GESUNDHEITSREFORM: Parlamentarische Farce

Erstes Opfer der Reform im Gesundheitswesen: die viel beschworene Transparenz.

„Ich kann mich morgen im Spiegel betrachten“, so Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo, als er am Mittwochabend zusammen mit den Fraktionschefs von CSV und LSAP sowie Vertretern der Ärztevereinigung AMMD der Presse die frohe Botschaft verkündete, dass die Bummelstreikaktion der Ärzte ausgesetzt werde und bei der Gesundheitsreform ein Kompromiss erreicht worden sei. Doch hinsichtlich des genauen Wortlauts dieser Vereinbarung blieb der Minister jede Information schuldig.

Begründet wurde dies mit der für den folgenden Tag anberaumten Sitzung der Gesundheitskommission des Parlaments, die das Recht habe, in dieser Sache als erster informiert zu werden. Ein solches Recht hat es tatsächlich gegeben, allerdings nur für die Mehrheitsparteien, deren Vorsitzende bei der Aushandlung des Kompromisses zugegen waren. Nicht so für die Opposition: Sie wurde im Verlauf der Kommissionssitzung nur tröpfchenweise informiert. Tatsächlich akzeptierte die parlamentarische Kommission mehrheitlich das vom Minister vorgeschlagene Prozedere, wonach in der Sitzung das Gesetz Artikel pro Artikel durchzugehen und die mit der AMMD ausgehandelten Änderungsvorschläge nach und nach einzuarbeiten seien. Ähnlich verfahren wurde mit den formellen Oppositionen des Staatsrates und den Einwendungen der Datenschutzkommission, deren Bericht erst am Vortage eingegangen war.

Die Abgeordneten wussten also zu Beginn der Sitzung, für die der ganze Tag anberaumt war – plus einer eventuellen Verlängerung am Freitag Nachmittag – noch nicht, welche Ausrichtung das ganze Gesetz durch die Änderungsvorschläge erfahren würde. Zielorientiertes Arbeiten scheint im parlamentarischen Geschäft immer noch ein Fremdwort zu sein. Beim woxx-Redaktionsschluss war gerade einmal ein Drittel der Gesetzesvorlage auf diese Weise „abgearbeitet“. In ihren diversen Stellungnahmen schien es den Mehrheitsabgeordneten wichtiger, ihre Freude und Befriedigung über das Ende des Ärztestreikes zu bekunden, als über das Gesetz und seine Änderungen zu debattieren.

Zielloses Abarbeiten

Dass nicht nur Ärzte und Spitäler, mit denen der Minister bis zuletzt verhandelte, sich mit dem Gesetz schwer tun, sondern auch die gewerkschaftlichen Vertreter anderer im Gesundheitsbereich tätiger Personen, hat bislang nur wenig Niederschlag in der Debatte gefunden. Der Verdacht, es gehe dem Minister ohnehin nur darum, das knappe Zeitfenster bis zum Jahresende zu nutzen, um allen Beteiligten den von den Koalitionären vereinbarten Obolus abzutrotzen, gewinnt durch dieses untransparente Vorgehen neue Nahrung.

Das mehrfache Umschreiben diverser Artikel mit zum Teil widersprüchlichen Resultaten – etwa beim „médecin référant“ – hat kaum dazu beigetragen, die Qualität der Texte zu verbessern. Und der Makel, dass das Gesetz sich auf all zu viele noch nicht bekannte großherzogliche Reglemente beruft, bleibt auch nach der Einbeziehung diverser „oppositions formelles“ des Staatsrates bestehen.

Am schwersten dürfte aber wiegen, dass die eigentlich Betroffenen, die Patienten, bislang überhaupt nicht zu Wort gekommen sind. Auch wenn die Repräsentativität der „Patientevertriedung“ von manchen Seiten in Frage gestellt wird und ihr Vorstand sich nicht unbedingt durch Hyperaktivität auszeichnet, ist das Fehlen einer Analyse aus der Sicht der Betroffenen doch als ernster Mangel zu werten.

Keine besonders guten Voraussetzungen also für die Kommission, der keine drei Wochen mehr bleiben, um dem Plenum Bericht zu erstatten und ein neu formuliertes Gesetz vorzulegen. Dieses wird dann in wesentlichen Punkten nichts mehr gemein haben mit dem von den verschiedenen Berufskammern und betroffenen Verbänden und Organisationen unter Zeitdruck kommentierten Vor-Entwürfen des Ministers. Infolgedessen wird es für die Abgeordneten noch schwieriger werden „nach bestem Wissen und Gewissen“ zu beurteilen, ob diese Reform überhaupt den aktuellen Erfordernissen des Gesundheitswesens gerecht wird.


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