Unfallstatistik: Die Straßen werden gefährlicher

Der Bericht über die Unfallstatistik des vergangenen Jahres zeigt, dass trotz weniger Toten mehr schwere Unfälle auf Luxemburgs Straßen vorkommen. Dabei trifft es immer öfters die schwächsten Verkehrsteilnehmer*innen.

Nicht jeder Autounfall geht so glimpflich aus: Die Zahl der schweren Autounfälle in Luxemburg steigt. (Foto: CC BY-SA 3.0 Tommi Nummelin/Wikimedia)

Eigentlich sollte Autofahren immer sicherer werden. Moderne Technik hilft den Fahrer*innen dabei, schwere Unfälle zu vermeiden, und Sicherheitsausstattung wie etwa Airbags sorgen dafür, dass im Falle eines Falles die Folgen gemildert werden. Doch in Luxemburg sorgt das stetige Wachstum der Bevölkerung – und vor allem der Automobile – dafür, dass es mehr statt weniger Unfälle gibt. 2022 wurden 1.094 Unfälle mit Verletzten oder Getöteten gezählt, 2023 waren es 1.101. Das sind, trotz der sichereren Autos, mehr als noch ein Jahrzehnt davor, denn 2013 waren es 949. Das belegen die Zahlen, die das Verkehrsministerium letzte Woche veröffentlichte.

Im vergangenen Jahr sind weniger Menschen auf Luxemburgs Straßen gestorben als im Jahr davor. Das heißt jedoch nicht, dass der Straßenverkehr ungefährlicher geworden wäre. Im Gegenteil, die Zahl der Unfälle mit schweren Verletzungen ist gestiegen. Auch die vermeintlich geringere Anzahl der Todesfälle muss in Relation gesehen werden: 2022 gab es 36 Tote im Straßenverkehr, 2021 waren es 24 und 2023 starben 26 Menschen durch Unfälle auf Straßen. Während die Zahl der Toten gesunken ist, stieg die Zahl der Schwerverletzten auf ein Rekordniveau an, nämlich 347. Zumindest in den letzten zehn Jahren gab es keinen höheren Wert, im Jahr 2015 lag die Zahl bei 319 Schwerverletzten.

Mehr Unfälle bei gutem Wetter

Die meisten Toten und Schwerverletzten waren Autofahrer*innen oder -insass*innen sowie Motoradfahrer*in- nen. Doch gerade bei den schwächsten Verkehrsteilnehmer*innen, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind, ist ein Anstieg der schweren Unfällen zu vermerken. 2022 gab es 28 schwere Unfälle mit Fahrradfahrer*innen und 36 schwerverletzte oder getötete Fußgänger*innen, während es im Folgejahr 40 Fahrradfahrer*innen und 53 Fußgänger*innen waren, die Opfer schwerer Unfälle wurden. Im langjährigen Trend scheinen Verkehrsunfälle mit schweren Folgen für Fußgänger*in- nen zurückzugehen, während solche mit Fahrradfahrer*innen zunehmen. Auch bei den Motorradfahrer*innen stieg die Zahl der Schwerverletzten trotz zahlreicher Kampagnen stark an: von 71 im Jahr 2022 auf 105 im Vorjahr.

Während schwere Unfälle auf Autobahnen zum Glück recht selten sind, steigt ihre Zahl im Ortsgebiet. Die Unfallursachen sind meist nicht eindeutig zu bestimmen, doch scheinen Jahreszeit und Wetter oft eine Rolle zu spielen. Es ist relativ gut nachvollziehbar, dass in den dunkleren Jahreszeiten Herbst und Winter mehr Unfälle passieren. Dass jedoch beinahe zwei Drittel der schweren Unfälle sich bei trockenem Wetter ereignen, wirkt auf den ersten Blick paradox. Allerdings ist es wohl so, dass viele Menschen bei nassem Wetter vorsichtiger fahren.

Erhöhte Geschwindigkeit ist mit 42 Prozent nach wie vor die Haupt- ursache von tödlichen Unfällen in Luxemburg, während alkoholisierte Fahrer*innen für beinahe ein Drittel von ihnen verantwortlich sind. Bei den schweren Unfällen kommt das Nichteinhalten von Verkehrsregeln wie Missachtung der Vorfahrt und Überfahren der Sicherheitslinie an erster Stelle.

Die „Administration des enquêtes techniques“ (AET) des Mobilitätsministeriums untersucht Verkehrsunfälle aller Art, auch im Schienen-, Flug und Flussverkehr. In den detaillierten Bericht wird allerdings immer nur eine Auswahl von Unfällen aufgenommen, da die Verwaltung „weder die technischen Mittel noch die personellen Ressourcen“ hat, um alle Unfälle auszuwerten. Da es, anders als bei anderen Verkehrsmitteln, in PKWs noch keine „Blackbox“ gibt, die Verkehrsdaten aufzeichnet, wird der Faktor Geschwindigkeit von der AET in ihrem jährlichen Bericht nicht berücksichtigt. In Zukunft wird der Einbau solcher Geräte bei Neuwagen durch eine europäische Direktive verpflichtend. Im Moment fehlt jedoch eine Analyse der häufigsten Todesursache im Luxemburger Straßenverkehr.

Selbst Zebrastreifen sind schwer

Vielleicht wäre die Schlussfolgerung auch politisch zu brisant, immerhin haben sich die Regierungsparteien DP und CSV in den Wahlkämpfen 2023 stets gegen ein generelles Tempolimit auf 30 Stundenkilometer innerorts ausgesprochen. Wer die vermeintliche Freiheit von Tempo 50 im Ortsgebiet nicht aufgeben will, nimmt weitere getötete und schwerverletzte Fußgänger*innen und Radfahrer*innen in Kauf. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung ist jedoch, neben einer angepassten Straßenraumgestaltung und sicherer Infrastruktur, eine der wirksamsten Methoden für die Verringerung von schweren Unfällen.

Ein aufschlussreiches Beispiel, wie Geschwindigkeitsbegrenzungen und Infrastrukturen zusammenwirken können, zeigte das Zentrum fir Urban Gerechtegkeet (ZUG) im Juni 2023: Damals veröffentlichten die Aktivist*innen eine Onlinekarte von Eingängen zu Tempo-30-Zonen in Luxemburg-Stadt, an denen Zebrastreifen fehlen oder inkorrekt aufgemalt sind. Laut staatlichen Richtlinien müssen Eingänge von 30km/h-Zonen, die von einer Staatsstraße abzweigen, mit einem Fußgänger*innenüberweg mit rotem Hintergrund versehen sein. Die Analyse des ZUG zeigte, dass in mindestens 131 Fällen der rote Hintergrund fehlte und in 108 Fällen überhaupt kein Zebrastreifen vorhanden war. Obwohl sichere Infrastruktur für sanfte Mobilität auch ein entscheidendes Element für die ob der Klimakrise nötige Verkehrswende wäre, scheint es in Luxemburg nur sehr wenig politisches Interesse hierfür zu geben.


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