ADOPTIONSRECHT: Einfache Adoption für Anfänger

Eine der großen gesellschaftspoliti-schen Debatten im neuen Jahr dürfte jene über die Reform des Adoptionsrechts werden. Es könnte darüber auch Streit in der Koalition geben. Oder innerhalb der LSAP.

Sie müssen erst noch üben: Dem Nationalen Ethikrat nach soll für Schwule und Lesben nur die „adoption simple“ möglich sein, die Volladoption bleibt „vollwertigen“, heterosexuellen Eltern vorbehalten.

Ursprünglich sei die CSV gegen ein Adoptionsrecht für Homosexuelle gewesen, sagt der Parteipräsident der LSAP, Alex Bodry. Die Christsozialen hätten sich jedoch innerhalb der Koalitionsgespräche „bewegt“ und man habe schließlich gemeinsam festgehalten, „dass Homosexuelle kein verbrieftes Recht auf Adoption bekommen, dass die Adoption für Homosexuelle jedoch nicht ausgeschlossen wird“. Präziser mag sich der Chef der Sozialisten zunächst nicht ausdrücken.

Entsprechend vage sind die neun Zeilen, die letztlich zum Thema Adoptionsrecht ins Regierungsprogramm geschrieben wurden. Interessanterweise kommen dort weder die Wörter „homo-“ noch „heterosexuell“ vor. „L’intérêt supérieur de l’enfant doit primer le droit à l’adoption des adultes“, so der eingangs formulierte Grundsatz. Konform mit der Rechtsauffassung des europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte werde der Gesetzgeber, die Modalitäten festlegen, „permettant à une personne agissant seule d’effectuer une adoption plénière, y compris celle des enfants du partenaire“. Was die „nouvelles revendications à l’adoption“ betrifft, habe die aktuelle Regierung nicht „l’intention d’aller au-delà“. Das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare wird somit explizit gar nicht erwähnt.

Derjenige, der dabei ist, den Gesetzesentwurf zu formulieren, erklärt die Absicht der Regierung folgendermaßen: „Was die Adoption für gleichgeschlechtliche Paare angeht, sagen wir – und das ist nicht die Aussage der CSV, sondern die der Koalition – dass wir bereit sind, die Adoption plenière für Einzelpersonen zu ermöglichen, wenn es sich um die Kinder des Partners handelt“, sagte Ex-CSV-Chef und Justizminister Francois Biltgen Anfang November in einem RTL-Interview.

Demnach wäre es für Homosexuelle nur möglich, die Kinder des Partners, nicht jedoch andere Kinder zu adoptieren. Doch wie sich ein solches Zwei-Klassen-Adoptionsrecht in einem Gesetz niederschreiben lässt, ist bislang unklar. Klar ist, dass Luxemburg die Adoption für Einzelpersonen wegen einer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs öffnen muss. Darin ging es um das Recht einer Einzelperson auf eine Adoption. Doch was passiert nun, wenn homosexuelle Einzelpersonen einen Antrag auf eine Adoption stellen? Oder muss, andersherum, eine heterosexuelle Einzelperson, die ein Kind adoptieren will, „beweisen“, dass sie nicht homosexuell ist?

Nicht nur für den Fall der Einzelpersonen besteht noch eine gehörige Portion Klärungsbedarf. Auch für Paare ist die Stoßrichtung der Regierung alles andere als eindeutig. Neu in die Diskussion kam vor drei Wochen der bereits im Koalitionsabkommen angekündigte Avis des Nationalen Ethikrats (CNE). Ein Papier, das ebenso durch seine einseitigen Empfehlungen wie durch seinen zweifelhaft dünnen fachlichen Background überraschte (siehe woxx 1033 vom 19.11.2009).

Ethikrat stärkt die Gegner der Gleichstellung

Ein Kind braucht, so die wissenschaftlich kaum belegte Behauptung, Eltern von beiden Geschlechtern. Und da bei einer „adoption plenière“ keinerlei Beziehung mehr zu den biologischen Eltern besteht, seien die Interessen des Kindes im Falle einer Adoption durch ein homosexuelles Paar nicht mehr gewährleistet, so der CNE. Fazit: „Adoption plenière“ sollte heterosexuellen Paaren vorbehalten sein, ungeachtet dessen, ob diese verheiratet sind oder eine Partnerschaft abgeschlossen haben. Für Homosexuelle sollte lediglich die „adoption simple“ (bei der das Kind noch Kontakt zu den biologischen Eltern hat) möglich sein. Bei Letzterer spielt es für den CNE dann auch keine Rolle, ob es sich um Einzelpersonen, verheiratete oder unverheiratete Paare handelt.

