Luxemburgs Aktionsplan für erneuerbare Energien baut auf den Einsatz der umstrittenen Biokraftstoffe.
Während ihrer gemeinsamen Pressekonferenz am 9. Juni fiel es den Vertretern von Greenpeace, Mouvement Ecologique und Eurosolar sichtbar schwer, ihre Contenance nicht zu verlieren. „Mir hun ët déck sëtzen“, eröffnete Paul Polfer vom Mouvement das Briefing. Ursache der geladenen Stimmung ist der „Aktionsplan für Erneuerbare Energien“, den die Regierung am 20. Juni bei der Europäischen Kommission einreichen soll. Und von dem halten die drei Organisationen wenig, wie Henri Kox, Eurosolar-Vorsitzender, klarmachte: „Es hat keinen Wert, so einen Wisch nach Brüssel zu schicken.“
Erstellt wird der Aktionsplan im Rahmen einer Richtlinie des Energie- und Klimapakets, auch „EU 20-20-20“ genannt. Ziel der Maßnahmen ist es, die gesamteuropäischen Treibhausgasemissionen bis 2020 um 20 Prozent zu verringern und den Anteil erneuerbarer Energien und die Energieeffizienz um den gleichen Prozentsatz zu steigern ? im EU-Durchschnitt. Und weil Länder wie Dänemark sich ambitionierte Ziele von 30 Prozent erneuerbare Energien (EE) stecken, brauchte Luxemburg sich nur auf 11 Prozent zu verpflichten. Schließlich ist hier die Ausgangslage schwierig: Im Stromsektor erreichte Luxemburg 2009 einen Anteil von 4,3 Prozent EE, was nur 1,2 Prozent des Gesamtenergiebedarfs ausmacht. Im europäischen Vergleich rangiert Luxemburg damit auf dem viertletzten Platz, gerade noch vor Malta, Zypern und ? immerhin ? Großbritannien.
Trotzdem möchte das Wirtschaftsministerium im Aktionsplan ankündigen, dass das 11 Prozent-Ziel, weil eigene Infrastrukturen zu teuer wären, nur durch den Import von grünem Strom erreicht werden kann. „Das stimmt nicht“, wenden die drei NGOs ein, „die 11 Prozent sind durchaus zu schaffen, wenn es in Luxemburg eine integrierte Klimaschutz- und Energiestrategie gäbe und die Politik sich endlich dazu durchringen würde, die Herausforderung ernsthaft anzugehen.“
Aus der Perspektive der NGOs scheitert das an mangelnder energiepolitischer Kohärenz. Unsinnig sei es beispielsweise, wenn der Plan vom federführenden Wirtschaftsministerium nach Brüssel geschickt würde, bevor der vom Nachhaltigkeitsministerium einberufene „Klimapakt“ mit Vertretern der Gemeinden, der Arbeitnehmer, der Wirtschaft und der Umweltorganisationen stattgefunden hat. Diese werden sich am 14. Juni zum ersten Mal treffen, um ihre Gesprächsagenda für die Verhandlungen im Herbst festzulegen. Schon jetzt steht fest, dass es auch eine Arbeitsgruppe zu Energiefragen geben wird, die sicherlich zu dem Aktionsplan einiges zu sagen hat.
Die NGOs fordern daher, dass das Wirtschaftsministerium in Brüssel um eine Verlängerung der Frist ersucht und erst im Winter einen ? dann hoffentlich konsistenten ? Aktionsplan einreicht. Falls das nicht passiert, hoffen sie, dass die Kommission die Vorschläge als unzureichend ablehnt.
Inhaltlich haben die NGOs an Luxemburgs EE-Strategie vor allem die Rolle des Tanktourismus kritisiert, der 2005 fast die Hälfte des Endenergieverbrauchs ausmachte und eigentlich erstes Opfer jeder Energiestrategie sein müsse. Eine LuxRes-Studie habe gezeigt, dass der Abschied vom Treibstoffexport die Energiebilanz wesentlich aufbessern würde: Ohne ein weiteres Windrad zu bauen, hätte Luxemburg sein „Erneuerbare Energien-Ziel“ schon zur Hälfte erfüllt.
Statt dies zu tun, plane die Regierung jetzt jedoch, den Transportsektor auf perverse Weise zur Aufpolierung der EE-Bilanz zu nutzen. Die EE-Richtlinie gibt ein Teilziel für den Transportsektor vor: Hier müssen die Erneuerbaren 10 Prozent des Energiebedarfs abdecken, und zwar durch die Umstellung auf Elektromobilität ? was so kurzfristig kaum möglich scheint ? sowie durch die Beimischung von Kraftstoffen aus Biomasse (meist Ölpflanzen, wie Raps, oder Zuckerrüben). Diese Art der Erzeugung ist umstritten, weil der Anbau der Pflanzen mit dem für Lebensmittel konkurriert, die Rodung von Regenwäldern beschleunigt und häufig negative soziale Auswirkungen hat. Auch die CO2-Bilanz dieser Kraftstoffe ist keineswegs neutral. Die NGOs nennen sie deshalb auch Agro- und nicht Biokraftstoffe. „Bio ist ein positiv besetzter Begriff, der vertuscht, wie unnachhaltig diese Kraftstoffe sind,“ erklärte Paul Polfer.
Für Luxemburg ist die EU-Vorgabe von Vorteil, denn wenn aus den Zapfsäulen zu 10 Prozent Agrokraftstoffe fließen, hat das Großherzogtum sein EE-Ziel bereits zur Hälfte erfüllt. „Missbrauch“, echauffieren sich die NGOs, „je mehr Benzin und Diesel, mit Agrokraftstoffen vermischt, in Luxemburg verkauft wird, umso einfacher können wir unser 11 Prozent-Ziel erreichen.“ Eventuell könnte das aber ein strategischer Fehler sein, warnt Martina Holbach von Greenpeace. Wegen der suboptimalen Umweltbilanz hat die Kommission nämlich eine Revision der „biofuel“-Direktive bis 2014 in Aussicht gestellt. Die Biokraftstoffe könnten aus dem EE-Ziel eventuell wieder ausgeklammert werden, wenn der Widerstand aufgrund ihrer fortdauernd schlechten Umwelt- und Sozialverträglichkeit wächst. Besser wäre es also, direkt die Finger von der unnachhaltigen Energiequelle zu lassen.
Diesem Szenario versucht die Kommission bereits vorzubeugen. Energiekommissar Günther Oettinger stellte am 10. Juni in Brüssel ein Zertifizierungssystem vor, das die Einhaltung strenger Nachhaltigkeitskriterien mit einem Logo belohnen soll. Das Vorhaben hat jedoch mehrere Haken: Die Zertifizierung kann nicht ausschließen, dass die erhöhte Nachfrage für Agrokraftstoffe, welche nicht auf bisher landwirtschaftlich ungenutzten Flächen angebaut werden dürfen, die Bauern dazu zwingt, für den Anbau von Lebensmittel auf eben diese Flächen ? also beispielsweise Regenwälder ? auszuweichen. Oettinger wusste dem mit unüberhörbaren schwäbischen Akzent zu entgegnen, dass man das nie sicher verhindern könne, denn „wer Missbrauch ausschließen will, muss ?biofool‘ ausschließen.“ Ein zweiter Haken: Die Zertifizierung soll freiwillig sein. Die Kommission vertraue „auf die Macht des Verbrauchers“, der sicherlich an der Zapfsäule den ? teureren? ? Treibstoff mit Nachhaltigkeits-Edelprädikat wählen und der Zertifizierung dazu verhelfen werde, zum Standard zu werden.