Zum Pride Month: Queere Tipps (2)

Im Juni wird an vielen Orten an die Stonewall-Aufstände erinnert und der Kampf um die Rechte von LGBTIQA+ Menschen in den Mittelpunkt gerückt. Ein Monat, in dem die woxx in jeder Ausgabe Tipps zu queeren Inhalten gibt – diese Woche von „No Modernism Without Lesbians“ bis „Queer Portraits in History“.

© Georgie Devlin

No Modernism Without Lesbians

LITERATUR (is) – Die Autorin Diana Souhami plaudert in ihrem Sachbuch „No Modernism Without Lesbians“ aus dem Nähkästchen – und zwar nicht aus ihrem eigenen, sondern aus dem der Schriftstellerinnen Sylvia Beach, Bryher, Natalie Barney und Gertrude Stein. Der Buchtitel legt zunächst eine falsche Fährte: Es handelt sich nicht um ein trockenes, wissenschaftliches Werk über den Modernismus des 20. Jahrhunderts und seine queeren Vertreterinnen. Die fast 400 Seiten stecken voller Liebesdramen, Sex und Konflikten. Die Autorin vermittelt zwar durchaus literaturhistorisches Wissen, doch publiziert sie auch Liebesbriefe der Schriftstellerinnen und ihrer Geliebten und schweift immer wieder ab, um über das Schicksal dieser oder jener Lesbe aus ihren Kreisen zu berichten. Das hat etwas Voyeuristisches, macht aber trotzdem Spaß, wenn man sich bis an die sprunghafte Erzählweise der Autorin gewöhnt hat. Mit jeder Seite taucht man tiefer in das Paris vor und nach dem Zweiten Weltkrieg ein, fiebert der Eröffnung der Buchhandlung „Shakespeare & Company“ entgegen oder lernt die dunklen Seiten des gefeierten Autors James Joyce kennen. Auch wenn der Buchtitel überspitzt ist, spiegelt Souhami eindrücklich, wie sehr Beach, Barney, Bryher und Stein die Literaturwelt geprägt haben – eben mit Fokus auf ihr Dasein als lesbische oder queere Person. Souhamis Buch ist somit ein Glücksgriff für Literaturliebhaber*innen, die sich Gossip mit Mehrwert gönnen wollen. „No Modernism Without Lesbians“ gibt es bis dato nur im englischen Original.

„Wild Nights with Emily“ und „Dickinson“

FILM UND SERIE (tj) – Menschenscheu, schrullig und heterosexuell – so wird die 1830 geborene US-amerikanische Dichterin Emily Dickinson bis heute gerne beschrieben. Dass dem wahrscheinlich gar nicht so war, davon gehen mittlerweile nicht wenige Literaturwissenschaftler*innen aus. In den vergangenen Jahren sind zudem eine Serie und ein Film erschienen, beide im Comedy-Genre, die entschieden mit dem Vorurteil der einsiedlerischen Jungfer, die ihre Texte nicht veröffentlichen wollte, brechen. In beiden ist Dickinson sozial und charismatisch – und unsterblich in ihre Kindheitsfreundin und Schwägerin Susan Gilbert verliebt. Sie träumt davon, eins ihrer Gedichte in der Zeitung zu lesen, als Frau werden ihr allerdings unentwegt Steine in den Weg gelegt. Didaktisch sind die beiden Werke aber keineswegs. Der 2018 erschienene Spielfilm „Wild Nights with Emily“ von Madeleine Olnek ist voller Humor und Slapstick, die ein Jahr später auf Apple TV+ angelaufene, von Alana Smith geschaffene Serie „Dickinson“ ist surrealistisch und stilisiert. Klare Unterschiede gibt es aber auch: „Dickinson“ richtet sich an ein jüngeres Publikum. Das machen der Soundtrack, die modernen Dialoge und die Tatsache, dass die Protagonistin von Hailee Steinfeld gespielt wird, unmissverständlich deutlich. In „Wild Nights“ spielt Molly Shannon Dickinson, mit der Ausnahme einiger Flashbacks, in einem späteren Abschnitt ihres Lebens. Das ist aber nicht der einzige Unterschied: „Wild Nights“ ist deutlich queerer als die Serie. In letzterer ist die Protagonistin bisexuell und ihre Beziehung mit Susan beschränkt sich über weite Teile auf sehnsüchtige Blicke. Im Film haben die beiden so oft Sex, wie es nur irgendwie geht, und Gilbert sagt sogar offen, Dickinsons Bruder nur geheiratet zu haben, um ihrer Geliebten näher zu sein. Die beiden Produktionen bieten clevere Unterhaltung, bedienen dabei jedoch leicht unterschiedliche Geschmäcker. „Wild Nights with Emily“ ist auf Prime streambar, „Dickinson“ auf Apple TV+.

