UNI LETZEBUERG: Der vergessliche Rektor

An der Uni werden neue Gehaltstabellen eingeführt. Gekürzt wird zwar nur in zwei Kategorien, dafür jedoch deutlich gravierender als es zunächst den Anschein hatte. Der Vorgang zeigt: Die Lohnpolitik an der Uni bleibt alles andere als transparent.

Von Richard Graf und Danièle Weber

Für Collaborateurs scientifiques und Assistant-chercheurs,
die in Forschungsprojekten arbeiten,
gibt die Uni in Zukunft weniger Geld aus.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht in den Gängen der Forschungszentren an der Uni Luxemburg. Verkündet hatte sie Vizerektorin Lucienne Blessing in einer E-Mail an die ProfessorInnen. Angehängt war eine neue Gehaltstabelle, die erläuternde Nachricht fiel knapp aus: Diese Tabelle sei künftig für alle Projekte anzuwenden, so die Vizerektorin. Die Änderungen beträfen in erster Linie die Gehaltskosten für „Collaborateurs scientifiques“ und für „Assistant-Chercheurs“. Für diese Kategorien gebe es künftig nur je eine Gehaltsklasse, die nicht mehr abhängig von Alter und Berufserfahrung sei. Für bestehendes Personal solle man sich bitte ausschließlich an die alten Tabellen halten.

Geheime Gehaltstufen

Erst nach genauerem Studium der Zahlen wurde klar: In den beiden genannten Kategorien werden künftig deutlich niedrigere Löhne ausbezahlt als bisher. Kein Wunder also, dass diese Nachricht, die ohne Vorankündigung in den Mailboxen der Projektleiter gelandet war, für Aufregung sorgte. „Die meisten hier sind empört“, sagt ein Uni-Mitarbeiter, der lieber nicht genannt werden will, gegenüber der woxx. Das gelte auch für jene, die nicht direkt betroffen sind und unbefristete Verträge haben. Die Maßnahme trägt zur allgemeinen Verunsicherung bei. „An der Uni weiß niemand, was der andere verdient“, sagt er, vor allem bei den älteren Verträgen sei bei den Einstufungen „so manches durcheinander gelaufen“. „Es gibt unzählige Sonderregelungen, die nirgendwo schriftlich festgehalten sind“, so der Mitarbeiter. Lange Zeit sei darüber kaum geredet worden. „Erst seitdem die Personaldelegation gegründet wurde, besteht das Interesse, sich intern auszutauschen.“

Die Personaldelegation gibt es an der Uni erst seit Anfang 2009. Von den nun eingeführten Gehalts-Änderungen ahnte auch sie nichts. Zwei Tage bevor die besagte E-Mail verschickt wurde, informierte man die Präsidentin der Delegation. Nach einer Woche Wartzeit und erst auf mehrere Anfragen hin habe man die betreffenden Unterlagen schließlich erhalten, heißt es in einem Brief, den die Delegation Mitte Februar an den Rektor schickte. Darin wird unter anderem auf den Artikel L.414-4 im Code du travail verwiesen. Demnach ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, die Personaldelegation über eventuelle Änderungen in den Arbeitsverträgen zu informieren. Die Entscheidung sei somit „entaché de nullité“, so die Delegation und fordert die sofortige Rücknahme der Maßnahme sowie eine grundlegende Debatte über die Gehälterstruktur an der Uni. Die Verhandlung über einen Kollektivvertrag sei der per Gesetz für solche Fälle vorgesehene Rahmen, so der Hinweis.

„Keinem Mitarbeiter an der Universität wird das Gehalt gekürzt“, beschwichtigte die Universitätsleitung via Pressemitteilung, nachdem der zitierte Brief an die Öffentlichkeit gelangt war. Die Hochschulleitung wolle „möglichen Missverständnissen vorbeugen“. Dieselbe Mitteilung wurde an alle Uni-Mitarbeiter verschickt, denen darin erstmals eine Begründung für die Maßnahme geliefert wurde. Ziel sei es, „die Gehälter an die national und international in diesen Positionen üblichen Höchsttarife anzupassen“.

Kürzungen von bis zu 25 Prozent

Eine Begründung, die sich nicht in jedem Fall halten lässt. Denn die Kürzungen fallen deutlich höher aus, als es die Uni-Leitung verlauten ließ. In einem Interview auf RTL-Radio sprach der Rektor etwa von einer Differenz von zehn bis zwölf Prozent des Bruttolohns. Nach einem Vergleich der alten und neuen Tabellen, müssen diese Zahlen jedoch nach oben korrigiert werden. Tatsache ist auch, dass diese Gehaltsstufen zumindest im nationalen Vergleich längst nicht unbedingt aus dem Rahmen fallen. Zwei Beispiele: Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Universitätsdiplom, der keinen Doktortitel inne hat, verdient derzeit monatlich rund 5.200 Euro brutto. Er wird im Vergleich zur alten Tabelle bis zu 1.000 Euro brutto weniger verdienen und landet dann bei monatlich ca. 4.200 Euro brutto. Für einen höher qualifizierten „Collaborateur scientifique“ mit Doktortitel werden künftig monatlich rund 5.200 Euro veranschlagt. Das bedeutet im Vergleich zu den jetzigen Projekt-Budgets, je nach Alter und Berufserfahrung des Angestellten, eine monatliche Kürzung von 800 bis 1.800 Euro.

