Das Räumungsrecht ist seit April wieder offiziell in Kraft und die Eigentümer*innen machen davon einen regen Gebrauch. Das zeigen Zahlen des Justiz- und des Wohnungsbauministeriums, die Sam Tanson und Henri Kox auf Nachfrage von déi Lénk jetzt vorlegen.

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Der Unmut bei déi Lénk war groß als es vonseiten der Regierung hieß, dass das Räumungsrecht für Vermieter*innen ab April 2021 wieder gilt. Dieses war von März bis Juni 2020 sowie von Dezember 2020 bis April 2021 aufgehoben worden. Ein parlamentarischer Antrag von déi Lénk, das Räumungsrecht bis zum Ende dieses Jahrs einzustellen, wurde im März von der Mehrheit der Abgeordneten abgelehnt. Jetzt wollte die Abgeordnete Nathalie Oberweis Zahlen sehen: Wie viele Menschen haben seit Wiedereintreten des Räumungsrechts ihr Zuhause verloren?
Oberweis wendet sich mit ihrer parlamentarischen Anfrage zum Thema an Justizministerin Sam Tanson und an den Wohnungsbauminister Henri Kox. Die betonen gleich zu Beginn ihrer gemeinsamen Antwort: „[I]l importe de relever que certains locataires quittent les lieux à l’amiable, tandis que d’autres font l’objet d’une expulsion forcée. Le juge de paix n’est informé de l’exécution ou de l’inexécution d’une condamnation en déguerpissement que dans l’hypothèse où il est saisi d’une procédure relative à des difficultés d’exécution.“ Die Daten, die sie vorlegen, beziehen sich demnach auf Problemfälle und spiegeln nur bedingt, wie viele Menschen während der Pandemie gezwungenermaßen nach einer neuen Bleibe suchen mussten.
Umso erschreckender sind die hohen Zahlen, die Tanson und Kox übermitteln: Allein in den letzten drei Monaten sind 220 Anträge auf Zwangsräumung bei den Friedensrichter*innen in Luxemburg-Stadt, Esch und Diekirch eingegangen. Davon wurden bereits 30 ausgeführt. Insgesamt laufen derzeit 278 Prozeduren zu Mietkündigungsverfahren und Zwangsräumungen. Gründe für die Vertragsauflösungen oder den Rauswurf werden in den Statistiken nicht geführt.
Interessant ist auch, dass die Friedensgerichte trotz temporärer Aufhebung des Räumungsrechts Anträge auf Zwangsräumungen erhielten und bearbeiteten. 181 wurden zwischen dem 23. Dezember 2020 und Ende März 2021 ausgesprochen und 38 davon seither vollzogen. Die sind den 66 Zwangsräumungen hinzu zu rechnen, die durch das Verbot im Dezember nicht ausgeführt werden konnten. 40 der betroffenen Haushalte haben ihre Mietwohnungen inzwischen unter Zwang verlassen.
Die Friedensgerichte haben in den vergangenen Jahren vergleichsweise wenig Einspruchsverfahren bewilligt. Ein Beispiel: 2020 bearbeiteten die Gerichte in Luxemburg und Esch zusammengenommen 1.394 „procédures d’autorisations d’expulsion“ und nur in 48 Fällen wurde dem Einspruch stattgegeben. Es gibt mit Sicherheit legitime Gründe als Eigentümer*in einen Mietvertrag zu kündigen. Genauso wie es nachvollziehbare Motive gibt, sich als Mieter*in dagegen zu wehren. Tansons und Kox Zahlen legen jedoch nahe, dass diese weniger zur Geltung kommen als die Interessen der Eigentümer*innen. Wie so oft eben, wenn das Thema Wohnungsmarkt heißt.
Das kommt auch dann zum Ausdruck, wenn es um Daten über den Verbleib weggewiesener Mieter*innen und die Verantwortung der Gemeinden geht: Es gibt keine Informationen oder zumindest weiß Wohnungsbauminister Henri Kox nichts davon. Yves Cruchten (LSAP) hakte im Januar in Sachen Neuunterbringung bei Kox nach. Laut der 2006 verabschiedeten „loi sur le bail à usage d’habitation“ sind die Gemeinden dazu verpflichtet die Obdachlosigkeit ihrer Einwohner*innen nach Möglichkeit zu verhindern. Die Bürgermeister*innen können die Sanierung unbewohnbarer Räumlichkeiten verordnen und die Eigentümer*innen zwingen, den Mieter*innen für maximal drei Monate eine alternative Unterkunft bereitzustellen. Im Notfall muss die Gemeinde selbst einspringen – vor Kurzem so geschehen im Fall von drei Mietparteien in der hauptstädtischen Rue Glesener.
Fügt man all diesen Tatsachen die unaufhörlich steigenden Mietpreise in Luxemburg hinzu, wird einmal mehr deutlich wie tief die Kluft zwischen den Eigentümer*innen und denen, die sich kein Heim leisten können oder wollen, in Luxemburg ist. Zwischen den Lebensrealitäten liegen oft Welten. Dass die sich eines Tages aufeinander zu bewegen werden, scheint derzeit unwahrscheinlich.
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