LANDBAU: Aufschwung durch Bio

Warum wollen so wenige konventionelle Bauern auf Bio umsteigen? Ein komplexes Problem, das letzte Woche in der Chamber diskutiert wurde.

Alle wollen Bio essen, doch nur wenige wollen tatsächlich Bio herstellen.

„Naturschutz und Landwirtschaft müssen verstärkt zusammenarbeiten“, so Fernand Etgen, DP-Abgeordneter letzte Woche in der Chamber. Ausnahmsweise war es nicht die Gruppe der Grünen, sondern die DP, die eine Interpellation zum Thema biologische Landwirtschaft eingefordert hatte. Anlass dazu gaben die Zwischenwerte zur Biolandwirtschaft. Denn die Regierung hat das angestrebte Ziel, den Biolandbau bis 2011 auf 6.000 Hektar zu steigern, nicht erreicht. Im März 2011 hatten 96 Biobetriebe rund 3.730 Hektar bewirtschaftet, bis zum Februar 2012 ist ihre Zahl auf 102 gestiegen – zusammengesetzt aus 57 landwirtschaftlichen Betrieben, 14 Gemüseproduzenten, 8 Winzern, 8 Obstbauern sowie 15 Bienenzüchtern. Damit macht Bio nur 4,7 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe und rund 3 Prozent der Gesamtagrarfläche aus.

Dieser negative Befund ist auffallend, gerade vor dem Hintergrund, dass der Verbrauch von Biolebensmitteln EU-weit im Vormarsch ist. Auch in Luxemburg steht der relativ schwachen Bio-Produktion eine starke Nachfrage gegenüber – der Markt für biologische Produkte wächst um rund 10 Prozent pro Jahr. Konsumenten geben 103 Euro pro Kopf im Jahr für Biolebensmittel aus, womit Luxemburg im europäischen Vergleich auf dem dritten Platz liegt.

Doch die Produkte in den beständig größer werdenden Bioregalen der Supermärkte kommen zunehmend aus dem Ausland; die einheimischen Biobauern sind immer weniger imstande, die Nachfrage zu decken. Trotzdem stellen die konventionellen Bauern ihre Betriebe nicht um. „Fehlt der Anreiz, da die Milch- und Getreidepreise in der konventionellen Landwirtschaft zufriedenstellend sind, oder gehen von der Politik keine positiven Signale aus?“, fragt Etgen.

Die EU-Kommission hatte 2004 einen Aktionsplan für Biolandwirtschaft ausgearbeitet, der eine bessere Information der Konsumenten, eine effektivere Nutzung der öffentlichen Gelder, einen Ausbau der Forschung und eine Konsolidierung der Produktionsrichtlinien, der Kontrollsysteme und der Importregelungen vorsah. Luxemburg stellte seinen nationalen Aktionsplan für biologische Landwirtschaft erst 2007 fertig. Jährlich rund 200.000 Euro waren vorgesehen, um die konventionellen Bauern zur Umstellung auf Bio zu ermuntern. Denn es besteht Handlungsbedarf: Besonders Sparten wie der Obst- und Gemüseanbau, in denen Arbeitsaufwand und Lohnkosten hoch sind, spielen nur eine Nebenrolle in der hiesigen Bio-Landwirtschaft. Rund 80 Prozent der Bioprodukte müssen importiert werden, was sich natürlich auf die CO2-Bilanz des Ganzen auswirkt.

Etgen fordert daher zusätzliche Anstrengungen im Rahmen des nationalen Aktionsplanes, um mehr Betriebe zur Umstellung zu bewegen. „Es geht uns aber auch darum, dem Konsumenten klar zu machen, dass die Produktion nur gesteigert werden kann, wenn er höhere Preise zu zahlen bereit ist“. Und auch die Verarbeitungs- und Vermarktungstrukturen müssten verbessert werden. „Heute sind die Verarbeitungsstrukturen weiterhin oft recht begrenzt, deshalb sind auch die Preise höher“, so Etgen. Positiv sei hier zu vermerken, dass neue Absatzmärkte erschlossen wurden, da Bioprodukte nicht nur in Privathaushalten, sondern auch in Kantinen verarbeitet werden.

