Dienstleistung soll in der Stadtverwaltung Luxemburg künftig groß geschrieben werden. Das neue Bürgeramt versteht sich als Aushängeschild eines gewandelten Serviceverständnisses.
Große Fenster lassen viel Licht in die Räume, der Blick von innen nach außen fällt auf die buntbemalte „la grande tempérance“ der Pariser Künstlerin Nikki de Saint-Phalle und auf betriebsamen Busverkehr. Wir befinden uns in den neuen Räumen des „Bierger-Centers“ der Stadt Luxemburg. Hier, im ersten und im zweiten Stock des Centre Emile-Hamilius, insgesamt auf rund 1.640 Quadratmetern, werden künftig 45 MitarbeiterInnen der Stadtverwaltung Luxemburgs unterschiedlichste Anfragen von BesucherInnen entgegennehmen – und sie hoffentlich auch gleich an Ort und Stelle beantworten.
„Wir wollen den Menschen, die zu uns kommen, kurze Wege und kurze Wartezeiten bieten“, erklärt Monique Mathieu, verantwortlich für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadtverwaltung Luxemburg, den Sinn und Zweck des neuen „Centre d’accueil des citoyens“. Hauptstädtische EinwohnerInnen sollen in Zukunft ihre wichtigsten Verwaltungsgänge an einem zentralen Schalter gesammelt erledigen können. Dazu gehören klassische Meldungen wie das An-, Ab- und Ummelden des Wohnsitzes oder die Anmeldung von Hunden genauso wie das Beantragen und Ausfüllen amtlicher Dokumente und Formulare (Personalausweis, Reisepass, Steuerkarte). Sogar Wasser- und Gasrechnungen können von diesem Freitag an direkt im Bierger-Center am Boulevard Royal bezahlt werden.
Die Idee zum kundenfreundlichen Sammelschalter ist nicht neu: Angeregt durch erfolgreich etablierte Bürgerämter beim deutschen Nachbarn wurde sie vor sechs Jahren erstmalig auch in Luxemburg diskutiert. Doch erst mit dem Amtsantritt von Bürgermeister Paul Helminger (DP) wurde die Sache konkret. Im März 1999 beauftragte der Gemeinderat, nach Besuchen von Bürgerämtern in Heidelberg und Trier, die Unternehmensberatung Pricewaterhouse-Coopers damit, ein Grundkonzept für ein luxemburgisches „Bierger-Center“ zu erarbeiten. Das erste seiner Art im Großherzogtum. Zwar hat auch die rot-grüne Koalition in Esch erste Schritte in Richtung eines Bürgeramts unternommen, die vollständige Umsetzung haben die Verantwortlichen allerdings erst für das Jahr 2003 angekündigt.
Späte Werbung
Doch während über die Escher Pläne bereits im Vorfeld einige Details zu erfahren waren, hielten sich die Luxemburger Verantwortlichen bis kurz vorm Startschuss bedeckt. „Wir wollten unser Projekt nicht zu früh bewerben. Sonst wären womöglich die ersten Kunden schon zur Baustelle gekommen“, begründet Monique Mathieu die relative Zurückhaltung der Stadt in Sachen Werbung. Außer durch einige grün-gelbe Plakate auf verschiedenen Buslinien der Stadt und einmalig verschickte Infoblätter an die rund 4.000 Bus-AbonnentInnen hat die Bevölkerung von Luxemburgs neuer „carte de visite“ offenbar noch nicht viel erfahren. Das soll sich aber mit der Eröffnung schlagartig ändern. Schon in den nächsten Tagen will die Stadt, gemeinsam mit den Gas- und Wasserrechnungen, Informationen an alle Haushalte verschicken. „Ich hoffe, das Bierger-Center wird sich in den kommenden Wochen rasch etablieren“, sagt Mathieu optimistisch.
Gut gelegen und somit relativ schnell erreichbar sind die neuen Verwaltungsräume ja: Die Anfahrt mit dem Bus fällt leicht und vom „Hôtel de Ville“ auf dem Knuedler und den Büros im „petit passage“ ist es nur ein Katzensprung.
Die „Fußläufigkeit“, wie es im Amtsdeutsch heißt, ist aber nur ein Plus der neuen Institution, deren Kosten die Stadt mit immerhin 110 Millionen LUF veranschlagt hat. Mathieu hebt besonders die neue Philosophie des Centers hervor: „Wir streben ein ganz neues Dienstleistungsverständnis an“. Danach soll der Bürger als „individueller Kunde mit mehreren Anliegen“ gesehen und von den Angestellten entsprechend individuell betreut werden. Das dafür erforderliche „globale Denken“ haben die MitarbeiterInnen in Extra-Schulungen mit ausländischen ExpertInnen gelernt.
Die Verwaltungsangestellten im Bierger-Center sprechen selbstverständlich alle drei Amtssprachen: Luxemburgisch, Deutsch und Französisch. Schwieriger dürfte es allerdings für KundInnen werden, die dieser Sprachen nicht mächtig sind. Anders als in Esch sind hinter den hauptstädtischen Schaltern weder portugiesisch- noch italienischsprechende Kräfte vertreten. In Notfällen aber, meint Mathieu optimistisch, dürfe sich „in wenigen Minuten“ eine Lösung finden.
Keine Formulare nach Feierabend?
Noch in einem anderen zentralen Punkt unterscheidet sich die Luxemburger Initiative vom Escher Biergeramt: Das Bierger-Center in der Hauptstadt wird lediglich von acht bis 17 Uhr geöffnet sein, und nicht von sieben bis 18 Uhr, wie es die Escher in Rücksicht auf die Berufstätigkeit vieler BewohnerInnen planen.
„Das lohnt sich bei uns nicht“, heißt es dazu in Luxemburg. Hausinterne Beobachtungen sollen gezeigt haben, dass der Hauptansturm nicht morgens früh oder am späten Nachmittag erfolge. KundInnen hätten aber wiederholt gefordert, die Schalter auch während der Mittagszeit geöffnet zu halten. Deshalb habe man sich für diese Variante der Öffnungszeiten entschieden.
Wie das neue Angebot bei der Bevölkerung ankommen und ob beispielsweise die in mühevoller Fleißarbeit ausgetüftelte Spezial-Software wirklich nach Plan laufen wird, werden die nächsten Wochen und Monaten zeigen. Eine interne Evaluierung ist nach Auskunft von Monique Mathieu jedenfalls fest eingeplant. Und vielleicht ergibt sich mit dem Internetauftritt, der als nächstes kommen soll, ja sogar die Möglichkeit, im virtuellen „Bierger-Center“ online Formulare auszufüllen und Dokumente per Mausklick zu beantragen. Dann könnte Luxemburgs Verwaltung den Schritt ins High-Tech-Dienstleistungszeitalter tatsächlich ganz geschafft haben.
Ines Kurschat