Ob die Index-Frage den Wahlkampf 2009 bestimmt, wird sich demnächst herausstellen. Eine seriöse Debatte über Modernisierung und Gerechtigkeit hat bisher nicht stattgefunden.
Die Frage, ob er das Richtige getan hatte, dürfte den OGBL-Präsidenten Jean-Claude Reding seit dem 20. April 2006 nicht losgelassen haben. Damals hatte er in den Tripartiteverhandlungen das „Linsengericht“ des Index hergegeben – in Form einer verzögerten Ausbezahlung – und dafür das Versprechen ausgehandelt, die Trennung zwischen Beamten und Arbeitern werde aufgehoben. Vor drei Tagen, am 29. April 2008 wurde das „Statut unique“ von der Chamber abgesegnet und damit das Versprechen eingelöst. In seiner diesjährigen Rede zum 1. Mai konnte Reding triumphieren: Einerseits wird seine Gewerkschaft mittelfristig vom Einheitsstatut profitieren, andererseits stehen die Chancen nicht schlecht dafür, dass 2009 der „normale“, also ohne Verzögerung ausbezahlte Index wieder eingeführt wird.
Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass die CSV sich zwar für das Einheitsstatut fleißig selbst auf die Schulter klopft, zum Index aber schweigt – sieht man von den zweideutigen Aussagen ab, die Premierminister Jean-Claude Juncker mehrfach zum Besten gegeben hat. Doch in knapp 14 Monaten sind Parlamentswahlen. Die CSV wird bald Farbe bekennen müssen – vermutlich bei Gelegenheit der Rede zur Lage der Nation Ende des Monats.
Zum Gegenangriff geblasen haben derweil die Kontrahenten der Gewerkschaften, die Arbeitgeber. Ihre Ideologen, wie der Zentralbankchef Yves Mersch, werden nicht müde, vor dem Inflationsrisiko zu warnen, das mit der automatischen Lohnanpassung einhergeht. Demgegenüber heißt es von Seiten des OGBL, die Lohnmoderation sei nicht auf der Tagesordnung. Reding plädiert für eine Stärkung der europäischen Wirtschaft: die Nachfrage ankurbeln indem man die Kaufkraft wiederherstellt. Das Argument ist nicht neu … und etwas zu einfach gestrickt. Es ist aber immer noch vernünftiger als die Panikmache in Sachen Inflation wie sie von Mersch und Juncker betrieben wird.
Leider reden beide Seiten an den Themen vorbei, die doch eigentlich im Wahlkampf zur Sprache kommen müssen. Mersch erinnert zu Recht daran, dass das Arbeitslosenproblem durch die Wiedereinführung des Index‘ nicht gelöst wird. Doch die von ihm suggerierte Lohnmoderation löst das Problem auch nicht. Und Reding rechnet mit gutem Grund vor, dass der Anteil der Arbeitgeber am Reichtum steigt und jener der Arbeitnehmer sinkt. Doch mehr Lohnmasse, wie von ihm gefordert, führt nicht automatisch zu mehr Gerechtigkeit.
Die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – Globalisierung und Informationsgesellschaft – rufen nach neuen, integrierten Lösungen: Umstrukturierungen bei Steuern und Sozialversicherungen, Umschichtung der Lebensarbeitszeit, Modernisierung der Landesplanung, Reformen im Bildungssystem. Die Scheu davor auf Gewerkschaftsseite ist verständlich: Im sich wandelnden Arbeitsmarkt ist ihre Position geschwächt und linkes Ideengut ist nach zwei Jahrzehnten neoliberaler Propaganda stark angerostet. Ein integrierter Pakt, der ökonomische, soziale und ökologische Ziele verbindet, riskiert einseitig zugunsten der Wirtschaft auszufallen.
Was ist die Alternative? Soziale Kämpfe auf bekanntem Terrain führen und möglicherweise für sich entscheiden, und die anderen Fragen auf „später“ verschieben. Auf diese Weise könnte das soziale Lager in den kommenden Jahren bei Themen wie Wasser und Lehrergehälter gewinnen, dafür aber bei den strategisch entscheidenderen wie Wohnen und Arbeitslosigkeit verlieren.