Bürokratische Hürden abbauen

Auch Beratung, Versuchswesen, Aus- und Weiterbildung sind zu intensivieren. Und die bürokratischen Hürden bei einer Umstellung bedürfen dringend der Vereinfachung. Die biologische Landschaft ist vom Grundgedanken des Wirtschaftens in einem möglichst geschlossenen Nährstoff- und Betriebskreislauf getragen, chemische und synthetische Pflanzenschutzmittel sowie Gentechnik und Embryonentransfer sind verboten, eine artgerechte Tierhaltung gehört dazu. Um das zu erreichen, kommt den Forschungsprojekten erhöhte Bedeutung zu. Das „Institut fir Biologësch Landwirtschaft an Agrarkultur Luxemburg“ (Ibla) hat hier verschiedene Forschungsprojekte durchgeführt, zum Beispiel eine Untersuchung reduzierter Bodenbearbeitung und eine vergleichende ökonomisch-ökologische Analyse von Bio- und konventionellen Betrieben. Aus den Studien geht hervor, dass eine biologische Bewirtschaftung in mehrfacher Hinsicht zum Klimaschutz beiträgt, da Böden, insofern sie im Humus Kohlenstoff klimaneutral binden, CO2-senkend wirken. Ebenso führt Bio zu einem schonenderen Umgang mit Wasser. Dieser Punkt ist gerade in Luxemburg von Bedeutung, da das Wassermanagement hier sehr zu wünschen übrig lässt. „Die Wassergestion kann nur in enger Kooperation mit den Bauern erfolgen“, betont Etgen. Flächen, die sich innerhalb der Trinkwasserschutzzone befinden, müssten biologisch bewirtschaftet werden, um das Diffundieren von Spritzmittel- und Medikamentenrückständen aus der Gülle intensiver Tieraufzucht in das Trinkwasser zu verhindern.

Eine weitere Herausforderung, so der Abgeordnete, stellt der Erhalt der Biodiversität dar. Denn in den letzten 30 Jahren seien 82 Prozent der Feuchtgebiete, 58 Prozent der Streuobstwiesen, 35 Prozent der Trockenwiesen verschwunden. „Und auch hier kann ein Mehr an Bio dazu beitragen, diesen Herausforderungen wirkungsvoller zu begegnen“, so Etgen.

Demgegenüber hebt Lucien Clement, CSV-Abgeordneter hervor, dass es nicht genügt, einfach ein Mehr an Bio zu fordern. Es müssten konkrete Produktionssparten aufgelistet und zielorientiert gefördert werden. Nach wie vor bestimme der freie Markt den Preis. Es seien Marktanalysen erforderlich, damit eine Bio-Überproduktion in bestimmten Sparten verhindert werden könne, damit es im Bio-Bereich nicht zum Preisverfall komme. „Bio zum Schleuderpreis ist sicher nicht das, was erstrebenswert ist.“ Auch wenn Clement eine Förderung der Biolandwirtschaft begrüßt, ist die Befürchtung des CSV-Abgeordneten – in dessen Partei konventionell wirtschaftende Bauern sehr stark vertreten sind -, dass eine ausschließlich auf Bio-Kriterien basierende Landwirtschaft nicht wünschenswert sei, kaum verwunderlich. Auch der LSAP-Abgeordnete Claude Haagen sieht die biologische Landwirtschaft nur als komplementäre Vervollständigung der konventionellen an. „Es ist wichtig, den Anteil an Bio-Betrieben heraufzusetzen, und gleichzeitig für eine ökologische und performante konventionelle Agrarwirtschaft einzutreten“. Gerade hierbei komme der im EU-Kontext stehenden Reform der „Politique agricole commune“ (Pac) große Bedeutung zu. Nach der sollen 30 Prozent der Direktbeihilfen an ökologische Kriterien gebunden werden. „Solche Verpflichungen sind schneller in den größeren Betrieben umzusetzen als in den kleinen“, ist Haagen jedoch überzeugt. Generell müsse bei der Reform der Pac Wert darauf gelegt werden, dass es nicht zu kontraproduktiven Verknüpfungen unterschiedlicher Ziele kommt und der administrative Aufwand nach der Reform nicht noch zunimmt.

Abhängigkeiten abbauen

Henri Kox von Déi Gréng hält in seinem Beitrag fest, dass der Beitrag der Luxemburger Landwirtschaft zum heutigen BIP nur noch 0,3 Prozent beträgt. Kox fordert die Regierung auf, sich verstärkt an Österreich zu orientieren, wo die Biolandwirtschaft mittlerweile 20 Prozent der Fläche ausmache. „Es ist den Österreichern gelungen, eine Parzellierung in der Landwirtschaft zu erhalten. Sie haben es geschafft, ländliche Produkte mit Tourismus in Verbindung zu bringen“, so Kox, der darüber hinaus verlangt, dass die konventionelle Landwirtschaft im Hinblick auf In- und Output stärker untersucht werden muss. Beim Umdenken gehe es aber auch um Abhängigkeiten. „Kraftstoff kostet zurzeit 125 Dollar pro Barrel. Jede Düngung ist vom Petroleum abhängig“, so Kox. Hier biete die Bio-Landwirtschaft Alternativen.

