INDEX-KOMPROMISS: Kuhhandel statt Tripartite

Bei Kompromissen gibt es offiziell stets nur Gewinner. Wer diesmal genauer hinsieht, erkennt lauter Verlierer.

„Index und Sparpaket haben nichts miteinander zu tun“, gab OGBL-Präsident Jean-Claude Reding kurz vor der Bipartite von Mittwoch gegenüber dem „Wort“ zu Protokoll, „also werde ich mich auf einen solchen Handel nicht einlassen.“ Doch genau das, was er weit von sich wies, nämlich ein „Aménagement“ des Index, kombiniert mit einer Versüßung des Sparpakets, ist nun als Kompromiss bei den Verhandlungen zwischen Regierung und Gewerkschaften herausgekommen. Die Kilometerpauschale macht dabei nur einen kleinen Teil des Sparpakets aus. Im Gegenzug mussten die Gewerkschaften akzeptieren, dass die nächste Index-Tranche erst im Oktober 2011 fällig wird, was im Falle des Eintretens hoher Inflation empfindliche Kaufkraftverluste mit sich bringt.

Sind die Gewerkschaften also die großen Verlierer des Kompromisses? Der Eindruck entsteht vor allem dadurch, dass sie vor den Verhandlungen den Mund ziemlich voll genommen hatten. Immerhin ist es ihnen gelungen, strukturelle Veränderungen am Indexsystem zu verhindern – will die Regierung nach 2012 weitere „Aménagements“ vornehmen, muss sie zuvor wieder an den Verhandlungstisch. So gesehen bedeutet der Kompromiss eher einen Gesichtsverlust für die CSV und insbesondere für Finanzminister Luc Frieden. Dessen Ankündigung harter Eingriffe in die Index-Regelung just vor der Bipartite hatte die Erwartung geweckt, das System werde grundlegend verändert. Auf dem Verhandlungstisch lag denn auch der Vorschlag einer Begrenzung des Index auf eine Tranche pro Jahr.

Dass dies jedoch verhindert wurde, geht wohl auf das Wirken der LSAP zurück, deren Minister kurzfristig zu dem Treffen, das ursprünglich als Gespräch zwischen Premier und Gewerkschaften angesetzt war, eingeladen wurden. Damit hat sie – neben ihrer Regierungsbeteiligung – auch den sozialen Frieden gerettet. Politisches Kapital daraus zu schlagen, fällt ihr allerdings schwer. Nach den Verhandlungen trat nur der Regierungschef vor die Mikrofone. Und bei der tags darauf einberufenen Pressekonferenz blieben Alex Bodry und Lucien Lux in der Defensive und versicherten, allem Anschein zum Trotz, es gebe zur Regierungskoalition keine Alternative und der Index-Kompromiss entspreche dem LSAP-Kongressbeschluss vom Frühjahr. Parteiintern werden sie keine Schwierigkeiten haben, einen vom OGBL abgesegneten Kompromiss schönzureden. Ob die LSAP-Basis aber die Einschätzung von Lucien Lux teilt, die von Vera Spautz vergangene Woche formulierte Kritik sei „vorschnell“ gewesen, ist fraglich. Vielleicht denkt sie ja auch, die Partei habe, wie im Frühjahr, einen Tritt in den Hintern benötigt, um sich für den Erhalt des Index einzusetzen. Dennoch: die LSAP, der eine Zerreißprobe vorhergesagt worden war, ist glimpflich davongekommen.

Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben, und mit den anstehenden Renten- und Krankenkassen-Reformen und der absehbaren Wiederauflage der Index-Diskussion 2012 steuern die Regierungsparteien auf weitere politische Krisen zu. Dass Luxemburg in diesem Herbst Tripartiteverhandlungen am Rand des Abgrunds erspart bleiben, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine gestaltende Anti-Krisen-Politik immer noch aussteht. Insbesondere im Hinblick auf den unvermeidlichen ökologischen Umbau des Landes setzt der Kompromiss die falschen Signale. Die Zurücknahme der Halbierung der Kilometerpauschale ist weder eine soziale noch eine ökologische Maßnahme: Wer keine Steuern zahlt, profitiert eh nicht davon, aber die Zersiedlung des Landes wird durch die Maßnahme weiterhin gefördert.

Sollten sich in den kommenden Jahren erneut finanzpolitische Spielräume ergeben, steht wohl wieder ein Tauziehen zwischen Patronat und CSV auf der einen und Gewerkschaften und LSAP auf der anderen Seite an: Die einen werden für eine beschleunigte Entschuldung eintreten, die anderen für eine Rückführung der Sparmaßnahmen. Investitionen in den ökologischen Umbau werden wieder einmal kein Thema sein. Ob Kuhhandel oder Tripartite, Verlierer sind immer die Umweltinteressen.


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