Manu Dibango zählt zu den Befreiern afrikanischer Musik und als Beweis dafür, dass letztere durchaus Hitpotenzial hat – der mittlerweile 82-jährige Musiker kommt nun auch nach Luxemburg.
An einem Frühjahrsmorgen des Jahres 1949 steht ein 15-Jähriger aus Kamerun im Hafen von Marseille. 21 Tage hat die Schiffsreise gedauert, auf die ihn seine Eltern geschickt haben. In seinem Gepäck: drei Kilo Kaffee. Kaffee ist selten und teuer im Nachkriegseuropa; der Erlös soll die Ausbildung Emmanuel Dibango N`Djockés im Norden von Frankreich finanziell sichern. 24 Jahre später wird Manu Dibango der zweite afrikanische Musiker sein, der einen weltweiten Hit verzeichnen kann. Vorher war dies nur der exilierten Südafrikanerin Miriam Makeba mit „Pata Pata“ (1967) gelungen. Dibangos Platte heißt „Soul Makossa“ und stürmt 1973 die Charts. Sie markiert den Beginn der beispiellosen Karriere eines Musikers, der in seinem Schaffen scheinbar mühelos Afrika mit Europa und Amerika verbindet. Auch heute noch, mit 82 Jahren, kann Dibango nicht von der Musik lassen.
Während seiner Schulzeit in Nordfrankreich lernt er seinen etwa gleichaltrigen Landsmann Francis Bébey kennen – auch er später ein Großer der kamerunischen Musik. Bébey begeistert Dibango für Jazz, und beide gründen eine Band. 1960 besucht Dibango Brüssel. Zur selben Zeit gehen dort die Gespräche, in denen die Unabhängigkeit der belgischen Kolonie Kongo besiegelt wird, in die letzte Runde. Die kongolesische Delegation führt der später ermordete Patrice Lumumba an; ihrem Begleiterstab gehört auch der Vater der kongolesischen Rumba, Joseph Kabasele („Le Grand Kallé“) mit seiner Band African Jazz, an. Dieser ist ein panafrikanischer Star, der kongolesische mit kubanischer Musik verbindet und den ersten modernen Afrosound kreiert hat. Saxophonist, Keyborder und Marimbaspieler Manu Dibango erhält die Chance, einen erkrankten Musiker von African Jazz zu ersetzen. Er geht mit Kabaseles Band in den nun unabhängigen Kongo, nach Kinshasa, tritt dort mit ihnen auf, macht Plattenaufnahmen und eröffnet seinen legendären Club namens TamTam. Ende der 1960er Jahre zieht es ihn wieder nach Frankreich. Er leitet die Band von Nino Ferrer und spielt für Gilbert Bécaud.
Unter dem Einfluss von US-amerikanischem Soul und Funk spielt er dann 1972 „Soul Makossa“ ein. Das Stück ist eine Verbindung von Soul und der Makossa-Musik aus Kamerun. Der markante Saxophonsound und die dunkle Stimme werden sein Markenzeichen. In den folgenden Jahren schreibt er Filmmusik, lässt sich bei einem Besuch in Jamaica vom Reggae inspirieren, um schließlich Anfang der 1980er zeitweilig nach Kamerun zurückzukehren. Dort rückt die afrikanische Musik wieder in den Mittelpunkt seines Schaffens. Zunächst erscheint „Mboa“ (1981) und anschließend das Album „Waka Juju“ (1982). 1985 sorgt „Electric Africa“ für großes Aufsehen. Die Platte ist mit dem Jazzrockstar Herbie Hancock aufgenommen und vom Produzenten Bill Laswell zu einem bemerkenswerten High-Tech-Album geformt worden. Das Album „Wakafrika“ von 1994 spielt er mit einer illustren Truppe von afrikanischen Berühmtheiten ein: Youssou N`Dour, Angélique Kidjo, Ladysmith Black Mombazo, Salif Keita, King Sunny Ade, Papa Wemba, Bonga und last, but not least, der Weltmusikfan Peter Gabriel sind mit von der Partie. Im Wirbel um die Debut-CD der kubanischen Altstar-Band Buena Vista Social Club geht beinahe unter, dass Dibango ein Jahr nach deren Erscheinen, 1998, mit einem der Mitglieder, Eliades Ochoa, und der Band Quarteto Patria eine hochinteressante Renaissance kubanisch-afrikanischer Zusammenarbeit produziert („Cubafrica“). In der Folgezeit tritt er kürzer. Er veröffentlicht einige Alben mit Jazzstandards und dann, 2011, „Past Present Future“, wo er sich jungen Musikern und deren Rap-Orientierung öffnet. Ganz aktuell nun die 5-CD-Box „Merci ! Thank you! Vol. 1“; eine ausführliche Dokumentation seines Schaffens bis in die 1980er Jahre.
Manu Dibango ist schon vieles vorgeworfen worden: zu wenig Jazz, zu viel Jazz, zu elektrisch, zu viele Experimente. Aber auch: zu wenig afrikanisch. Ihn stört das wenig. Mit seinem breiten Lächeln sitzt er bequem zwischen allen Stühlen. Er ist ein Musiker, der sich keinem Diktat und erst recht keinem europäischen Klischee unterwirft. Und natürlich ist er ein Musiker aus Afrika, und zwar seit Jahrzehnten einer der größten, zu verorten irgendwo zwischen Douala, Paris, Kinshasa und Brüssel. Aktuellen Internetvideos zufolge sind er und seine Band spritzig und kraftvoll wie eh und je. Nicht schlecht für den kleinen Emmanuel aus Douala, Kamerun, der vor 67 Jahren mit drei Kilo Kaffee im Koffer in Marseille anlandete!
Im Vorprogramm am 15.4. seine langjährige Chorsängerin Valérie Ekoumé, die vor kurzem eine viel beachtete Solo-CD veröffentlicht hat.