Landwirtschaftsminister Romain Schneider will in dem bescheidenen Umfang, den die Biolandwirtschaft hat, nur einen Zwischenstand sehen. „Der Aktionsplan hat immerhin bewirkt, dass die Biolandwirtschaft mittlerweile akzeptiert ist“, so der Minister. Wichtig dabei sei die Information der Bauern und Konsumenten gewesen, Publikationen wie der „Guide d’achat“, der jährlich vergebene Bioagrarpreis und vor allem die Forschung. Letztere soll noch erweitert werden. „Wir brauchen Fakten, dann können wir auch Landwirte eher überzeugen, in den Biobereich zu wechseln“, so Schneider. Gerade im Gemüse und Milch-Bereich sollen weitere Studien gemacht werden.

Obwohl die Bauern bei einem Wechseln in den Bio-Bereich Beihilfen erhalten – 150 Euro pro Hektar, plus 50 Euro pro Hektar in den ersten drei Jahren der Umstellung – sieht der Minister verschiedene Gründe für das Zögern der Bauern: Ein Mentalitätswandel geschehe eben langsam. Zudem seien die Preise im konventionellen Sektor in den letzten Jahren trotz Milchkrise recht stabil gewesen. Ein weiterer Grund sei, dass viele Bauern vor den zusätzlichen Lohnkosten und vor allem dem zusätzlichen Arbeitsaufwand, der im Bio-Bereich anfällt, zurückscheuen. Genauso von Bedeutung seien die geringeren Erträge im Bio-Bereich – bei der Milch mache das rund 10 Prozent und beim Getreide rund 20 Prozent aus. Dazu komme die Diskussion um das Auslaufen der Milchquoten sowie der neue Pac 2013, die viele abschreckten. „Wenn ein Akteur aus dem konventionellen Bereich seinen Betrieb nicht im Griff hat, dann macht es auch keinen Sinn, auf Bio umzuschwenken“, so Schneider weiter. Die Studie der Ibla belege deutlich, dass Biolandwirtschaft der Erhaltung der Biodiversität diene und den Nitratgehalt des Wassers senke. So ging der Minister auch kurz auf den Wasserpreis ein, der in der Landwirtschaft diskutiert wird: „Ich glaube, dass das Innenministerium Wasserpreise vorgeschlagen hat, die von der Landwirtschaft akzeptiert werden können“, meint Schneider. Die Beteiligung an den Diskussionen um Wasserschutz und -preise scheinen die Bioverbände ganz anders zu bewerten. „Was den Wasserschutz angeht, ist zu beklagen, dass der biologische Landbau bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie keine Rolle spielen soll.“, heißt es in einer Stellungnahme das Bio-LABEL-Letzebuerg und Demeter-Lëtzebuerg nach der Chamberdiskussion veröffentlicht haben. Die Bio-Akteure pochen auch darauf, dass der Aktionsplan auf jeden Fall mit mindestens dem gleichen Budget weitergeführt werden soll. Und sie verweisen darauf, dass der Grund, weshalb nur so wenige Betriebe auf biologische Landwirtschaft umstellen, vor allem in der Förderungspolitik in Luxemburg zu suchen sei. So habe eine kürzlich durchgeführte Studie des Ibla (www.ibla.lu/ibla/de/component/content/article/73.html), festgestellt, dass die Bio-Bauern im Durchschnitt kein höheres Einkommen (betriebliche Erträge plus Subventionen) erzielen als ihre konventionellen Kollegen. Die Flächenprämie stelle damit für biologische Landwirtschaft keinen Anreiz zur Umstellung dar. Deshalb müsse Finanzminister Luc Frieden sich Landwirtschaftsförderung einmal unter dem Gesichtspunkt ihrer Effizienz genauer ansehen. „Wir plädieren dafür, das Budget für die Landwirtschaft zu halten, aber die Förderschwerpunkte von Grund auf zu reformieren“, so das Fazit von Bio-LABEL und Demeter. Positive Vorschläge auf EU-Ebene seien hier: die Subventionierung der Betriebe an ökologische Kriterien zu binden, vielfältigere Fruchtfolgen zu verlangen und eine vorrangige Unterstützung von Betrieben mit vielen Arbeitskräften einzuführen. Ein sehr wichtiger Punkt kam in der Chamberdebatte nicht zur Sprache – das grundsätzliche Problem, dass immer mehr familiäre Landwirtschaftsbetriebe aufgeben müssen, weil es keine Nachfolger gibt. Es gibt kaum Möglichkeiten, Quereinsteigern oder sogenannten Neufarmern ein Einkommen in der Landwirtschaft zu verschaffen.


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