Die neue Regelung gelte nur für Verträge, die nach dem 1. April 2011 „mit neuen Mitarbeitern“ abgeschlossen werden und auch nicht für Vertragsverlängerungen, so die Erklärung der Uni-Leitung. Diese Richtigstellung verkennt allerdings einen Teil des Uni-Alltags. Der nämlich sieht für viele Projektmitarbeiter mit befristetem Arbeitsvertrag so aus: Nach einer fünfjährigen Mitarbeit in einem Projekt in aufeinander folgenden „Contrats à durée déterminée“ (CDD), muss der Betroffene eine Zwangspause von einem Jahr einlegen, da ihn die Uni sonst laut Arbeitsrecht fest anstellen müsste. Erst dann kann das nächste Projekt folgen, mit einem weiteren CDD – und den nun beschlossenen Gehaltseinbußen.

Nicht allein die Tatsache, dass die Maßnahme ohne Diskussion umgesetzt wurde, sorgt an der Uni für Unmut. Man habe erst umständlich recherchieren müssen, um dann herauszufinden, dass die neuen Gehälter „dans des conditions obscures“ vom Conseil de Gouvernance bereits am 13. September 2008 beschlossen wurden, schreibt die Personaldelegation in ihrem Brief. In der Tat wird der besagte Beschluss im Bericht des Conseil, den das Personal über das Intranet der Uni bekam, mit keinem Wort erwähnt. Lediglich in einem internen Bericht, der nur einem kleinen Kreis zugänglich ist, wird die Diskussion über die Änderungen in Bezug auf die so genannten Post-Doc-Gehälter beschrieben.

Dort kann man auch erfahren, dass die Uni-Leitung die Maßnahme bereits zum 15. September 2008 umsetzen wollte. Und dass man im Hinblick auf bereits existierende Verträge einen Spezialisten in Sachen Arbeitsrecht befragen werde. Letzteres hatte der Regierungskommissar dem Conseil in besagter Sitzung angeraten und auch darauf hingewiesen, dass solche Gehaltsänderungen der Zustimmung des Ministers bedürfen.

Keine lebenswichtige Maßnahme

„Ich habe damals dem Kommissar mitgeteilt, dass ich mit der Kürzung laufender Verträge nicht einverstanden bin“, sagte vergangene Woche der Hochschulminister François Biltgen gegenüber RTL-Radio. Seine Aussagen und auch die des Rektors können die verworrene Geschichte rund um die Gehaltsänderungen nicht restlos aufklären. Als Mitte September 2008 an der Uni Gerüchte über Kürzungen aufkamen, kam das öffentliche Dementi des Ministers. Die Anfrage der Uni zur Genehmigung der neuen Gehälter wurde dann erst zwei Jahre nach dem Beschluss des Conseil an den Minister gesandt. Wieso so lange warten, wenn man es doch vorher so eilig hatte? Rektor Rolf Tarrach sagte dazu im RTL-Interview: Er habe es „verschwitzt“, den entsprechenden Brief an den Minister zu schicken, die Sache sei für ihn „auch nicht lebenswichtig“ gewesen. Dass er es die ganze Zeit über auch nicht für nötig hielt, die Personaldelegation mit einzubeziehen, führt er auf einen kritischen Brief zurück, den er Anfang 2010 erhielt. Seitdem findet an der Uni kein Sozialdialog mehr statt. Er sei „sehr, sehr enttäuscht“, so die Erklärung des Rektors, und es läge auch in der Verantwortung der Delegation, den Dialog wieder aufzunehmen.

Auch diese Aussage trägt sicher nicht dazu bei, ein fruchtbares Klima für die Wideraufnahme des Dialogs herzustellen. Dabei war besagter Brief, anders als von Rolf Tarrach behauptet, gar nicht von der Personaldelegation der Uni, sondern von einigen OGBL-Mitgliedern unterzeichnet. Wie es nun weiter geht, ist offen. Zumindest kündigte auch François Biltgen vergangene Woche an, das Ministerium werde der Sache nachgehen und überprüfen, ob die Prozeduren des Sozialdialogs eingehalten wurden.


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