Ungewöhnlich streng sind die Urteile gegen vier Bahnangestellte im Fall Zoufftgen ausgefallen. Ob sie die Sicherheitskultur hierzulande verbessern helfen, ist allerdings zu bezweifeln.
Es kommt sicherlich nicht alle Tage vor, dass bis dahin unbescholtene Bürger, die unabsichtlich den Tod eines Anderen herbeigeführt haben, für Monate oder gar Jahre ins Gefängnis müssen. Fast jede Woche sterben in Luxemburg Menschen im Straßenverkehr, nicht selten, weil Alkohol, erhöhte Geschwindigkeit oder beides im Spiel ist. Wer sich auf diese Weise am Tod eines Mitmenschen schuldig macht, wird zwar bestraft. Doch kaum jemand muss dafür – zumindest beim ersten Mal – ins Gefängnis.
Wer betrunken in eine Verkehrskontrolle gerät, wird protokolliert und manchmal auch durch zeitweisen Führerscheinentzug bestraft. Obwohl Trunkenheit und Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit eindeutig ein gefährliches Fehlverhalten darstellen, gelten sie für viele immer noch als Kavaliersdelikt. Getreu dem elften Gebot „lass dich nicht erwischen“ werden solche Vergehen meist erst dann sanktioniert, wenn es bereits zu spät ist.
Umgekehrt sind Ursachen für manche Katastrophen, wie etwa den Absturz einer Luxair-Maschine vor mehr als sechs Jahren, so komplex, dass es fast unmöglich scheint, eine eindeutige Verantwortung für sie festzustellen. Es ist kein Zufall, dass die entsprechenden Gerichtsprozesse häufig nie zu Ende geführt werden.
Dass der Zoufftgen-Prozess schon nach etwas mehr als zwei Jahren mit so klar abgestuften Urteilen abgeschlossen wurde, lässt zwei Schlüsse zu: Der Sachverhalt ist für das Gericht derart eindeutig, dass es keiner weiteren Prüfung bedarf und mit Sicherheit angenommen werden kann, dass die Verantwortlichen alle erfasst wurden. Sollte dem jedoch nicht so sein, dann wären die teilweise harten Urteile, die bis zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren und zehn Monaten ohne Bewährung reichen, wohl kaum nachzuvollziehen.
Doch selbst wenn man voraussetzt, dass das Fehlverhalten der Akteure bewiesen und die Schuldfrage somit eindeutig geklärt wurde – was die Verteidiger der vier Bahnangestellten sicherlich anfechten werden – so bleiben dennoch Zweifel, ob diese Urteile als „gerecht“ eingestuft werden können. Immerhin haben die CFL ja im Anschluss an diesen Unfall einige interne Prozeduren umgestellt und damit zumindest zugegeben, dass die Sicherheitsstandards nicht optimal waren.
Dass es mit der Sicherheitskultur hierzulande ohnehin nicht weit her ist, kann man tagtäglich an schlecht beschilderten und beleuchteten Baustellen feststellen. Auch der Zoufftgen-Unfall ist ja letzten Endes auf eine „anormale“ Ausgangsituation zurückzuführen: Wegen Ausbauarbeiten konnte eine der beiden Bahntrassen nach Frankreich nicht befahren werden, weshalb – wie auf kleinen Nebenstrecken – die Züge aus beiden Fahrtrichtungen das selbe Gleis benutzen mussten. Natürlich wussten die Bahnangestellten von dieser Situation. Und sie hätten doppelt wachsam sein müssen, als zusätzliche Probleme und Pannen auftraten.
Wenn es aber Ziel der Rechtsprechung ist, neben der Aufklärung des Sachverhalts und der Verurteilung der Verantwortlichen auch dazu beizutragen, dass in Zukunft solche Katastrophen verhindert werden, dann dürften diese Urteile sich als problematisch herausstellen. Die Verunsicherung bei den Bahnbediensteten jedenfalls ist größer als zuvor, denn das Argument, dass man sich an den Lampisten vergreift und die oberen Chargen unberührt lässt, ist kaum von der Hand zu weisen. Die Eisenbahnergewerkschaften verlangen mit Nachdruck, für die Dienstzeiten der Angestellten an den neuralgischen Stellen eine Überlappung vorzusehen, so dass es nicht zu Fehl- oder Unterbesetzungen kommen kann. Ob ihre Forderung wohl in die schriftliche Urteilsbegründung einfließen wird?