei denen man mit Kunden oder einem Publikum interagieren muss. Was meine Situation noch zusätzlich erschwert hat: Meine Eltern hatten nie die Möglichkeit, sich in der Trans-Thematik weiterzubilden. Mein Vater hat mir von klein auf eine extrem toxische Vorstellung von Männlichkeit aufgezwungen. Als ich acht Jahre alt war, meinte er mal zu mir, ich sei kein richtiger Mann, weil ich keinen Schnaps trinken wollte. Über die Jahre hinweg hatte ich immer wieder bestimmte Bedürfnisse, die dann durch Schamgefühle unterdrückt wurden. Es kam mir nicht in den Sinn, dass das alles etwas mit Trans zu tun haben könnte. Unterbewusst habe ich es geahnt, aber es dauerte lange, bis ich es akzeptieren konnte.
Wie werden Sie im Alltag konkret benachteiligt?
Viele Transpersonen scheuen sich, für ihre Rechte einzutreten, weil sie transfeindliche Äußerungen fürchten. Als Transfrau beispielsweise als Mann bezeichnet zu werden ist absolut demütigend. Wenn ich es als sexistisch bezeichne, wenn ein Mann mir auf den Hintern starrt oder an die Brüste fasst, wird mir schon mal gesagt, ich solle doch froh sein, dass mich überhaupt jemand anfasse. Die Haltung scheint zu sein: Du willst doch eine Frau sein, sexuell belästigt zu werden gehört nun mal dazu. Aber es ist mehr als das, es ist entmenschlichend. Selbst in der LGBTQIA+ Gemeinschaft werden Transpersonen marginalisiert. Überhaupt geht oft nur die Rede von den weißen homosexuellen Cis-Männern, wie beispielsweise beim Titel Gay Pride. Selbst viele ältere Transfrauen sind frauenfeindlich. Sie wurden als Mann sozialisiert und ihnen wurde ein sehr rigides Bild vom „Frausein“ vermittelt. Als Transfrau versuchen sie dieser Vorstellung dann nachzueifern. Wenn ich das Wort Transfrau sage, hat man gleich ein bestimmtes Bild im Kopf und das sieht ganz anders aus als ich. Auch ich habe dieses Bild im Kopf. Ich finde, es ist an der Zeit, das zu ändern.
Worunter haben Sie mehr zu leiden: Unter mangelnden Rechten oder unter der Transfeindlichkeit in der Gesellschaft?
Das ist schwer zu sagen, denn mangelnde Rechte und Transfeindlichkeit bedingen sich gegenseitig. Wenn man überlegt, wo Trans in Luxemburg auf die meiste Akzeptanz stößt, denkt man sofort an bestimmte sozio-ökonomische Schichten. Dabei ist es vielmehr so: Transgeschlechtlichkeit wird dort am meisten akzeptiert, wo sie am authentischsten gelebt wird. Es ist wichtig, dass die Geschlechtsidentität äußerlich erkennbar gemacht werden kann. Das ist nur möglich durch einen erleichterten Zugang zu Mitteln wie chirurgischen Eingriffen, Hormonen, Epilation und so weiter. Das würde vielen sehr unangenehme Interaktionen ersparen.
Handelt es sich dabei nur um eine Unsicherheit oder ist es mehr?
Es ist eine Unsicherheit, die aber sehr schnell in Hass umschlagen kann. Manche sagen dann zu mir „Das sind doch nur Idioten, die dumm reden“. Und ja, es sind Idioten, aber die werden auch handgreiflich. Manche sind der Meinung, dass man mit einem Menschen, dem bei der Geburt das männliche Geschlecht zugewiesen wurde, der aber nicht maskulin genug ist, alles machen kann, was man will. Und da wird’s gefährlich.
Wie sieht dein Aktivismus aus?
Mein Aktivismus besteht in erster Linie darin, über Themen zu reden, die tabuisiert werden. Es ist wichtig, Räume zu schaffen, in denen offen über sexuelle Gesundheit von Transfrauen geredet werden kann. Komischerweise haben genauso viele Cis- wie Transfrauen Interesse daran. Auf der Suche nach Literatur, die sowohl operierten als auch nicht-operierten Transfrauen hilft, ihren Körper neu zu entdecken, habe ich nur ein einziges Zine zum Thema gefunden: „Fucking Trans Women“ aus dem Jahr 2010. Da gibt es also eine große Informationslücke. Ich versuche Interessierten nahezulegen, dass jeder Körper anders funktioniert und eine gewisse Offenheit unerlässlich ist. Mein Aktivismus zielt also hauptsächlich auf Aufklärung. Dazu gehört auch, dass ich mich als Transfrau, mit meinen spezifischen Attributen, so sichtbar mache wie möglich. Das kann sowohl in formellen als auch informellen Kontexten, wie zum Beispiel auf Blogs oder Instagram, stattfinden. Es ist wichtig Transmenschen zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen, ihnen eine Plattform zu geben, um sich auszudrücken. Dann merkt die Gesellschaft, dass wir nicht nur dieses unbekannte Wesen „Transfrau“ sind, sondern gewöhnliche Menschen.
Sind Sie optimistisch für die Zukunft?
Transjugendliche von heute sind so kompromisslos, da bin sogar ich harmlos im Vergleich. Sie sind viel radikaler und offener und versuchen nicht, irgendwo reinzupassen. Also ja, ich bin optimistisch. Leider kommt vom Zweite-Welle-Feminismus [der in den 1960er-Jahren entstanden ist; Anm. d. Red.] gerade ein harter Gegendruck. Da herrscht zum Beispiel die Ansicht, dass Transfrauen gar keine richtigen Frauen seien, weil sie männliche Privilegien haben. Als Konsequenz werden sie von Veranstaltungen ausgeschlossen, die sich spezifisch an Menschen richten, denen bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugeordnet wurde. Ich habe es erlebt, dass eine Handlung, die man Cis-Frauen durchgehen lässt, bei Transfrauen als sexuelle Belästigung angesehen wird. Die Logik dahinter: Auch Transfrauen verfügen über männliche Aggressivität. Das Problem kann man zwar umgehen, indem man beispielsweise einen Workshop nicht für Frauen, sondern für Personen mit einer Vagina ausschreibt. Aber worin liegt der Mehrwert, Frauen ohne Vagina ausschließen? Ich will optimistisch sein, aber es wird einem nicht leicht gemacht.