KLIMASCHUTZ: Versuchslabor Lothringen

ArcelorMittal möchte 2011 in Lothringen ein Testprojekt zur unterirdischen Speicherung von CO2 starten ? das Verfahren ist umstritten, aber unumgänglich.

Der Stahlkonzern teilte am 11. Juni mit, dass das Unternehmen bei den französischen Behörden Genehmigungsanträge für die Erforschung von CCS (Carbon Capture and Sequestra-tion) eingereicht habe. Das Treibhausgas soll am Hochofen der Produktionsstätte im lothringischen Florange abgefangen und dann über Rohrleitungen in 1000 Meter Tiefe gepumpt werden. Langfristiges Ziel ist eine klimaneutrale Stahlproduktion. Bereits seit 2005 steht der europäische Stahlsektor unter Druck, seinen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Bisher waren die Anreize durch das „Emissions Trading Scheme“ (EU ETS) für Europas größte industrielle Emittenten jedoch nicht sehr groß. Während der ersten Allokationsphase von 2005 bis 2008 teilten die EU-Mitgliedstaaten den Konzernen einen Überschuss an Zertifikaten zu, so dass sie zehn Prozent mehr CO2 hätten emittieren können als vor Einführung des Handelssystems. Auch im Zeitraum 2008 bis 2012 verfügen die Stahlkonzerne wegen der Wirtschaftskrise und des durch sie verursachten Produktionsrückgangs über mehr Emissionsrechte als sie benötigen. Deshalb sollen ab 2013 strengere Vorgaben gelten, damit die Emissionen der ETS-Konzerne bis 2020 tatsächlich um 21 Prozent sinken. Zudem ist beabsichtigt, die Emissionszertifikate nicht mehr gratis zu vergeben, sondern sie zu versteigern. Dann könnte ihr Preis endlich so hoch sein, dass er Investitionsanreize für Klimaschutzmaßnahmen schafft. Zu diesen gehört neben der Effizienzsteigerung, dem Energiesparen und der Umstellung auf erneuerbare Energien auch die CCS-Technologie. Denn ab 2013 gilt CO2, das unterirdisch gespeichert wird, als nicht emittiert.

ArcelorMittal hat sich lange dagegen gesträubt, die von der Politik vorgegebene Richtung einzuschlagen, und bereits zweimal beim Europäischen Gerichtshof gegen das Zertifikatsystem geklagt ? mit der Begründung, dieses beeinträchtige die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Die Klage wurde jedoch am 2. März 2010 zum zweiten Mal abgewiesen.

Der Konzern hatte ohnehin während der letzten Jahre Vorsorge für die unvermeidbare Umstellung getroffen und sich mit 47 europäischen Unternehmen in einem Konsortium namens „Ultra Low CO2 Steel“ zusammengeschlossen. Via ULCOS möchte der Stahlsektor seine Forschungsanstrengungen zur Emissionsminderung bündeln. Ein erstes, mit rund 400 Millionen Euro dotiertes und von der EU-Kommission zusätzlich subventioniertes Testvorhaben ist geplant: Es umfasst den Bau eines energiesparenden Hochofens im brandenburgischen Eisenhüttenstadt und das CCS-Projekt in Lothringen.

Umstritten ist CCS, weil es bislang keine verlässlichen Erkenntnisse gibt, wie lange durch hohen Druck verflüssigtes CO2 in etwa 1000 Meter Tiefe sicher gespeichert werden kann. Weltweit laufen bereits mehrere Versuchsprojekte, bei denen bislang noch kein Gas wieder ausgetreten ist ? was natürlich, wie Greenpeace warnt, noch nichts über das langfristige Verhalten des gespeicherten Klimaschädlings aussagt. Die Umweltorganisation befürchtet zudem, dass die CCS-Technologie für den Stromerzeugungssektor Anreize schaffen könnte, weiterhin auf fossile Energiequellen zu setzen. Damit aber würde die wegen des Öl- und Gas-„Peak“ ohnehin notwendige Umstellung auf regenerative Energien unnötig verzögert.

Anders sieht es in der Stahlindustrie aus, in der prozessbedingt CO2 entsteht ? ein Anteil von etwa fünf Prozent an den weltweiten Treibhausgasemissionen, der unvermeidbar ist. Felix Matthes, Energieexperte beim Freiburger Öko-Institut, bezeichnet der woxx gegenüber die aufgeladene Diskussion über CCS als eindimensional: „Wer behauptet, wir brauchten CCS nicht und die Gefahren seien mit der Endlagerung von Atommüll vergleichbar, handelt unverantwortlich. Letztlich ist das sogar eine subversive Strategie, die den erforderlichen Klimaschutz langfristig unmöglich macht. Wenn das Ziel eine nahezu vollständige Dekarbonisierung der Wirtschaft ist, so kommt man an CCS nicht vorbei.“


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