ROBERT GOEBBELS: Polemisch und unkorrekt

Der Vize-Präsident der sozialistischen Fraktion im Europaparlament und ehemalige Luxemburger Minister scheint nach zehn Jahren Exil in Strassburg und Brüssel seine Rückkehr in die heimische Politik zu planen.

Stolz verkündete die „Revue“ diese Woche, den einstigen Journal- und Tageblatt-Journalisten Robert Goebbels als politischen Kolumnisten gewonnen zu haben. Das Wochenmagazin präsentiert deshalb zum Jahresanfang den ehemaligen Wirtschafts- und Bautenminister in einem Porträt, das unter anderem auf Goebbels‘ politische Erfolge eingeht. Genannt werden „Campus Geesseknäppchen“ und die „Coque“ auf Kirchberg – unerwähnt bleiben dagegen die Nordstraße oder der Unglücks-Rondpoint Gluck – beides Projekte, die der streitbare Minister ungeachtet aller Kritik seinerzeit durchgeboxt hat.

Kurz vor den Weihnachtsferien hatte Goebbels in Luxemburg seine Streitschrift „Politisch unkorrekt“ vorgestellt. Die wird zwar als „cahiers socialistes européens“ von der luxemburgischen Delegation des „Groupe socialiste au Parlement Européen“ (PSE) herausgegeben, doch richtet sich das 22-seitige Heft eigentlich an die „luxemburgische Politikklasse“, die aufgehört habe „fortschrittlich zu sein“. Der Autor gibt darin an, der Rückzug aus dem politischen Tagesgeschäft habe ihm Distanz verschafft, „Distanz zu den oft sterilen Sandkastenspielen in der nationalen Abgeordnetenkammer: Gehört der Hund an die Leine, der Löwe auf die Fahne, der Hirsch in den Wald?“. Wer geglaubt hat, es Folge eine Abrechnung mit der eigenen Partei oder dem übermächtigen Koalitionspartner, der dürfte allerdings enttäuscht sein. Denn der goebbelssche Rundumschlag gilt – und das ist auch nach einem Jahrzehnt Politexil im EU-Parlament nun wahrlich nichts Neues – den von Goebbels ausgemachten GegnerInnen des Fortschritts: den Bewahrern. „Nicht Fortschritt ist gefragt, sondern Bewahrung, Schutz: Klimaschutz, Umweltschutz, Tierschutz, Denkmalschutz. Stillgelegte Hochöfen, selbst plumpe Kühltürme müssen bewahrt werden, koste es was es wolle.“

Was dann folgt ist so etwas wie die Fibel des allseligmachenden Produktivismus: „Keine höheren Löhne ohne Handel“, „Neue Produkte, mehr Kaufkraft“, „Europa begann als Markt“ – Titel der im Heft aneinandergereihten Artikel. Immerhin gibt Robert Goebbels eingangs zu, nicht „immer die richtige Antwort“ parat zu haben und er versteht seine Schrift als Anstoß zu kontroversen Debatten, die das „Salz der öffentlichen Meinungsbildung“ seien. Er wolle lediglich dazu beitragen, dem grauen Konsens, der in Luxemburg herrsche, den Garaus zu machen. Vordergründig hat er jene Kollegen im Visier, die „ohne offensichtliche eigene Meinung“ sind. Doch in Wahrheit rechnet er mit der linken und grünen politischen Konkurrenz ab. Die mag, sofern im Parlament vertreten, vielleicht nicht mehr so bissig sein wie zu Gründerzeiten, doch ihr in den von Goebbels aufgelisteten Themenbereichen (Klimawandel, Gentechnologie, Straßenbau, Umweltschutz) Meinungslosigkeit vorzuwerfen, macht deutlich, dass es mit der politischen Ehrlichkeit des ehemaligen Ministers nicht weit her ist.

Einige der Vorwürfe an den politischen (Angst)-Gegner: „Kioto, eine Fehlkonstruktion“, „Auch in Bio sind Gene“, „Ohne weitere Straßen geht nichts“ – hinter diesen Titeln verbirgt sich alter Wein in noch älteren Schläuchen. Dass der CO2-Ablasshandel einen faulen Kompromiss darstellt, ist nicht den Umweltschützern anzukreiden, sondern den Verweigerern von damals. Dass zehn Jahre später der Klimawandel in aller Munde ist, ist auch weniger auf den „faden Einheitsbrei“ in der öffentlichen Debatte zurückzuführen, als auf die (zu späte) Einsicht der Politikklasse, die sich lange einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Wachstumsmodell der Nachkriegszeit versperrte.

Am Ende wird aber auch der ehemalige Wachstumseinpeitscher nachdenklich und fordert einen „Umweltschutz mit Vernunft“ – freilich unter Ausschaltung einiger „Schreibtischtäter“ in der Verwaltung, „die überall Biotope wittern“ und eine „inquisitorische Vorgehensweise“ an den Tag legen. Goebbels‘ Fazit: „Die Politik soll die Oberhoheit in Sachen vernünftigem Umweltschutzes zurückgewinnen.“ Dieser sei vereinbar mit urbaner und wirtschaftlicher Weiterentwicklung. Das freilich würden Meco, Grüne und der amtierende Umweltminister nicht anders sagen – also doch Einheitsbrei?

Politisch unkorrekt, Robert Goebbels, Les cahiers socialistes européens Nr. 19, www.eurosocialistes.lu


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