What’s your gender?

SPIEL (ja) – Der Titel dieses Spiels lässt vermuten, dass es sich um eine Art Persönlichkeitstest handelt, bei dem am Ende das eigene Geschlecht herauskommt. Das entspricht jedoch nicht der Realität. Vielmehr begeben sich die Spieler*innen auf eine Reise durch ein Labyrinth. Das gleicht einem modernen Museum, in dem verschiedenste Begriffe zu Geschlecht und Identität vorgestellt und erklärt werden. An verschiedenen Stationen stellt eine Stimme mehr oder weniger rhetorische Fragen, wie etwa „Woher weiß ich, was mein Geschlecht ist?“. Die Räume, die man durchwandert, haben oft eine Geometrie, die eher an ein Gemälde von M.C. Escher als an die reale Welt erinnert. So kann es schon mal vorkommen, dass man den Raum mit dem Begriff „queer“ durch einen Tunnel verlässt, nur um wieder darin anzukommen. Das labyrinthartige Museum braucht überhaupt keine Ausstellungsstücke, sondern vermittelt viele Konzepte alleine durch seine virtuelle Architektur. Das Spiel wurde im Rahmen eines Game Jams innerhalb von 36 Stunden entwickelt und kann kostenlos auf der Itch.io-Seite von Purplesloth Studio gespielt werden.

Queer Portraits in History

INTERNET (is) – Die New Yorker Illustratorin Michele Rosenthal zelebriert seit 2016 queere Ikonen: Auf „Queer Portraits in History“ erzählt sie die Geschichte bekannter LGBTIQA+ Menschen des 19. und 20. Jahrhunderts nach. Zu jeder Kurzbiografie zeichnet Rosenthal ein Porträt auf farbigem Hintergrund, manche Illustrationen sind sogar animiert. Wer die Website besucht, sollte Zeit mitbringen, denn die über 90 Geschichten sind packend und divers. Besonders spannend ist beispielsweise die der lesbischen Dramatikerin Lorraine Hansberry: Mit ihrem Stück „A Raisin in the Sun“ schaffte sie es 1959 als erste Schwarze Frau auf den Broadway. Dieser und andere Beiträge verknüpfen das Wirken queerer Menschen mit dem Weltgeschehen. Auch wenn es sich bei den Biografien nur um Wissenshäppchen handelt, geben sie Anstoß zum Nachdenken und wecken auch das Interesse für Persönlichkeiten, die der breiten Masse eher unbekannt sind. Die Suche nach bestimmten Charakteren oder Themen kann nach Namen, Wirkungsbereich, Gender, sexueller Orientierung, ethnischer Herkunft, Thema, Lebensstatus und Gefängnisaufenthalten gefiltert werden. Rosenthal erweitert das Verzeichnis regelmäßig und nimmt hierfür auch Vorschläge von außen entgegen. „Queer Portraits in History“ ist außerdem unter „queerportraits“ auf Instagram und queersinhistory.tumblr.com auf Tumblr – wo das Projekt übrigens begann – vertreten. Die Internetseiten sind frei zugänglich, die Illustratorin hat auf der Website jedoch einen Button für Spendenbeiträge und bietet Fanartikel zum Verkauf an.


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