SCHUETTRINGEN: Demokratie posthum

Der Streit um den Schulausbau in Münsbach dauert an. Mit einem Referendum will die Opposition nun ihre Einwände untermauern.

Maquette des Valentiny-Entwurfs zur Münsbacher Schulerweiterung.

Eine echte Sommerpause dürfte den PolitikerInnen der Schüttringer Gemeinde dieses Jahr wohl kaum vergönnt sein. Denn der Streit um die Schulerweiterung geht in die nächste Runde. Mit einem Referendum will die „CSV-Onofhängeg-Schëttrenger-Bierger-Opposition“ die Bevölkerung nun selbst entscheiden lassen, ob der Ausbau des Schulkomplexes auf dem umstrittenen Platz an der Hauptstraße geschehen soll oder auf einem weiter nach hinten versetzten Grundstück etwas außerhalb der Dorfmitte. Die für den 29. September angesetzte Bevölkerungsbefragung ist der vorläufige Endpunkt einer jahrelangen Auseinandersetzung, die in den vergangenen Monaten immer polemischer geführt wurde.

„Wir haben unser großes Ziel, die Bürger zu informieren und mit in den Entscheidungsprozess einzubeziehen, erreicht“, freut sich Henri Rodesch von der CSV. Die DP-LSAP-Mehrheit im Gemeinderat hatte den Vorschlag des politischen Gegners vom 15. Mai dieses Jahres, die Bevölkerung zu dem strittigen Bauprojekt des renommierten Architektenbüros Hermann & Valentiny anzuhören, zunächst mit sechs zu vier Stimmen abgelehnt. Vier Tage bevor auf einer Gemeinderatssitzung endgültig über das Bauvorhaben abgestimmt werden sollte, reichten die vier oppositionellen Schöffen René Hellers (CSV), Christian Krier (Onofhängeg), Marc Lamesch (Schëtter Bierger) und Henri Rodesch einen Antrag für ein Referendum ein. Erst als am 26. Juli die erforderlichen Unterschriften beisammen waren, kam es zu einem Sinneswandel.

Man wolle das Referendum abwarten, bevor definitiv entschieden würde, verkündete Bürgermeister Jean-Pierre Kauffmann (DP) auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Donnerstagabend. Den Vorwurf, sowohl Opposition als auch die Bevölkerung zu wenig über die Planung des 12,6 Millionen Euro teuren Ausbaus informiert zu haben, wies Kauffmann jedoch zurück. „Ich bin sicher, die Mehrheit der Bevölkerung steht hinter dem Projekt“, sagte er gegenüber der woxx und äußerte seinerseits scharfe Kritik am Verhalten der politischen Gegner. Diese hätten mit Falschinformationen Bürgern zum Unterzeichnen der Unterschriftenliste bewegt.

In der Tat weist die Internetseite www. schetterklack.lu der vier Gemeinderäte einige Unschärfen auf. So heißt es dort, dass der „wichtigste, öffentliche Platz definitiv verloren geht“ und „viele praktische Parkplätze“ verschwinden. Doch das Valentiny-Projekt sieht einen doppelt so großen Park- und Festplatz (28 statt wie bisher 14 Ar) vor – wenngleich um einige Meter versetzt.

Richtig ist auch, dass Gemeinderat Henri Rodesch im Mai 1993 unter dem Bürgermeister Jean-Donat Calmes als 1. Schöffe seine Zustimmung zur „transformation du parking devant le Centre Culturel“ sowie zum „réhabiliter le front bâti de la rue Principale par de nouvelles constructions“ gegeben hatte. Allerdings, und das wurde bislang verschwiegen, ausdrücklich provisorisch und unter Berücksichtigung des Dorfcharakters („aptes à confirmer le caractère central de la localité“).

Zu teuer und zu massiv

Auch wenn Rodesch und seine Kollegen den Schulausbau grundsätzlich befürworten und beteuern, nichts gegen moderne Architektur zu haben – mit dem Valentiny-Entwurf können sie sich trotzdem nicht anfreunden. Zu teuer, zu groß, sagen sie. Und: Das Dach, welches die dringend benötigte Kindertagesstätte, Vorschule, kleine Turnhalle und Klassenräume zu einem Komplex verbinden und die Fassade vor schlechter Witterung schützen soll, falle zudem mit seinen 4.000 Quadratmetern viel zu massiv aus. Eine Kritik, die hinter vorgehaltener Hand auch von anderen Architekten zu hören ist. Ob die Kinder wegen des überstehenden Daches allerdings wirklich den ganzen Tag über bei künstlichem Licht lernen oder spielen müssen, ist noch nicht ausgemacht. Laut Architekturbüro steht die lichtenergetische Prüfung noch aus, zudem seien genügend Lichtschächte und viel Fensterglas vorgesehen.

Dass der Entwurf Schwachstellen aufweist, darauf deutet ein Brief aus dem Familienministerium hin, welcher der woxx vorliegt. In dem Schreiben vom 18. Juni an den Schöffenrat wird bemängelt, dass „malheureusement les plans de la structure d’accueil combinée de tiennent compte ni des dispostions légales et réglementaires ni des conseils et recommandations fournies à l’architecte par le représentant de mon service des foyers de jour pour enfants aux réunions de concertation.“ Der ministerielle Beauftragte habe „eine andere architektonische Sprache“ gesprochen“, heißt es dazu lapidar aus dem Architektenbüro. Auf der Pressekonferenz des Bürgermeisters wurde diese kritische Passage verschwiegen und lieber lediglich auf den grundsätzlich positiven Bescheid hingewiesen. Auf Nachfrage der woxx wollte oder konnte sich der zuständige Sachbearbeiter im Familienministerium auch nicht mehr an das Schreiben erinnern …

Genau diese Informationslücken beziehungsweise Desinformationen aber sind Anlass für die wachsende Kritik an der Gemeindeführung.

„Wir sind enttäuscht“, sagt Julie Smit. „Uns wurde vom Schöffenrat zugesagt, dass wir konsultiert werden, das ist aber bis heute nicht geschehen.“ Wie die Opposition bemängelt auch die Vorsitzende der Umweltkommission aus Schüttringen „fehlende Vergleichsmöglichkeiten“ und den „Ausschluss der Bürger und Bürgerinnen aus dem Entscheidungsprozess“.

Bürgermeinung egal?

Juristisch gesehen allerdings kann der Schöffenrat mit der Mehrheit der Stimmen des Gemeinderates ein Bauprojekt auch gegen Vorbehalte von Kommissionen, gegen den erklärten Willen der Opposition, ja, sogar gegen ein Referendum (hat wie die Kommissionen lediglich konsultativen Charakter) durchsetzen. Schon deshalb dürfte der Brief, den die gegnerischen Schöffen vor wenigen Tagen an den Innenminister schickten und in dem sich diese über die fehlende Ausschreibung des millionenteuren Projekts beschweren, kaum Aussicht auf Erfolg haben.

Dennoch: Ein „concours d’idées“ mit verschiedenen Architekten, wie er beispielsweise beim Bau der Schüttringer Schule Ende der 80er unter dem Schöffenrat Jean-Donat Calmes, Henri Rodesch und Jean-Pierre Kauffmann veranstaltet wurde, hätte, so die einhellige Meinung der KritikerInnen, den Auseinandersetzungen von vornherein die Schärfe nehmen können. Die Opposition wird, das hat sie jedenfalls angekündigt, die demokratische Entscheidung des Referendums respektieren – egal, wie sie ausfällt. Es wird sich zeigen, ob dies auch für die liberal-sozialistische Mehrheit gilt

Ines Kurschat


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