Das Bauvorhaben Royal Hamilius in der Oberstadt soll ein neues „selling argument“ der Stadt Luxemburg gegenüber neuen Investoren werden. Das macht nur Sinn, wenn es im Stadtzentrum wieder eine Wohnbevölkerung gibt.
Annähernd 18.000 Quadratmeter für Geschäfte, 12.000 für Büros und 6.800 für Wohnungen, das sind die Eckdaten des Projekts Royal Hamilius. Mit den bereits geplanten 30.000 Quadratmetern Verkaufsfläche im Projekt Place de l’Etoile wird der kommerzielle Faktor in der Hauptstadt multipliziert, wobei das Projekt Ban de Gasperich noch gar nicht in die Rechnung miteinbezogen ist. Nicht kleckern, klotzen, heißt es neuerdings bei der Stadt Luxemburg, wenn es darum geht, das angeschlagene Image der Hauptstadt als Geschäftszentrum aufzupolieren.
Tatsächlich sind wohl einschneidende Maßnahmen nötig, um das Herz der Stadt wiederzubeleben – in der ersten Diskussionsrunde des Zyklus` „Cité Talk“ veranschlagte vorige Woche der Präsident des Luxemburger Geschäftsverbandes die aktuelle Kommerzfläche in der Oberstadt auf nicht einmal 35.000 Quadratmeter. Zum Vergleich: Das Geschäftszentrum Belle Etoile weist 30.000 Quadratmeter auf, demnächst sollen es 50.000 sein.
Während bei dem Rundtischgespräch das Interesse der Investoren oder das eventuelle Konkurrenzverhältnis zwischen Royal Hamilius und Place de l’Etoile im Vordergrund standen, wurde die aktuelle Lage des zweiten, populäreren Geschäftszentrums der Stadt im Bahnhofsviertel nur auf Anfrage thematisiert. Dabei hätte die City-Managerin auch hier in Sachen Imagepflege noch einiges zu tun. Doch man wartet wohl lieber auf das Megaprojekt, das einmal am Bahnhof entstehen soll.
Das Thema Wohnen in der Stadt wurde mit dem Argument ausgeklammert, es sei für eine der kommenden Talk-Runden vorgemerkt. Dabei wird das Projekt Royal Hamilius gerade auch als Wohnprojekt verkauft ? an sich ein interessantes Vorhaben in einem Stadtviertel, das mit 2.700 Seelen eines der am schwächsten besiedelten ist. Es hat von 1981 bis 2001 – unter DP-Mehrheiten – 36 Prozent seiner Bevölkerung verloren; das Durchschnittsalter ist nirgendwo höher.
Auf die Frage, wie das Wohnen am Boulevard Royal denn den 150 potenziellen neuen BewohnerInnen schmackhaft gemacht werden soll, verweist das hauptstädtische Stadtentwicklungsamt auf die familiengerechte Größe der Wohnungen und die geplanten Kinderwagenstellplätze. Doch um zu vermitteln, dass Wohnen im Stadtzentrum cool ist, wird mehr verlangt. Da muss das Angebot an Schulen, Freizeit- und Sportaktivitäten, an Spielplätzen vor der Tür wieder stimmen. Da dürfen Fußgängerzonen nicht mehr nur am reibungslosen Ablauf von Handel und Konsum orientiert sein, sondern müssen auch zum Verweilen einladen. Da ist eine verbesserte Luftqualität gefordert – längst sind am Boulevard Royal die Stickoxyd- und Feinstaubgrenzwerte überschritten.
Die Ansiedlung neuer Geschäftszentren im Stadtzentrum macht aber vor allem dann Sinn, wenn diese in der näheren Umgebung zahlreicher Wohnungen liegen ? mehr als die hier geplanten. Denn auch wenn die Tram einmal am Boulevard Royal fahren wird: Gegenüber der Konkurrenz auf der grünen Wiese werden innerstädtische Geschäftszentren vor allem auf die innerstädtische Bevölkerung angewiesen sein. Weiterhin auf das Auto zu setzen, wäre angesichts der bekannten Verkehrslage fatal.
In der Oberstadt steht aber der potenzielle Wohnraum über den Geschäften seit Jahrzehnten leer. Dass der Stadt hier die Hände gebunden seien, wie vielfach behauptet wird, trifft nicht zu. Es fehlt ihr nur der Mut, sich via Bebauungsplan oder einer offensiveren Ankaufpolitik Lenkungsmöglichkeiten zu verschaffen und Einfluss auf die Preise zu gewinnen. In ihrem eigenen Stadtentwicklungskonzept von 2005 werden konkrete Maßnahmen zur Reaktivierung von leer stehenden Gebäuden vorgeschlagen. Die sind längst überfällig – doch auch ein Jahr vor den Gemeindewahlen ist von ihnen wenig zu bemerken.