„In meinen Augen ein guter Vorschlag“, kommentiert Alex Bodry allen widersprechenden wissenschaftlichen Studien zum Trotz den Avis des CNE. Auf die Frage, ob denn die Diskriminierung homosexueller Paare nicht bestehen bleibe und dementsprechend die nächste Rüge des Europäischen Gerichtshofes vorprogrammiert sei, verweist Bodry auf die Nachbarländer: Auch in Frankreich oder Belgien sei das Adoptionsrecht für Lesben und Schwule nicht mit einem einzigen Schritt eingeführt worden. Den Verweis auf das rezente Urteil zu Gunsten einer lesbischen Antragstellerin in Frankreich lässt der LSAP-Chef ebenfalls nicht gelten. „Luxemburg ist nicht Frankreich. Man kann Gerichtsurteile nicht einfach so übertragen.“ Für Alex Bodry steht fest: „Mit dem Avis des CNE liegt ein neues Element auf dem Tisch, und wir sollten darüber in der Koalition diskutieren.“

Tatsächlich wird genau das im Regierungsprogramm angekündigt: Das neue Gesetz werde die Empfehlung des CNE mit berücksichtigen, heißt es dort. Fest steht jedoch, dass die Öffnung, wenn auch nur im Falle der „adoption simple“, gegenüber homosexuellen Paaren beim Koalitionspartner CSV nicht auf eine positive Resonanz stoßen wird. Doch nicht nur dort scheint der Streit vorprogrammiert. Auch innerhalb der LSAP ist man sich nicht ganz einig. Ein unterschiedliches Adoptionsrecht für homo- und heterosexuelle Paare sei nicht vertretbar, wird etwa die LSAP-Abgeordnete Lydie Err Anfang November im „Quotidien“ zitiert.

Nach der Veröffentlichung der Stellungnahme des CNE blieb es ruhig in den Reihen der Sozialisten. Stattdessen meldete sich „Adrenalin“, die Jugendgruppe der ADR, zu Wort – mit einer Ermutigung an den Justizminister, „d`Adoptiounsrecht an d´Ouverture vum zivile Bestietnes als een Dossier unzegesinn“ und sowohl die „adoption plenière“ als auch die „adoption simple“ für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. Protest regte sich auch bei den Grünen. Mit der Umsetzung solcher Vorschläge würden in Luxemburg „wieder neue Differenzen zwischen hetero- und homosexuellen Paaren zementiert“, heißt es in einer Presseerklärung von „déi Gréng“. Nicht nur würde Schwulen und Lesben das Recht auf eine Volladoption verwehrt, auch bei der eingetragenen Partnerschaft und der Reform des Eherechts würden homosexuelle Paare über weniger Rechte verfügen als heterosexuelle.

Die Grünen haben deshalb eine Aktualitätsdebatte in der Chamber beantragt, bei der sowohl über die Reform des Ehe- wie auch die des Adoptionsrechtes diskutiert werden soll. „Bevor die Gesetzestexte formuliert werden, sollten die Abgeordneten der Regierung mit auf den Weg geben, wie weit das Gesetz gehen soll“, sagt der Grüne Felix Braz. Man wolle verhindern, dass am Ende wieder einmal ein „halbherziges“ Gesetz auf dem Tisch liege.

Zur Reform des Eherechts stehen zwei Sätze im Regierungsprogramm. Die Regierung werde die Ehe für homosexuelle Paare öffnen. Im Code civil werde dementsprechend festgehalten, dass „deux personnes de sexe différent ou de même sexe peuvent contracter mariage“. Würde das Eherecht vor dem Adoptionsrecht reformiert, entsteht ein juristisches Vakuum, das in der Theorie von adoptionswilligen homosexuellen Paaren „ausgenutzt“ werden könnte. Dem aktuellen Adoptionsrecht nach haben verheiratete Paare das Recht, ein Kind zu adoptieren. Francois Biltgen hat bereits wiederholt angekündigt, beide Gesetzesentwürfe gleichzeitig vorzulegen. Der Justizminister nannte für dieses schwierige Unterfangen gar einen konkreten Termin: Bereits Anfang 2010 soll es soweit sein. Angesichts der komplizierten Kompromisse, die er in die Texte einarbeiten muss, dürfte ihm die weihnachtliche Ruhezeit sehr gelegen kommen. Denn die Lösung dieser Aufgabe ist knifflig.


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